Freundschaft besteht in der Unbedingtheit und Uneingeschränktheit, mit der ich dem anderen alles mitteilen kann, Feindschaft in der Unbedingtheit und Uneingeschränktheit, mit der mich der andere bis zur Vernichtung verfolgt. In beiden Fällen geht es also um ein Absolutes, ohne das sich Feindschaft nicht von Gegnerschaft und Freundschaft nicht von Bekanntschaft unterscheiden lässt. Wie aber verhält sich das Absolute der Freundschaft zu ihrer Geschichte, zu dem Umstand, dass Freundschaften entstehen und dass es zu einem Bruch mit Freunden kommen kann? Wie abhängig ist der unerbittliche Feind davon, dass man ihn als Feind anerkennt? Das verfolgt Düttmann in zwei Studien. In der ersten Studie über "Freunde im Diesseits und Jenseits" geht es um Descartes, Kafka und Schmitt. In der zweiten Studie über "Freundschaft: Ein Versuch ueber die Befreiung" bezieht er sich auf Derrida, Habermas und Nietzsche.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.1999Sag einfach: Blödmann
Unter Nachbarn ist schon alles ausgesprochen: Alexander García Düttmanns eristische Dialektik
Das Wirkliche ist früher als das Mögliche, das Bestimmte wahrhaftiger als das Unbestimmte. Bei Alexander García Düttmann dagegen führt, anders als bei Plato und Aristoteles, die Bewegung des Philosophierens ins Unverfügbare, Unbegreifliche, Unbestimmte. Zwar werden gelegentlich Namen, Realien genannt. Aber die Konzilianz gegenüber dem Wirklichen, das es schließlich auch gibt, depotenziert es umso nachhaltiger. Zwar ist die Rede schlicht und abwägend. Aber umso deutlicher tritt als Quell unseres Nichtbegreifens das Verhaftetsein im Alltag der Bestimmtheiten hervor. Vor dem Unsagbaren weist die Demut den Priester aus.
Carl Schmitt denke Feindschaft nicht radikal genug, legt García Düttmann dar. Wie Descartes den Zweifel. Er hege und begrenze sie, indem er sie als Anerkennungsverhältnis nimmt. Dabei zeige nicht zuletzt der (hegelsche) Kampf um Anerkennung, dass Feindschaft absolut und unbegründbar ist und auf die Vernichtung des anderen ausgehen muss. Das einführende Beispiel gibt, mit einem Gedicht von Leisegang, der Nachbar, den ich heimkommen, Kaffee kochen höre. Aber bevor ich anfangen kann, diese Feindschaft etwa dadurch zu erklären, dass man die Wohnung als Grenze seines Innenraums nimmt, den der andere mit Geräuschen verletzt, ist Düttmann schon mit einem Flügelschlag ins Absolute entschwunden.
Auch Freundschaft könne keinesfalls aus Bedingungen abgeleitet werden. Sie setze die stets erneute Entscheidung zum Sprung in das Ereignis voraus, das die Möglichkeit einer uneingeschränkten Rede stiftet. Aber warum brauche ich da ein Es, das irgendetwas stiftet? Wenn mir jemand sympathisch ist, rede ich offen mit ihm. Und warum mir jemand sympathisch ist, lässt sich meist auch ganz gut erklären. Hat nicht Düttmanns tiefsinnige Dialektik, die konstitutive Uneingeschränktheit der Rede implizierte, man habe virtuell bereits über alles geredet, die allerplattesten Voraussetzungen? Sie nimmt Gespräch als Übertragung dessen, was in meinem Inneren ist, in das Innere des Anderen. Obwohl doch die besten Gedanken im Gespräch entstehen. Je mehr ich gebe, desto mehr habe ich. Was sollte es da überhaupt nur bedeuten, dass alles gesagt ist.
Dem unentrinnbaren Feind könne man sich nur durch das Vergessen entziehen; jede Freundschaft öffne sich bereits auf eine andere hin. Die durch keine Analyse verstellte Erfahrung der Faktizität leitet uns ins Unbestimmte als den Ursprung des Wirklichen. Heißt das nicht, dass ich mich umso ursprünglicher, authentischer verhalte, je mehr ich mich dem Sosein meiner Gefühle hingebe? Und besteht dann nicht diese ganze Metaphysik aus ins Monströse gesteigerten Beziehungsalltagsbefindlichkeiten? Der Freund, dem ich alles gesagt habe, wird zum Feind, den ich vergessen muss, um mich dem neuen Freund ganz zu öffnen. Die Unbestimmtheit von Düttmanns Absolutem spiegelt die Unbestimmtheit eines absolut gesetzten weltlosen Gefühlslebens. In dieser Weltlosigkeit sind dann auch das Intime und das Politische eins. Auch das unverfügbare Ereignis der Demokratie ist immer im Kommen begriffen.
GUSTAV FALKE
Alexander García Düttmann: "Freunde und Feinde". Das Absolute. Turia und Kant, Wien 1999. 80 S., br., 20,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unter Nachbarn ist schon alles ausgesprochen: Alexander García Düttmanns eristische Dialektik
Das Wirkliche ist früher als das Mögliche, das Bestimmte wahrhaftiger als das Unbestimmte. Bei Alexander García Düttmann dagegen führt, anders als bei Plato und Aristoteles, die Bewegung des Philosophierens ins Unverfügbare, Unbegreifliche, Unbestimmte. Zwar werden gelegentlich Namen, Realien genannt. Aber die Konzilianz gegenüber dem Wirklichen, das es schließlich auch gibt, depotenziert es umso nachhaltiger. Zwar ist die Rede schlicht und abwägend. Aber umso deutlicher tritt als Quell unseres Nichtbegreifens das Verhaftetsein im Alltag der Bestimmtheiten hervor. Vor dem Unsagbaren weist die Demut den Priester aus.
Carl Schmitt denke Feindschaft nicht radikal genug, legt García Düttmann dar. Wie Descartes den Zweifel. Er hege und begrenze sie, indem er sie als Anerkennungsverhältnis nimmt. Dabei zeige nicht zuletzt der (hegelsche) Kampf um Anerkennung, dass Feindschaft absolut und unbegründbar ist und auf die Vernichtung des anderen ausgehen muss. Das einführende Beispiel gibt, mit einem Gedicht von Leisegang, der Nachbar, den ich heimkommen, Kaffee kochen höre. Aber bevor ich anfangen kann, diese Feindschaft etwa dadurch zu erklären, dass man die Wohnung als Grenze seines Innenraums nimmt, den der andere mit Geräuschen verletzt, ist Düttmann schon mit einem Flügelschlag ins Absolute entschwunden.
Auch Freundschaft könne keinesfalls aus Bedingungen abgeleitet werden. Sie setze die stets erneute Entscheidung zum Sprung in das Ereignis voraus, das die Möglichkeit einer uneingeschränkten Rede stiftet. Aber warum brauche ich da ein Es, das irgendetwas stiftet? Wenn mir jemand sympathisch ist, rede ich offen mit ihm. Und warum mir jemand sympathisch ist, lässt sich meist auch ganz gut erklären. Hat nicht Düttmanns tiefsinnige Dialektik, die konstitutive Uneingeschränktheit der Rede implizierte, man habe virtuell bereits über alles geredet, die allerplattesten Voraussetzungen? Sie nimmt Gespräch als Übertragung dessen, was in meinem Inneren ist, in das Innere des Anderen. Obwohl doch die besten Gedanken im Gespräch entstehen. Je mehr ich gebe, desto mehr habe ich. Was sollte es da überhaupt nur bedeuten, dass alles gesagt ist.
Dem unentrinnbaren Feind könne man sich nur durch das Vergessen entziehen; jede Freundschaft öffne sich bereits auf eine andere hin. Die durch keine Analyse verstellte Erfahrung der Faktizität leitet uns ins Unbestimmte als den Ursprung des Wirklichen. Heißt das nicht, dass ich mich umso ursprünglicher, authentischer verhalte, je mehr ich mich dem Sosein meiner Gefühle hingebe? Und besteht dann nicht diese ganze Metaphysik aus ins Monströse gesteigerten Beziehungsalltagsbefindlichkeiten? Der Freund, dem ich alles gesagt habe, wird zum Feind, den ich vergessen muss, um mich dem neuen Freund ganz zu öffnen. Die Unbestimmtheit von Düttmanns Absolutem spiegelt die Unbestimmtheit eines absolut gesetzten weltlosen Gefühlslebens. In dieser Weltlosigkeit sind dann auch das Intime und das Politische eins. Auch das unverfügbare Ereignis der Demokratie ist immer im Kommen begriffen.
GUSTAV FALKE
Alexander García Düttmann: "Freunde und Feinde". Das Absolute. Turia und Kant, Wien 1999. 80 S., br., 20,- DM.
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