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In Freunde erzählt Herrmann Lenz, welcher Freundeskreis sich um Eugen Rapp im München der neunziger Jahre versammelt hat. Mit seinen Freunden unternimmt er Reisen, mit ihnen führt er Gespräche über Leben, Überleben und Schreiben. Von ihnen erhält er Nachrichten über die nahe und die weite Welt. Kurz: Durch diese Freunde hält der Einzelgänger Eugen Rapp den für seine schriftstellerische Arbeit notwendigen Kontakt zu der von ihm, der »nebendraußen« steht, mit Skepsis beobachteten Gegenwart. Diese Gleichzeitigkeit von Nähe und Ferne, die auch dem Schriftsteller Herrmann Lenz auszeichnet, macht…mehr

Produktbeschreibung
In Freunde erzählt Herrmann Lenz, welcher Freundeskreis sich um Eugen Rapp im München der neunziger Jahre versammelt hat. Mit seinen Freunden unternimmt er Reisen, mit ihnen führt er Gespräche über Leben, Überleben und Schreiben. Von ihnen erhält er Nachrichten über die nahe und die weite Welt. Kurz: Durch diese Freunde hält der Einzelgänger Eugen Rapp den für seine schriftstellerische Arbeit notwendigen Kontakt zu der von ihm, der »nebendraußen« steht, mit Skepsis beobachteten Gegenwart. Diese Gleichzeitigkeit von Nähe und Ferne, die auch dem Schriftsteller Herrmann Lenz auszeichnet, macht Freunde zu einem aufrichtigen und detailgetreuen Panorama von Zeitgenossen.
Freunde ist der neunte und letzte Band der autobiographischen Romanfolge »Vergangene Gegenwart«: Verlassene Zimmer, Andere Tage, Neue Zeit, Tagebuch vom Überleben und Leben, Der Fremdling, Der Wanderer, Seltsamer Abschied, Herbstlicht und Freunde.
Herrmann Lenz wurde am 26. Februar 1913 in Stuttgart geboren. Er starb am 12. Mai 1998 in München. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. 1978 mit dem Georg-Büchner-Preis.
Autorenporträt
Lenz, HermannHermann Lenz wurde am 26. Februar 1913 in Stuttgart geboren und starb am 12. Mai 1998 in München. Nach dem Abitur im Jahr 1931 studierte Lenz Theologie in Tübingen und anschließend von 1933 bis 1940 Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik in Heidelberg und München. Von 1940 bis 1946 war er als Soldat in Frankreich und Russland stationiert und kurze Zeit in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Seine schriftstellerische Arbeit begann Lenz 1946 in Stuttgart. Im selben Jahr heiratete er die Kunsthistorikerin Hanne Trautwein. Zu seinen Hauptwerken gehören die Romane Andere Tage und Neue Zeit um sein Alter Ego Eugen Rapp. Von 1951 bis 1971 war Lenz Sekretär des Süddeutschen Schriftstellerverbandes.1972 begegnete er zum erste Mal Peter Handke. Ab 1975 lebte Lenz in München. Er erhielt zahlreiche Preise für seine Werke.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Eichenlaub und Silberstaub
Abschied von der Dachstube - Die Lebenslinien des Hermann Lenz · Von Peter Demetz

Im gutbürgerlichen Kinderzimmer, aber auch in der Literatur hat das altmodische Kaleidoskop seinen schönsten Ort. Die Hand des staunenden Kindes oder des erfahrenen Schriftstellers dreht und schüttelt das Spielzeug, und die bunten Steine und Splitter schließen sich immer neu zu farbigen Mustern zusammen. Hermann Lenz hat ungefähr zwanzig Jahre nach dem Kriege in seinem autobiographischen Roman "Verlassene Zimmer" (1966) mit seinem Lebenskaleidoskop zu spielen begonnen, und die Frage nach der Originalität seiner Materialien führt in die Irre, denn es geht ihm um feine Kombinationskraft, das noch Ungesehene in der Wiederholung, die überraschende Nuance.

Die Sache ist allerdings die, daß sich Lenz störrisch als Dachstubenpoet stilisiert und uns mit einer gewissen Monotonie versichert, er schreibe seine Manuskripte noch immer mit Stahlfedern, unterbreche seine Arbeit punkt zwölf Uhr mittags, um zwei Käsebrote und einen Obstsalat zu sich zu nehmen, verbringe seine Urlaube im Bayerischen Wald und schrecke vor jeder selbstbewußten Frau zurück, die sich ihm mit erotischen Ansprüchen nähere. Er will uns partout beweisen, er sei ein Provinzschreiber, der unversehens in die moderne Prosa geriet, und dazu gehört auch seine Methode, nicht für sich selber zu sprechen, sondern uns mit einem gewissen Herrn Eugen Rapp zu konfrontieren, dem er alles in die Schuhe schiebt.

In der Literaturgeschichte gilt seit langem das Dogma, daß man Lenz in der Zeit engagierter und sozialer Romane nicht lesen wollte und ihn erst in der Epoche der erneuten Subjektivität als Autor von Rang entdeckte (als ob Peter Härtling nicht lange vor Peter Handke signalisiert hätte, was man da versäume). Jedenfalls entging der kritischen Theorie, daß Lenz seine Subjektivität an Rapp delegierte, der episch freier reden und denken darf als sein Erfinder.

Frühere Bücher über Rapps Erfahrungen trugen noch melancholische Titel, "Der Fremdling" (1983), "Der Wanderer" (1986) oder "Seltsamer Abschied" (1988), aber in der neuen Publikation "Freunde" mischt sich die Erinnerung an vergangene Unbill schon mit der freudigen Entdeckung, daß man ihm als Schriftsteller wohl will; er hat sympathische Menschen um sich versammelt, denen er vertrauen darf. Er wird kaum je vergessen, wie man ihn jahrzehntelang in einem Stuttgarter Literaturverein demütigte (Eintrittskartenverkauf für Lesungen reisender Dichter aus einer alten Zigarrenkiste) - das ist vorbei, in München hat er sich komfortabel eingerichtet, zählt zur Prominenz, mit der er eigentlich nichts zu tun haben will, und berichtet darüber, wie er, oder eben Herr Rapp, "zu einem ehrwürdigen Senioren avancierte", nahezu "ohne dies zu merken". Er reist, taucht bei mondänen Parties auf (allerdings im Geist immer halb abwesend); und als ihn ein Medienbaron auf seine Yacht im türkischen Meer zu einer Kreuzfahrt einlädt (eine Prominente sonnt sich an Deck mit nichts als ein wenig Silberstaub auf den Brustspitzen), rettet ihn ein psychosomatisches Zahnweh, und er darf nach München heimkehren.

Die Gesellschaft läßt ihn aber nicht los, der Bundespräsident und ein Kardinal laden ihn und seine Frau Hanne zu Empfängen und einem Diner im kleinen Kreis (er trägt sein Bundesverdienstkreuz hinterm Revers, weil er sich nicht entscheiden kann, ob er es sichtbar tragen soll oder überhaupt nicht). Der Mann lebt wirklich auf (endlich), aber nicht ohne Selbststilisierung, denn er hat nicht geringe Mühe, in einer Ristorante-Rossini-Gesellschaft einen Spitzweg-Charakter darzustellen, "einen dubiosen Vogel". Ich finde es sehr sympathisch, daß sich Lenz kühn als Komödienfigur präsentiert, denn unter deutschen Intellektuellen ist die Selbstironie dünn gesät.

Das neue Buch legt uns nahe, Lenz' Ideen über die Literatur und die Künste ernster zu nehmen, als bisher geschehen, und seine Gedanken über Stil und Sprache nicht als Marotten abzutun. Seine Frankfurter Vorlesungen definierten seine Vorbilder und Ausgangspunkte mit praktischer Präzision, und da er nun, ungeachtet aller Stuttgarter Verletzlichkeiten, längst versöhnlicher denkt, sind seine expliziten Polemiken nicht weniger bedenkenswert als die zwischen den Zeilen. Nicht immer ganz einfach, ihm auf die literarischen Schliche zu kommen, denn er nennt oder verbirgt die wirklichen Namen nach einem System, das nur er selber kennt. Nietzsche, "der Unerbittliche", hat ihn "wenig gekümmert", aber an Paul Celan denkt er dankbar zurück; Peter Handke nennt er Stephan Koval ("er sah wie ein Bub aus"), und Ota Filip entpuppt sich unversehens als böhmischer Kulinarier. Das schönste Porträt ist das des Filmregisseurs Wim Wenders und seiner Lebensgefährtin, in einer alten Villa, im Schlafzimmer nur "zwei Matratzen", sonst nichts, "wenig Gepäck war nicht schlecht, wenn man wußte: es ist nicht für lange . . . Die glaubten nicht an so etwas wie Dauer."

Rapp fühlt nach beiden Seiten, denn Lenz entschied sich nie ganz, ob er Gesellschaftsromane schreiben wollte (ohne Bäume) oder poetische Prosa über Wolken und Gräser; das Allgemein-Schöne der Natur genügt ihm nicht, und deshalb sucht er die konkrete Schafgarbe und die "langen und zackigen Blätter des Löwenzahns". Daß er sich so oft ins Österreichische begibt, hat seinen Grund nicht nur darin, daß er sich gerne als spätjosefinischer Hofrat maskiert; im Lande der Zerrissenen und Schwierigen, ob Kari Bühl oder Hans Moser, fällt es nicht so auf, wenn einer "draußen danebensteht und zuschaut". Lenz hat sich ja selbst zu Stifter bekannt, aber seine Naturbeschreibungen wucherten oft mit Fin-de-siècle-Effekten, ehe er sich, wie in "Freunde", das Sparsame und Spröde zu eigen machte, "vom Meer ging eine Helligkeit aus, als ob eine Gasflamme brenne", oder das föhnige München, "hinter den Frauentürmen glänzten weiße und schattenblaue Höhen, als wäre die Luft in den Straßen vom Licht gereinigt" . . .

Man denkt selten daran, daß er als junger Mensch nach dem Kriege Trollope übersetzte, dessen Figuren ganz ohne schwärmende Aufblicke zu Wolken oder Baumkronen handeln, und daß er sich später wünschte, Schnitzlers psychologische Technik der Tupfen und Sprenkel zu erneuern. Rapp hat ganz recht: Das "Alter dämpft alles Grelle", aber er ist nicht bereit, Konturen, Abstände, Lebenslinien zu verwischen; in "Freunde" treten sie noch unmittelbarer hervor als sonst. Es mag die Weisheit des Alters sein, Gesellschaft und Natur jede für sich und auf sich beruhen zu lassen und in ihrer Unvereinbarkeit, aber nicht Feindschaft, mehr Licht, Atem und Freiheit zu finden als im grünen Wirrwarr.

Hermann Lenz: "Freunde". Roman. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1997. 222 S., geb., 38,- DM.

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