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Sie war die letzte Zeitzeugin des Widerstands gegen Hitler und eine engagierte Vorkämpferin der deutsch-polnischen Versöhnung: Freya von Moltke (1911 - 2010), Bankierstochter aus dem Rheinland und letzte Gutsherrin des schlesischen Kreisau. Was sie antrieb, wer ihre Weggefährten waren und was für ein Mensch die lebensfrohe Weltbürgerin war, erzählt Frauke Geyken in ihrer einfühlsamen Biographie.

Produktbeschreibung
Sie war die letzte Zeitzeugin des Widerstands gegen Hitler und eine engagierte Vorkämpferin der deutsch-polnischen Versöhnung: Freya von Moltke (1911 - 2010), Bankierstochter aus dem Rheinland und letzte Gutsherrin des schlesischen Kreisau. Was sie antrieb, wer ihre Weggefährten waren und was für ein Mensch die lebensfrohe Weltbürgerin war, erzählt Frauke Geyken in ihrer einfühlsamen Biographie.
Autorenporträt
Dr. phil. Frauke Geyken, Historikerin und Publizistin, lebt in Göttingen und arbeitet für verschiedene Bibliotheken und Museen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Eine Frau mit Bedeutung

Das Leben der Freya Gräfin von Moltke war geprägt von innerer Unabhängigkeit. Zum 100. Geburtstag am 29. März liegen eine süffig geschriebene und eine akribisch recherchierte Biographie vor.

Von Karina Urbach

Zwei Frauen begeben sich auf die Suche nach einer dritten. Da es sich bei der Gesuchten um eine veritable Heldin handelt, könnte dies leicht zu einer hagiographischen Irrfahrt werden. Doch Frauke Geyken und Sylke Tempel kämpfen in ihren Biographien über Freya von Moltke tapfer gegen diese Versuchung an. Ihr Untersuchungsobjekt gibt postum die Methodik vor - da Freya selbst jegliches Pathos ablehnte, treffen auch ihre Biographinnen fast immer den richtigen Ton. Bis kurz vor ihrem Tod 2010 war sie "nur" die Ehefrau von Helmuth James Graf von Moltke. Von der Öffentlichkeit wurde sie als ewige Witwe wahrgenommen, doch sie war alles andere als eine "Frau ohne Bedeutung". Das lag vor allem an ihrer geerdeten Lebenseinstellung und dem früh gefassten Entschluss, sich von nichts erschüttern zu lassen.

Als ihr Vater Carl Theodor Deichmann 1931 seine Bank samt Privatvermögen verlor, kommentierte die Tochter dies lapidar mit den Worten "ich heiratete als armes Mädchen". Dass sie sich nie als arm empfand, machte sie resistent gegen allerlei Versuchungen. Helmuth James von Moltke nannte die wichtigste Eigenschaft seiner Frau eine "Stabilität, die sie von Hause aus hat". Freya war weder eine besonders gute Juristin noch eine herausragende Schönheit - aber sie hatte eine unwiderstehlich starke Persönlichkeit: "Ich bin ja für die Menschen gemacht, weil ich so gut lieben kann", urteilte sie über sich selbst. Ihre überbordende Großzügigkeit führte dazu, dass sie als 24-Jährige allein das Moltkesche Gut Kreisau managen musste und nebenher für das Wohl unzähliger Hausgäste sorgte, die selten abreisen wollten. Ihr Mann arbeitete unterdessen als Anwalt in Berlin und vertraute auf ihren Führungsstil.

Als sie nach Kriegsbeginn 1939 zu sparsam wurde, zog er sie damit auf, dass die gehorteten Marmeladenvorräte eines Tages den späteren Besitzern Kreisaus viel Freude bereiten würden. Mit dem Einzug von polnischen oder russischen Nacheigentümern rechneten beide fest, und Helmuth James erfand 1942 einen fiktiven Herrn Serpuchow, der die Kreisauer Marmeladenbrote schätzen würde. Da das Moltke-Paar auf den Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft hoffte, diskutierten sie schon seit Januar 1940 Pläne für eine bessere Nachkriegsgesellschaft. Die wissenschaftliche Literatur über den Kreisauer Kreis will nicht enden. Sowohl die süffige Biographie von Sylke Tempel wie auch Frauke Geykens akribisch recherchiertes Porträt interessieren sich nur am Rande dafür. Das ist das einzige Manko der Bücher. Zwar hat die perfekte Gastgeberin Freya bei den Zusammenkünften des Kreisauer Kreises nur den Kaffee eingeschenkt, aber sie bezog sich später immer wieder auf die Ideen ihres Mannes.

Besonders stark sind beide Biographinnen dann wieder, wenn es ans Sterben geht. Das liegt natürlich auch an den wunderbaren Briefen, die Freya und Helmuth James einander geschrieben haben. Moltke wurde sieben Monate vor dem 20. Juli verhaftet, und für einige Zeit gab es die Hoffnung, er könnte freikommen. Als dem Paar die Aussichtslosigkeit der Situation klar wurde, hatten sie ein halbes Jahr Zeit, voneinander Abschied zu nehmen. Sie taten es auf bewundernswerte Weise. Ihre Korrespondenz zeigt keine Larmoyanz, sondern absolute Klarheit über die letzten Dinge. Es sind kluge, manchmal sogar komische Briefe, und es ist ganz klar, dass hier zwei Menschen symbiotisch geworden sind und der eine im anderen weiterleben würde. Diese Intensität erklärt auch, warum Freya von Moltke auf die Hinrichtung ihres Mannes gefasst reagierte und zu keinem Zeitpunkt in eine Trauerspirale verfiel. Sie wusste, was nun ihre Aufgabe war.

Es gab für Freya ein Leben nach 1945 - und dies ist ein Punkt, der bisher wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Welche Probleme die Angehörigen des Widerstands - im Gegensatz zu den Familien von NS-Größen - in den fünfziger Jahren hatten, ist eine eigene Geschichte. Die schiere Existenz der überlebenden Widerständler und ihrer Familien war eine unangenehme Erinnerung daran, dass man sich im "Dritten Reich" auch anders verhalten konnte. Noch 1956 lehnten über 50 Prozent der Deutschen es ab, eine Schule nach dem Hitler-Attentäter Claus von Stauffenberg benennen zu lassen. Die traurige Ironie war, dass aus der langsamen Anerkennung des Widerstandes in Deutschland wiederum ein Politikum wurde. Der englische Historiker Donald Watt urteilte Ende der sechziger Jahre in seinen Vorlesungen, deutsche Widerständler seien eine zu vernachlässigende Gruppe gewesen, die von der Bundesrepublik als Propagandainstrument benutzt würde, um die "guten Deutschen" zu zeigen. Es ist folglich nicht überraschend, dass Freya ein ambivalentes Verhältnis zu Historikern entwickelte. Zwar arbeitete sie mit dem Briten Michael Balfour, einem alten Freund ihres Mannes, gerne zusammen; Gerhard Ritter und Hans Rothfels fehlte aber ihrer Meinung nach das Gefühl für die Menschen, die hinter den Ideen standen.

Ihr eigenes Leben blieb weiterhin von großer innerer Unabhängigkeit geprägt. Sie wurde eine "Weltbürgerin auf drei Kontinenten". 1947 ging sie mit ihren zwei Söhnen nach Südafrika, wo sie sich für Behinderte engagierte. Sie verließ das Land, kurz bevor die Apartheidspolitik verschärft wurde. Doch Deutschland erschien ihr weiterhin zu eng, und als sie den ehemaligen Lehrer ihres Mannes, den Soziologen und Kulturphilosophen Eugen Rosenstock-Huessey, wiedertraf, stellte sie zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie sich noch einmal verlieben konnte. Die beiden lebten bis zu seinem Tod 1973 zusammen in Vermont.

Freya von Moltke hätte nun den Rest ihres Lebens damit verbringen können, um zwei berühmte Männer zu trauern, aber das Revolutionsjahr 1989 bewahrte sie davor. Zuerst kam ein Anruf von Bundeskanzler Kohl, der mit ihr nach Kreisau reisen wollte. Die Matriarchin der Familie Moltke bestand jedoch auf einer polnischen Einladung - und die kam postwendend. 1990 wurde sie Ehrenvorsitzende der "Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung", 1998 konnte die Internationale Jugendbegegnungsstätte Kreisau eröffnet werden. Dank eines Computers, den sie zum 90. Geburtstag geschenkt bekam, wurde sie zur engagierten Ehrenvorsitzenden. Das neue Kreisau steht heute für die Idee eines "permanenten Dialogs" zwischen Polen und Deutschen. Sich auf einen Dialog mit Freya von Moltke einzulassen, hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Sylke Tempel: Freya von Moltke. Ein Leben. Ein Jahrhundert.

Rowohlt Verlag, Berlin 2011. 224 S., 19,95 [Euro].

Frauke Geyken: Freya von Moltke. Ein Jahrhundertleben 1911-2010.

C. H. Beck Verlag, München 2011. 287 S., 19,95[Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Anlässlich des 100. Geburtstags von Freya von Moltke empfiehlt Renate Wiggershaus diese Biografie der Historikerin Frauke Geyken als genaues wie spannend zu lesendes Buch. Wichtig erscheint Wiggershaus, dass die Autorin nicht nur von Moltkes Leben erzählt, sondern auch die jeweiligen historischen und sozialpolitischen Hintergründe berücksichtigt sowie die Biografien von Menschen aus ihrem weiteren Umfeld. Geykens Quellen, Gespräche mit Verwandten und Freunden sowie öffentliches und privates Archivmaterial, scheinen Wiggershaus zu überzeugen. Eine bewegende, doch nichts beschönigende Lebensgeschichte, lobt die Rezensentin. Die richtige Ergänzung zum soeben erschienenen Briefwechsel Helmuth James und Freya von Moltke, meint sie.

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