Es ist an der Zeit, den Ängsten und Horrorszenarien im Zusammenhang mit Alzheimer und anderen Formen von Demenz eine positive Vision entgegenzusetzen. Es geht hier um ein Buch, das eine gute Zukunft beschreibt. Denn die Probleme, die heute da sind, und jene, die noch auf uns zukommen werden, sind lösbar
Welche Optionen bleiben? Weiter weggucken? Darauf warten, dass das rettende Medikament gefunden wird? Oder unser Schicksal in die Hand nehmen, unsere Zukunft gestalten. Sabine Bode besuchte Alten und Pflegeheime, sprach mit Pflegepersonal, Wissenschaftlern und porträtiert Helfer, die unermüdlich Demenzerkrankten helfen, in Würde zu altern. Sie vollführt einen Perspektivwechsel: Sie bringt festgefahrene Ängste zum Einsturz und zeigt unzählige gute Ansätze und Mut machende Erfahrungen. Dieses Buch ist ein Plädoyer für ein Umdenken
Welche Optionen bleiben? Weiter weggucken? Darauf warten, dass das rettende Medikament gefunden wird? Oder unser Schicksal in die Hand nehmen, unsere Zukunft gestalten. Sabine Bode besuchte Alten und Pflegeheime, sprach mit Pflegepersonal, Wissenschaftlern und porträtiert Helfer, die unermüdlich Demenzerkrankten helfen, in Würde zu altern. Sie vollführt einen Perspektivwechsel: Sie bringt festgefahrene Ängste zum Einsturz und zeigt unzählige gute Ansätze und Mut machende Erfahrungen. Dieses Buch ist ein Plädoyer für ein Umdenken
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2014Suche nach Momenten des Glücks
Für mehr positive Energie: Sabine Bode versucht unsere Angst vor der Diagnose einer Demenzerkrankung im Alter zu bannen.
Von Joachim Müller-Jung
Die Welt ist schöner, wenn man das Elend ausblendet, keine Frage. Aber ist das die Lösung, wenn wir an die vielfältigen Irrwege denken, auf denen wir unterwegs sind, wenn es um die Bekämpfung von Krankheit, Siechtum und Pflegenotstand geht? Mit anderen Worten: Ist Optimismus die richtige Haltung gegenüber der sich gnadenlos ausbreitenden Demenzerkrankung Alzheimer und dem demographischen Wandel? Wenn man das Buch der Kölner Journalistin Sabine Bode liest und sich auf ihre Perspektive einlässt, lautet die Antwort ganz klar: Ja.
Die Autorin, die sich bisher vor allem mit Geschichtsthemen und Kriegsgeschichten befasste, hat ein spannendes Experiment gewagt. Sie hat sich auf die Suche nach den Menschen und Orten im Land gemacht, in denen nicht die Missstände das Bild beherrschen, die regelmäßig in den Medien angeprangert werden, sondern das Aufbäumen dagegen. "Es gibt das Umfeld, es gibt die Einrichtungen, es gibt die Familien, wo Alte in Ruhe verrückt werden dürfen und glückliche Phasen im Lebensabend genießen." Man kann solchen Sätzen etwas abgewinnen und spürt dabei doch, dass es eben lediglich so sein kann - aber in vielen Fällen nicht so ist. Und dass es vielleicht sogar nur eine Minderheit von Privilegierten ist, die in den Genuss kommt, den geistigen Verfall im Alter so erleben zu dürfen. Warum also sollte es für mich gelten? Bodes Buch ist die Aufforderung, diese Möglichkeit nicht nur in Betracht zu ziehen, sondern auch alles selbst dafür zu tun.
Wer ihr da folgen will und diese positive Energie mitbringt, der kann aus der Lektüre viele Beispiele für ein würdevolles Leben in geistiger Umnachtung mitnehmen. Für die anderen ist das Buch ein typisches Beispiel von Rosinenpickerei. Der Gestus der Autorin ist immer der einer Mutmacherin. Die beeindruckende "Demenzclownin", eine einfühlsame Unterhalterin mit eigenem Pflege-Zertifikat, steht paradigmatisch dafür. Das muss psychologisch nicht schlecht sein. So auch, wenn die Lehren des prominenten Hirnforschers Gerald Hüther bemüht werden, der in der Begeisterungsfähigkeit den "Dünger fürs Hirn" sieht und deshalb den Schluss zieht: Menschen, die sich einer Sache hingeben können, die für eine Idee brennen, die bis ins hohe Alter nicht aufhören, sich für Neues zu begeistern, "werden nur selten von einer Demenz heimgesucht".
Aber das ist eine trügerische Empirie. Denn natürlich ist man sich unter Demenzforschern inzwischen einig, dass man dem massenhaften Niedergang von Hirnzellen im Alter durch verschiedene präventive Maßnahmen begegnen kann - dass man Alzheimer eher verhindern kann, wenn man gesund lebt, sich bewegt, nicht raucht, nicht trinkt und nicht nachlässt, sein Gehirn immer wieder zu benutzen und herauszufordern. Aber keine Forschung hat gezeigt, dass in sich gekehrte Menschen mit der Neigung zum Grübeln, solche, die negative Erfahrungen im Leben angehäuft und damit die Lust verloren haben, damit die Ausbildung einer Demenz begünstigen. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die hochbetagten lebensfrohen, neugierigen Menschen mit dem "Dünger im Gehirn" uns einfach deshalb auffallen, weil sie genau mit diesen Eigenschaften aus der großen Masse herausstechen? Jemand, der mit neunzig mit dem Gedächtnis und der Energie eines Sechzigjährigen ausgestattet ist, kann von Glück reden - aber so wenig, wie sich sagen lässt, dass er so lange lebt, weil er demenzfrei geblieben ist, lässt sich sicher behaupten, er ist demenzfrei geblieben wegen seines positiven Wesens.
Auf der Suche nach ihren Glücksmomenten mit Demenzpatienten ist die Autorin jedenfalls viel herumgekommen und hat einiges entdeckt, was Mut macht. Und sie hat daraus psychologisch gesehen sinnvolle Schlüsse gezogen: Wir sollten aus Dingen, die nicht zu ändern sind, das Beste machen. Wir dürfen die Begegnung mit dementen Alten, mit immer mehr von ihnen, nicht gleich als Katastrophe begreifen - weder als finanzielle noch als menschliche Tragödie. Die Gefahr liegt allerdings unbestritten darin, dass man mit dieser Haltung allzu leicht die Augen verschließt, welches Elend gesundheitspolitisch und menschlich tatsächlich oft herrscht. Bodes Buch sollte man deshalb lesen, wenn man bereit ist, gerne daran zu glauben, was der Bremer Bürgermeister Henning Scherf zu seinem Umgang mit dem Thema sagte: "Wer nach vorne schaut, bleibt länger jung."
Sabine Bode: "Frieden schließen mit Demenz".
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2014. 304 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für mehr positive Energie: Sabine Bode versucht unsere Angst vor der Diagnose einer Demenzerkrankung im Alter zu bannen.
Von Joachim Müller-Jung
Die Welt ist schöner, wenn man das Elend ausblendet, keine Frage. Aber ist das die Lösung, wenn wir an die vielfältigen Irrwege denken, auf denen wir unterwegs sind, wenn es um die Bekämpfung von Krankheit, Siechtum und Pflegenotstand geht? Mit anderen Worten: Ist Optimismus die richtige Haltung gegenüber der sich gnadenlos ausbreitenden Demenzerkrankung Alzheimer und dem demographischen Wandel? Wenn man das Buch der Kölner Journalistin Sabine Bode liest und sich auf ihre Perspektive einlässt, lautet die Antwort ganz klar: Ja.
Die Autorin, die sich bisher vor allem mit Geschichtsthemen und Kriegsgeschichten befasste, hat ein spannendes Experiment gewagt. Sie hat sich auf die Suche nach den Menschen und Orten im Land gemacht, in denen nicht die Missstände das Bild beherrschen, die regelmäßig in den Medien angeprangert werden, sondern das Aufbäumen dagegen. "Es gibt das Umfeld, es gibt die Einrichtungen, es gibt die Familien, wo Alte in Ruhe verrückt werden dürfen und glückliche Phasen im Lebensabend genießen." Man kann solchen Sätzen etwas abgewinnen und spürt dabei doch, dass es eben lediglich so sein kann - aber in vielen Fällen nicht so ist. Und dass es vielleicht sogar nur eine Minderheit von Privilegierten ist, die in den Genuss kommt, den geistigen Verfall im Alter so erleben zu dürfen. Warum also sollte es für mich gelten? Bodes Buch ist die Aufforderung, diese Möglichkeit nicht nur in Betracht zu ziehen, sondern auch alles selbst dafür zu tun.
Wer ihr da folgen will und diese positive Energie mitbringt, der kann aus der Lektüre viele Beispiele für ein würdevolles Leben in geistiger Umnachtung mitnehmen. Für die anderen ist das Buch ein typisches Beispiel von Rosinenpickerei. Der Gestus der Autorin ist immer der einer Mutmacherin. Die beeindruckende "Demenzclownin", eine einfühlsame Unterhalterin mit eigenem Pflege-Zertifikat, steht paradigmatisch dafür. Das muss psychologisch nicht schlecht sein. So auch, wenn die Lehren des prominenten Hirnforschers Gerald Hüther bemüht werden, der in der Begeisterungsfähigkeit den "Dünger fürs Hirn" sieht und deshalb den Schluss zieht: Menschen, die sich einer Sache hingeben können, die für eine Idee brennen, die bis ins hohe Alter nicht aufhören, sich für Neues zu begeistern, "werden nur selten von einer Demenz heimgesucht".
Aber das ist eine trügerische Empirie. Denn natürlich ist man sich unter Demenzforschern inzwischen einig, dass man dem massenhaften Niedergang von Hirnzellen im Alter durch verschiedene präventive Maßnahmen begegnen kann - dass man Alzheimer eher verhindern kann, wenn man gesund lebt, sich bewegt, nicht raucht, nicht trinkt und nicht nachlässt, sein Gehirn immer wieder zu benutzen und herauszufordern. Aber keine Forschung hat gezeigt, dass in sich gekehrte Menschen mit der Neigung zum Grübeln, solche, die negative Erfahrungen im Leben angehäuft und damit die Lust verloren haben, damit die Ausbildung einer Demenz begünstigen. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die hochbetagten lebensfrohen, neugierigen Menschen mit dem "Dünger im Gehirn" uns einfach deshalb auffallen, weil sie genau mit diesen Eigenschaften aus der großen Masse herausstechen? Jemand, der mit neunzig mit dem Gedächtnis und der Energie eines Sechzigjährigen ausgestattet ist, kann von Glück reden - aber so wenig, wie sich sagen lässt, dass er so lange lebt, weil er demenzfrei geblieben ist, lässt sich sicher behaupten, er ist demenzfrei geblieben wegen seines positiven Wesens.
Auf der Suche nach ihren Glücksmomenten mit Demenzpatienten ist die Autorin jedenfalls viel herumgekommen und hat einiges entdeckt, was Mut macht. Und sie hat daraus psychologisch gesehen sinnvolle Schlüsse gezogen: Wir sollten aus Dingen, die nicht zu ändern sind, das Beste machen. Wir dürfen die Begegnung mit dementen Alten, mit immer mehr von ihnen, nicht gleich als Katastrophe begreifen - weder als finanzielle noch als menschliche Tragödie. Die Gefahr liegt allerdings unbestritten darin, dass man mit dieser Haltung allzu leicht die Augen verschließt, welches Elend gesundheitspolitisch und menschlich tatsächlich oft herrscht. Bodes Buch sollte man deshalb lesen, wenn man bereit ist, gerne daran zu glauben, was der Bremer Bürgermeister Henning Scherf zu seinem Umgang mit dem Thema sagte: "Wer nach vorne schaut, bleibt länger jung."
Sabine Bode: "Frieden schließen mit Demenz".
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2014. 304 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Solange der Leser nicht das gesundheitspolitische Elend dahinter vergisst, soll er das Buch von Sabine Bode gerne lesen, findet Rezensent Joachim Müller-Jung. Was die Kölner Journalistin hier an Optimismus zwischen die Buchdeckel packt, dünkt ihm allerdings erstaunlich und nicht immer deckungsgleich mit der Wirklichkeit. Dass Bode demente Menschen mit Lebensfreude und hellen Momenten begegnet, scheint ihm nicht unbedingt ein Garant dafür zu sein, dass jedem Dementen so ein Glück auch möglich ist, wenn er es nur optimistisch genug angeht und die richtige Betreuung erhält. Wie sich würdevoll in geistiger Umnachtung leben lässt, dafür bietet Bode aber viele mutmachende Beispiele, räumt der Rezensent ein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Dieses Buch ist ein Plädoyer für ein Umdenken.« Praxis Ergotherapie, Februar 2015 »... unvoreingenommen, furchtlos, fordernd und mit wachem Blick.« Tamara Weise, Börsenblatt, 13.2.2014 »Das Buch von Sabine Bode ist voller ermutigender Beispiele, wie Humanität und Würde auch bei Menschen mit Demenz gewahrt werden.« Bernhard Kraus, Konradsblatt, 5/2014