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Der Zufall hatte dem Staufer Friedrich auf den Thron verholfen: Der Sohn König Konrads III. war bei dessen plötzlichem Tod zu jung, und so fiel die Wahl auf den Herzog von Schwaben, der als Kaiser Barbarossa in die Geschichte eingehen und maßgeblich unser Bild vom Mittelalter prägen sollte. Doch bewundern wir vielleicht nur ein Trugbild? Knut Görich befreit in seiner grundlegenden Biographie den Stauferherrscher aus dem Rankenwerk der Legendenbildung und zeigt ihn einerseits als Genie des Ausgleichs im Umgang mit den Großen des Reiches. Andererseits gelingt es ihm herauszuarbeiten, in welchem…mehr

Produktbeschreibung
Der Zufall hatte dem Staufer Friedrich auf den Thron verholfen: Der Sohn König Konrads III. war bei dessen plötzlichem Tod zu jung, und so fiel die Wahl auf den Herzog von Schwaben, der als Kaiser Barbarossa in die Geschichte eingehen und maßgeblich unser Bild vom Mittelalter prägen sollte. Doch bewundern wir vielleicht nur ein Trugbild?
Knut Görich befreit in seiner grundlegenden Biographie den Stauferherrscher aus dem Rankenwerk der Legendenbildung und zeigt ihn einerseits als Genie des Ausgleichs im Umgang mit den Großen des Reiches. Andererseits gelingt es ihm herauszuarbeiten, in welchem Maße Friedrich I. in allen seinen politischen und militärischen Handlungen auf die Wahrung und Mehrung seines eigenen Rangs und auf die Ehre des Reiches bedacht war.
So entsteht insgesamt das nuancierte Bild eines realen mittelalterlichen Menschen, das sich deutlich von all jenen Projektionen unterscheidet, die ihren Ausgang in einer nationalistisch orientierten Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts genommen und bis heute unsere Wahrnehmung des historischen Barbarossa bestimmt haben.
Autorenporträt
Knut Görich lehrt als Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Ludwig- Maximilians-Universität München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.10.2011

Reiches Herrlichkeit
Knut Görich erzählt das Leben des Stauferkaisers Friedrich
Barbarossa ganz ohne Mythen Von Joachim Käppner
Sein Haar ist blond und oben an der Stirn etwas gekräuselt . . . Seine Augen sind scharf und durchdringend, die Nase ist schön, der Bart rötlich, die Lippen sind schmal und nicht durch breite Mundwinkel erweitert, und das ganze Antlitz ist fröhlich und heiter.“
So beschreibt der Chronist Rahewin den Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa, den „Rotbart“, der das hochmittelalterliche deutsche Reich von 1152 bis 1189 regierte. Es ist die Blütezeit der romanischen Kunst, und obwohl deren Ziel nicht war, Menschen realistisch darzustellen, ist mit dem „Cappenberger Barbarossakopf“ mit den großen dunklen Augen und feinen Zügen doch eine verblüffend plastische Büste des Kaisers erhalten. Sie hat schon vielen Barbarossabüchern als Illustration gedient, so auch dem Titelblatt dieser jüngsten Biographie, verfasst von dem Münchner Geschichtsprofessor Knut Görich. Aber mit dem Cappenberger Reliquiar fangen die Probleme schon an. Zeigt es überhaupt Barbarossa? Und wenn ja, ist es wirklich authentisch? Oder folgt es nur Idealbildern des christlichen Herrschers?
Solchen Fragen geht Görich akribisch nach (und kommt im Fall des Kopfes zu einem gelehrten „Kann schon sein, muss nicht sein“). Unter Journalisten kursiert angesichts beliebter Themen der Kalauer, es sei schon alles geschrieben, aber noch nicht von jedem. Historiker sind vornehmer, freilich fragt man sich, was eine Barbarossa-Biografie noch leisten kann, wenn es 2009 schon eine gab (Johannes Laudage) sowie die Neuauflage des Standardwerks von Ferdinand Oppl, 2010 dann eine Staufer-Ausstellung mit gewaltigem Katalog und zahlreiche Publikationen fürs breite Publikum wie das gelungene Buch der Spiegel -Redaktion über „Die Staufer und ihre Zeit“.
In Görichs gewaltigem, fast 800 Seiten starken Epos wird die Geschichte des bedeutendsten deutschen Herrschers des Mittelalters daher nicht neu geschrieben – aber immerhin deutlich anders. Görich versucht durchgehend, Friedrich I. aus seiner Zeit heraus zu verstehen, seine Handlungsspielräume zu durchleuchten, frei von Interpretationen und Projektionen folgender Generationen. Denn kein anderer Kaiser hat die Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste späterer Epochen so auf sich gezogen wie der Mann mit dem rötlichen Bart. „Er hat hinab genommen, des Reiches Herrlichkeit / und wird einst wiederkommen, Mit ihr, zu seiner Zeit“, dichtete Friedrich Rückert 1817, vaterländische Pflichtlektüre für bemitleidenswerte Schulkinder.
Das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal zeigt Barbarossa, in epochaler Scheußlichkeit, am Kyffhäuser als schlafenden Steinriesen, der einstmals wiederkehren werde, um die Einheit der Nation zu vollenden. Heinrich Heine dagegen wünschte sich in „Deutschland. Ein Wintermärchen“ das Gegenteil: „Das beste wäre, du bliebest zu Haus / Hier in dem alten Kyffhäuser / Bedenk ich die Sache ganz genau, / So brauchen wir gar keine Kaiser.“
Die Kyffhäuser-Sage vom schlafenden Imperator hatte zunächst Friedrich II. gegolten, Barbarossas Enkel und letztem Vertreter der staufischen Kaiserherrlichkeit. Als der, Deutschland längst entfremdet, 1250 in Italien starb ging das Reich bereits andere Wege als Frankreich oder England, die zumindest Grundzüge des späteren Nationalstaates entwickelt hatten. Deutschland aber blieb bis 1871 zerrissen in einen Flickenteppich vieler Herrschaften, bis es von Preußens Gnaden mit Gewalt vereint wurde. Doch der Einheit fehlte die Freiheit, deren Sache mit der Revolution 1848 folgenreich gescheitert war. In allen Zeiten sagte das Nachdenken über Barbarossa, wie Görich darlegt, meist mehr über die Nachdenkenden und ihre Zeit aus als über Friedrich I. selbst. Görichs Buch gleicht dem Versuch, ein vielfach übermaltes Ölbild von den jüngeren Farbschichten zu reinigen und freizulegen, was vom Original noch enthalten ist. Und das ist nicht viel.
Friedrich I., Imperator der westlichen Welt, mächtigster Fürst des Reichs, ebenbürtiger Widersacher eines bis zur Verblendung selbstgewissen Papsttums, konnte weder lesen noch schreiben. Er hinterließ keine Schriften, keine Diktate, keine Originalzitate, die zweifelsfrei aus seinem Mund stammen.
Görich trennt die Überlieferung der Geschichte von der Geschichte selbst. Die Überlieferung „bestand in der Konstruktion von politischen Zielen und Motiven, die in der Wahrnehmung der Zeitgenossen keine Rolle spielten“. Bis heute hält sich der aus dem 19. Jahrhundert stammende Irrglaube, Friedrichs Herrschaft sei der Versuch gewesen, den Zentralstaat gegen die auseinanderstrebenden Gewalten der deutschen Fürstentümer durchzusetzen. Falsch, sagt Görich entschiedener als jeder Historiker zuvor, der echte Friedrich, Oberhaupt eines vormodernen Staates, hätte diese Kategorien gar nicht verstanden. Gewiss, er mehrte die Macht des Königreichs und das Reichsgut gewaltig, schuf Ansätze einer Staatsverwaltung. Das System der Adelsherrschaften aber, der großen Geschlechter und Fürstentümer, also die, wie Görich schreibt, „herkömmliche Praxis konsensualer Herrschaftsausübung“ stellte Barbarossa nicht in Frage. Er wusste es nur auf geschickte Weise zu balancieren, um die Macht des Königtums zu stärken.
Er hat aber nie erstrebt, eine monarchische Zentralgewalt als Vorstufe des Nationalstaates zu errichten – eine Vorstellung, über die sich die Gelehrten der wilhelminischen Zeit ebenso stritten wie über die Frage, ob der Staufer nicht besser zu Hause ein kleindeutsches Königreich gezimmert hätte statt gegen den Papst, die Oströmer und die italienische Opposition den „römischen“ Kaisertitel zu behaupten. Seit Karl dem Großen stand das Kaisertum als weltliches Oberhaupt der Christenheit den deutschen Königen zu – undenkbar, sich nicht in Rom vom Papst krönen zu lassen.
Es gibt auch moderne Barbarossa-Mythen. So haben strukturgeschichtlich orientierte Historiker argumentiert, die Feldzüge zur Unterwerfung seiner italienischen Widersacher und des Papstes Alexander III. seien vor allem Raubzüge gewesen, also ökonomisch motiviert. Görich widerlegt solche Thesen, so kritisch-zeitgemäß sie klingen mögen, mit Leichtigkeit. Kosten und Risiken der Italienzüge standen in keinerlei ökonomischem Verhältnis zum Gewinn, der aus der Beraubung der Unterworfenen wie der Großstadt Mailand 1162 zu erzielen war. Vielmehr war „Barbarossas Handeln vom Habitus des mittelalterlichen Kriegeradels bestimmt, in dem Ehre, Gewalt und das Bedürfnis nach rühmendem Andenken ganz nahe beieinander lagen“. Er war also „Handlungserwartungen und Handlungszwängen ausgesetzt“, die uns heute ganz fremd sind.
Der letzte, der den Namen des Staufers ge- und missbrauchte, war Adolf Hitler. Als er 1941 den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion entfesselte, hieß das Unternehmen „Barbarossa“. Und als Deutschland nach dem Krieg in Trümmern lag, hatte auch der Mythos um den großen Kaiser für immer ausgedient.
Knut Görich ist ein kluges, von enzyklopädischem Wissen gespeistes Buch gelungen, das auch gut lesbar ist – jedenfalls für ein Publikum mit Vorkenntnissen, denn es setzt viel voraus. Barbarossa-Anfänger sollten sich eher an ältere populärwissenschaftliche Autoren wie Paul Barz oder S. Fischer-Fabian halten. Ein bischen schade ist das schon, dass die deutsche Geschichtswissenschaft selbst in ihrem besseren Momenten gar nicht mehr den Anspruch hat, für alle verständlich zu sein. Aber immerhin, einer dieser besseren Momente ist dieses Buch.
Knut Görich
Friedrich Barbarossa
Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2011. 782 Seiten, 29,95 Euro.
„Das beste wäre, du bliebest
zu Haus / hier in dem alten
Kyffhäuser“ (Heinrich Heine)
Unternehmen „Barbarossa“:
Der Staufer als Namensgeber
des Vernichtungskrieges 1941
Dunkle Augen, goldener Glanz: Das Cappenberger Reliquiar
ist ein ungewöhnlich realistisches Porträt
Barbarossas –
vielleicht.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

So viele Bücher erschienen in den letzten Jahren über Barbarossa und die Staufer. Was kann der Münchner Historiker Knut Görich da schon neues erzählen, fragt Rezensent Joachim Käppner und gibt gleich selbst die Antwort: Nicht neu sei, was Görich beschreibe, aber "anders". Denn er versuche, Friedrich I. "aus seiner Zeit" zu beschreiben. Görich trennt scharf zwischen dem, was man über Friedrich I. weiß, und dem was man über ihn und seine Motive vermutet, so Käppner. So widerlege der Historiker etwa die Vorstellung, Friedrich I. habe einen Staat mit einer monarchischen Zentralgewalt schaffen wollen. Solches Denken war seiner Welt noch vollkommen fremd, lernt der Rezensent, der nicht widersprechen mag. Insgesamt ist es ein sehr kluges Buch, resümiert er, aber leider nicht für Laien geschrieben.

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