Ulrich Weber erzählt vom kometenhaften Aufstieg des Pfarrerssohns aus dem Emmental zum weltberühmten Autor mit Millionenauflagen und von den vielen kleinen und großen Brüchen in seinem Leben, die ihn zwangen, sich immer wieder neu zu erfinden. Bislang unzugängliche Dokumente erlauben einen ganz neuen Blick auf den privaten Dürrenmatt.
Rezensentin Eva Pfister ist mit Fritze per du nach der Lektüre von Ulrich Webers "fundierter" Biografie. Dass der Autor den Nachlass des Malers, Dramatikers und Romanciers betreut, zahlt sich laut Pfister aus: Vorgestellt wird das "Erzählgenie" Dürrenmatt in seiner Zeit, sein Werk, seine Abgründe (etwa die Sympathien für die "Frontisten"), auch wenig bekanntes Privates, so Pfister. Auch wenn sie Dürrenmatts Steckenpferd Recht und Gerechtigkeit und seinen Pessimismus im Buch gern umfänglicher behandelt gesehen hätte, bietet der Band für sie doch eine materialreiche Grundlage für weitere Interpretationen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensentin Eva Pfister ist mit Fritze per du nach der Lektüre von Ulrich Webers "fundierter" Biografie. Dass der Autor den Nachlass des Malers, Dramatikers und Romanciers betreut, zahlt sich laut Pfister aus: Vorgestellt wird das "Erzählgenie" Dürrenmatt in seiner Zeit, sein Werk, seine Abgründe (etwa die Sympathien für die "Frontisten"), auch wenig bekanntes Privates, so Pfister. Auch wenn sie Dürrenmatts Steckenpferd Recht und Gerechtigkeit und seinen Pessimismus im Buch gern umfänglicher behandelt gesehen hätte, bietet der Band für sie doch eine materialreiche Grundlage für weitere Interpretationen.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.01.2021Genuss und Wirtschaftswunder – Die neue Dürrenmatt-Biografie
Nach der „Ahnung vom Ganzen“, Peter Rüedis Teil-Biografie von 2011, nun das Ganze selbst: das ganze Leben Friedrich Dürrenmatts, akribisch ausgewertet und bündig (na ja: auf knapp 600 Textseiten) präsentiert von Ulrich Weber, dem Kurator des Dürrenmatt-Nachlasses im Schweizerischen Literaturarchiv. Weber hat, anders als Rüedi, Dürrenmatt nicht persönlich gekannt, dafür kann er neue Quellen und Dokumente auswerten, etwa die Briefe an die Ehefrau Lotti. Die sind berührend bis herzzerreißend und spiegeln eine mit den Jahren immer schwierigere Ehe (ihre Depressionen, Medikamentenmissbrauch, Suizidversuche, seine Seitensprünge), die ihn doch „gegen die Traurigkeit der Welt abschirmt“, wie es in einem Brief heißt.
1957 endete Rüedis Biografie. Weber folgt Dürrenmatt, nun auf der Erfolgsspur, weiter, zeichnet das „private Wirtschaftswunder“ nach, nennt die immer luxuriöseren Automarken, steigt in den legendären Weinkeller hinab, aus dem Gäste mit einer Flasche ihres Geburtsjahrgangs bedacht wurden. „Trinkfest“ ist eine krasse Untertreibung für den Autor, der zu einer „Sitzung“ mit dem Freund Hans Liechti auch mal sechs Flaschen mitbrachte, die dann zu zweit in einer Nacht geleert wurden. Als Autofahrer war er eine Katastrophe, von rund zehn Unfällen weiß der Biograf, die meisten, wie er vermutet, wurden nicht ganz nüchtern verursacht.
Erfolg macht das Leben hektisch und die Lebensbeschreibung weniger reizvoll als die prägende, inspirierende Jugendzeit. Zum Glück schiebt Weber in die chronikalische Nachverfolgung immer wieder essayistische Passagen ein. Er scheut kritische Bemerkungen über Werk und Verhalten nicht, lässt dagegen der oft geschmähten zweiten Ehefrau Charlotte Kerr Gerechtigkeit widerfahren. Webers Biografie ist erschöpfend – aber nicht so, dass man nicht im Gegenteil Lust bekommt, so viel wie möglich von Dürrenmatt selbst zu lesen. Was lässt sich besseres sagen?
MARTIN EBEL
Ulrich Weber: Friedrich Dürrenmatt. Eine Biografie. Diogenes Verlag, Zürich 2020. 713 Seiten, 28 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Nach der „Ahnung vom Ganzen“, Peter Rüedis Teil-Biografie von 2011, nun das Ganze selbst: das ganze Leben Friedrich Dürrenmatts, akribisch ausgewertet und bündig (na ja: auf knapp 600 Textseiten) präsentiert von Ulrich Weber, dem Kurator des Dürrenmatt-Nachlasses im Schweizerischen Literaturarchiv. Weber hat, anders als Rüedi, Dürrenmatt nicht persönlich gekannt, dafür kann er neue Quellen und Dokumente auswerten, etwa die Briefe an die Ehefrau Lotti. Die sind berührend bis herzzerreißend und spiegeln eine mit den Jahren immer schwierigere Ehe (ihre Depressionen, Medikamentenmissbrauch, Suizidversuche, seine Seitensprünge), die ihn doch „gegen die Traurigkeit der Welt abschirmt“, wie es in einem Brief heißt.
1957 endete Rüedis Biografie. Weber folgt Dürrenmatt, nun auf der Erfolgsspur, weiter, zeichnet das „private Wirtschaftswunder“ nach, nennt die immer luxuriöseren Automarken, steigt in den legendären Weinkeller hinab, aus dem Gäste mit einer Flasche ihres Geburtsjahrgangs bedacht wurden. „Trinkfest“ ist eine krasse Untertreibung für den Autor, der zu einer „Sitzung“ mit dem Freund Hans Liechti auch mal sechs Flaschen mitbrachte, die dann zu zweit in einer Nacht geleert wurden. Als Autofahrer war er eine Katastrophe, von rund zehn Unfällen weiß der Biograf, die meisten, wie er vermutet, wurden nicht ganz nüchtern verursacht.
Erfolg macht das Leben hektisch und die Lebensbeschreibung weniger reizvoll als die prägende, inspirierende Jugendzeit. Zum Glück schiebt Weber in die chronikalische Nachverfolgung immer wieder essayistische Passagen ein. Er scheut kritische Bemerkungen über Werk und Verhalten nicht, lässt dagegen der oft geschmähten zweiten Ehefrau Charlotte Kerr Gerechtigkeit widerfahren. Webers Biografie ist erschöpfend – aber nicht so, dass man nicht im Gegenteil Lust bekommt, so viel wie möglich von Dürrenmatt selbst zu lesen. Was lässt sich besseres sagen?
MARTIN EBEL
Ulrich Weber: Friedrich Dürrenmatt. Eine Biografie. Diogenes Verlag, Zürich 2020. 713 Seiten, 28 Euro.
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