Das neue Standardwerk über Kaiser Friedrich II.
Heiland oder Antichrist? Wie kein zweiter Herrscher hat Friedrich II. (1196-1250) die Gemüter erhitzt. Noch im 20. Jahrhundert wurde er zum genialen Staatsmann, Vorläufer der Moderne und deutschen Idealherrscher stilisiert. Olaf B. Rader porträtiert Friedrich vor allem als Sizilianer und zeichnet so ein neues, überraschendes Bild des Kaisers, der uns bis heute auch als Wissenschaftler, Bauherr und Dichter beeindruckt.
In Italien geboren und aufgewachsen, verbrachte Friedrich, das "Kind aus Apulien", auch nach seiner Kaiserkrönung die meiste Zeit im Mittelmeerraum. Hier lag der Schwerpunkt seiner Herrschaftsinteressen, hier führte er endlose Kämpfe zu Land und zur See. Seine Schriften über die Falkenjagd, seine Gespräche mit Gelehrten und sein Dichterkreis zeugen von einem für das Mittelalter ganz außergewöhnlichen Interesse an Kunst und Wissenschaft. Schon zu Lebzeiten galt Friedrich als "Staunen der Welt". Bis in die neueste Zeit wurde er von Legenden umrankt und politisch vereinnahmt.
Olaf B. Rader legt in seiner meisterhaften Biographie die historische Figur des Kaisers hinter den Mythen frei. Das "Staunen der Welt" wird so zum Staunen des Lesers über einen Sizilianer, der den Lauf der Weltgeschichte veränderte.
Heiland oder Antichrist? Wie kein zweiter Herrscher hat Friedrich II. (1196-1250) die Gemüter erhitzt. Noch im 20. Jahrhundert wurde er zum genialen Staatsmann, Vorläufer der Moderne und deutschen Idealherrscher stilisiert. Olaf B. Rader porträtiert Friedrich vor allem als Sizilianer und zeichnet so ein neues, überraschendes Bild des Kaisers, der uns bis heute auch als Wissenschaftler, Bauherr und Dichter beeindruckt.
In Italien geboren und aufgewachsen, verbrachte Friedrich, das "Kind aus Apulien", auch nach seiner Kaiserkrönung die meiste Zeit im Mittelmeerraum. Hier lag der Schwerpunkt seiner Herrschaftsinteressen, hier führte er endlose Kämpfe zu Land und zur See. Seine Schriften über die Falkenjagd, seine Gespräche mit Gelehrten und sein Dichterkreis zeugen von einem für das Mittelalter ganz außergewöhnlichen Interesse an Kunst und Wissenschaft. Schon zu Lebzeiten galt Friedrich als "Staunen der Welt". Bis in die neueste Zeit wurde er von Legenden umrankt und politisch vereinnahmt.
Olaf B. Rader legt in seiner meisterhaften Biographie die historische Figur des Kaisers hinter den Mythen frei. Das "Staunen der Welt" wird so zum Staunen des Lesers über einen Sizilianer, der den Lauf der Weltgeschichte veränderte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010Weltenherrscher, Hoffnung der Frauen
Zuckerbonbons und Konkubinen: Für Olaf Rader ist der von vielerlei Legenden umrankte Stauferkaiser Friedrich II. vor allem ein guter Sizilianer.
Von Andreas Kilb
Einmal, so berichtet der Chronist Salimbene von Parma, habe Kaiser Friedrich II. einige Neugeborene ihren Müttern weggenommen und in die Obhut von Ammen gegeben, die mit den Kindern kein Wort sprechen durften. "Er wollte nämlich herausfinden, ob sie die hebräische Sprache sprächen als die älteste, oder Griechisch oder Lateinisch oder Arabisch, oder aber die Sprache ihrer Eltern." Aber die Babys starben, weil sie "ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte" der Erwachsenen nicht zu leben vermochten. Wie Friedrich auf den enttäuschenden Ausgang des Experiments reagierte, erzählt Salimbene nicht.
Die erfundene Anekdote - sie ist bei keinem weiteren Zeitzeugen überliefert - macht sinnfällig, woran sich der Hass des Mittelalters auf den staufischen Herrscher und die Faszination der Moderne für ihn entzündet haben. Friedrich von Apulien, wie er bei seinen deutschen Untertanen lange Zeit hieß, war ein Empiriker, wissbegierig, vorurteilsfrei und skrupellos; er verließ sich weder auf tradierte Weisheit noch auf Glaubensinhalte, sondern allein auf den Augenschein. Und wenn er auch vermutlich weder Säuglinge in Schweige-Quarantäne gesteckt noch, wie seine klerikalen Gegner behaupteten, Jesus, Moses und Mohammed als Lügner bezeichnet oder die Unsterblichkeit der Seele geleugnet hat, ist doch "für die Klebefähigkeit von übler Nachrede immer irgendein Haftgrund nötig", wie sein Biograph Olaf Rader treffend schreibt.
Rader, Dozent an der Berliner Humboldt-Universität und Mitarbeiter des Editionsprojekts Monumenta Germaniae Historica, betrachtet Friedrich II. mit einer ähnlich nüchternen Neugier wie dieser die Welt. Statt den letzten Stauferkaiser einer weiteren Neudeutung zu unterziehen, nimmt er lieber die von Vorurteilen verschiedenster Art verzerrten Friedrich-Bilder der Nachwelt in Augenschein und vergleicht sie mit den belegbaren Tatsachen. Darin folgt er den Spuren Wolfgang Stürners, der in den neunziger Jahren eine bis heute vorbildliche tausendseitige Biographie Friedrichs verfasst hat.
Doch Rader, der mit gut der Hälfte dieses Umfangs auskommt, geht noch einen Schritt weiter. Zu seinen Recherche-Ergebnissen zählen auch die "Lacrime d'amore di Bianca Lancia" genannten Zuckerbonbons, die er in einer Confetteria im apulischen Andria gekauft hat, und ein langes Zitat aus dem "Unmöglichen Interview" des sizilianischen Krimiautors Andrea Camilleri mit dem einstigen König beider Sizilien. Denn für Rader sind die Märchen und Mythen, die sich seit Jahrhunderten um das Haupt des Staufers weben, eben keine störenden Schmutzkrusten, sondern notwendige Bestandteile seines Porträts. Dass Friedrich, der in Palermo aufgewachsen war, auch deshalb einen Harem und neben seiner Hauptgeliebten Bianca Lancia zahlreiche weitere Konkubinen unterhielt, weil es für ihn zu den Herrschertugenden gehörte, "unter den Sizilianern der Potenteste" zu sein, erscheint dem Biographen ebenso konsequent wie der Pragmatismus des Kriegsherrn, der bei der Belagerung von Faenza im Jahr 1241 gestempelte Lederstücke als Geldersatz ausgeben ließ, um seine Truppen bezahlen zu können.
Die "Modernität" des mittelalterlichen Monarchen ist in den vergangenen Jahren oft beschworen und in der Mannheimer Staufer-Ausstellung wieder einmal bildhaft entfaltet worden. Auch Rader bestreitet nicht, dass Friedrich II. mit seinen Universitätsgründungen, der Sammlung von Rechtstexten, der Förderung von Wissenschaft und Künsten und der Errichtung eines Beamtenregimes in seinem sizilischen Hauskönigreich seiner Zeit voraus war. Aber er rückt dieses Tatenregister in eine realpolitische Perspektive. Mit der Gründung der Universität Neapel wollte Friedrich die Abwanderung von Fachkräften an die päpstlich dominierten Hochschulen von Bologna und Paris unterbinden. Die "Konstitutionen von Melfi" kamen einer konkurrierenden Gesetzessammlung aus dem Vatikan zuvor. Die Lieder- und Sonettendichtung am Stauferhof diente der rhetorischen Schulung der Höflinge, und der Beamtenapparat presste den Sizilianern die Steuern ab, die der Kaiser zur Finanzierung seiner vielen Land- und Seekriegszüge brauchte. Auch der oft als Beispiel für Friedrichs Islamfreundlichkeit zitierte Friedensvertrag mit dem Ayyubidensultan al-Kamil, der Jerusalem unter christliche Kontrolle zurückbrachte, war pragmatischen Zwängen geschuldet, denn der Staufer stand unter Zeitdruck, nachdem ein päpstliches Heer in seine Erblande eingefallen war.
Rader ordnet seinen Gegenstand nicht chronologisch, sondern in Themenkapiteln. Das hat den Vorteil, dass die verschiedenen Aspekte dieses Herrscherlebens nicht in zersplitterten Notizen, sondern in kompakter Folge präsentiert und durch sachbezogene Exkurse ergänzt werden können, ein Verfahren, das sich besonders in den Abschnitten über Friedrichs Bauund Münzpolitik, sein Falkenbuch und seine Flotte bewährt. Es hat zugleich den offensichtlichen Nachteil, dass die erzählerische Einheit von Raders Biographie in einzelne Gesichtspunkte zerfällt, von denen manche zu viel, andere zu wenig Gewicht erhalten. Die Vorgeschichte des normannischen Königreichs Sizilien etwa, das die Päpste seit der Belehnung Robert Guiskards durch Gregor VII. als kirchliches Lehen ansahen, kommt bei Rader zu kurz.
Dadurch entgeht seinen Lesern ein entscheidendes Motiv im Kampf der Kirche gegen Friedrich II., die in dessen Absetzung auf dem Lyoner Konzil von 1245 gipfelten. Der Papst sah sich als Territorialfürst in Mittelitalien von den Besitzungen der Staufer im Norden und Süden eingekreist, während sich der kaiserliche Anspruch auf Universalherrschaft gerade auf diese Nord-Süd-Verbindung stützte. Beider Interessen konnten nicht koexistieren. Bei Rader verbirgt sich dieses Strukturproblem hinter der Bemerkung, dass Friedrich mit manchen der Kleriker, die als Päpste seine erbitterten Feinde wurden, vor ihrer Wahl auf gutem Fuß gestanden hatte. Das ist die allzu saloppe Außenansicht eines Dramas, in dem das unterlegene staufische Haus ausgerottet wurde.
Der Untertitel des Buchs zielt auf ein Sizilianertum, das von jener Deutschrömerei, in deren Namen Ernst Kantorowicz einst den "feurigen Herrn des Anfangs" beschwor, Welten entfernt liegt. Wo für Kantorowicz der mystische Körper des Reichs lag, sieht Rader nur eine Landkarte mit Bergen, Städten und Flüssen, in denen sich der künftige Souverän auf der Flucht vor den Lombarden nasse Hosen holt. Aber diese Abgeklärtheit hat ihren Preis. Im Konflikt Friedrichs mit seinem Sohn Heinrich, dem "Klammersiebten" der Mittelalterhistoriker, erkennt Rader nicht den Kampf um die Reichseinheit, sondern nur die Kollision zweier Rechtsauffassungen, des südländischen rigor iustitiae und des germanischen Gnadenrituals. Sein Stauferherrscher ist ein schlechter Vater, weil er ein guter Sizilianer, nicht, weil er ein guter Kaiser sein will.
Trotz solcher Einwände ist diese Biographie ein Gewinn, nicht nur dank ihrer Kompaktheit, sondern auch wegen eines Tonwechsels, der in der Literatur über den Enkel Barbarossas längst überfällig war. Ein "cäsarisches Herrschaftsbild mit byzantinischem Akzent in normannischer Verwandlung" diagnostiziert der nüchterne Dr. Rader am Ende bei seinem staufischen Patienten. Wie anders klang das noch bei Jacob Burckhardt, für den Friedrich "der erste moderne Mensch auf dem Throne" war! Erst jetzt, ohne Pathos und Heilsversprechen, sehen wir diesen Kaiser in wahrhaft modernem Licht.
Olaf B. Rader: "Friedrich II." Der Sizilianer auf dem Kaiserthron". Eine Biographie. Verlag C.H. Beck, München 2010. 592 S., Abb., geb., 29,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zuckerbonbons und Konkubinen: Für Olaf Rader ist der von vielerlei Legenden umrankte Stauferkaiser Friedrich II. vor allem ein guter Sizilianer.
Von Andreas Kilb
Einmal, so berichtet der Chronist Salimbene von Parma, habe Kaiser Friedrich II. einige Neugeborene ihren Müttern weggenommen und in die Obhut von Ammen gegeben, die mit den Kindern kein Wort sprechen durften. "Er wollte nämlich herausfinden, ob sie die hebräische Sprache sprächen als die älteste, oder Griechisch oder Lateinisch oder Arabisch, oder aber die Sprache ihrer Eltern." Aber die Babys starben, weil sie "ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte" der Erwachsenen nicht zu leben vermochten. Wie Friedrich auf den enttäuschenden Ausgang des Experiments reagierte, erzählt Salimbene nicht.
Die erfundene Anekdote - sie ist bei keinem weiteren Zeitzeugen überliefert - macht sinnfällig, woran sich der Hass des Mittelalters auf den staufischen Herrscher und die Faszination der Moderne für ihn entzündet haben. Friedrich von Apulien, wie er bei seinen deutschen Untertanen lange Zeit hieß, war ein Empiriker, wissbegierig, vorurteilsfrei und skrupellos; er verließ sich weder auf tradierte Weisheit noch auf Glaubensinhalte, sondern allein auf den Augenschein. Und wenn er auch vermutlich weder Säuglinge in Schweige-Quarantäne gesteckt noch, wie seine klerikalen Gegner behaupteten, Jesus, Moses und Mohammed als Lügner bezeichnet oder die Unsterblichkeit der Seele geleugnet hat, ist doch "für die Klebefähigkeit von übler Nachrede immer irgendein Haftgrund nötig", wie sein Biograph Olaf Rader treffend schreibt.
Rader, Dozent an der Berliner Humboldt-Universität und Mitarbeiter des Editionsprojekts Monumenta Germaniae Historica, betrachtet Friedrich II. mit einer ähnlich nüchternen Neugier wie dieser die Welt. Statt den letzten Stauferkaiser einer weiteren Neudeutung zu unterziehen, nimmt er lieber die von Vorurteilen verschiedenster Art verzerrten Friedrich-Bilder der Nachwelt in Augenschein und vergleicht sie mit den belegbaren Tatsachen. Darin folgt er den Spuren Wolfgang Stürners, der in den neunziger Jahren eine bis heute vorbildliche tausendseitige Biographie Friedrichs verfasst hat.
Doch Rader, der mit gut der Hälfte dieses Umfangs auskommt, geht noch einen Schritt weiter. Zu seinen Recherche-Ergebnissen zählen auch die "Lacrime d'amore di Bianca Lancia" genannten Zuckerbonbons, die er in einer Confetteria im apulischen Andria gekauft hat, und ein langes Zitat aus dem "Unmöglichen Interview" des sizilianischen Krimiautors Andrea Camilleri mit dem einstigen König beider Sizilien. Denn für Rader sind die Märchen und Mythen, die sich seit Jahrhunderten um das Haupt des Staufers weben, eben keine störenden Schmutzkrusten, sondern notwendige Bestandteile seines Porträts. Dass Friedrich, der in Palermo aufgewachsen war, auch deshalb einen Harem und neben seiner Hauptgeliebten Bianca Lancia zahlreiche weitere Konkubinen unterhielt, weil es für ihn zu den Herrschertugenden gehörte, "unter den Sizilianern der Potenteste" zu sein, erscheint dem Biographen ebenso konsequent wie der Pragmatismus des Kriegsherrn, der bei der Belagerung von Faenza im Jahr 1241 gestempelte Lederstücke als Geldersatz ausgeben ließ, um seine Truppen bezahlen zu können.
Die "Modernität" des mittelalterlichen Monarchen ist in den vergangenen Jahren oft beschworen und in der Mannheimer Staufer-Ausstellung wieder einmal bildhaft entfaltet worden. Auch Rader bestreitet nicht, dass Friedrich II. mit seinen Universitätsgründungen, der Sammlung von Rechtstexten, der Förderung von Wissenschaft und Künsten und der Errichtung eines Beamtenregimes in seinem sizilischen Hauskönigreich seiner Zeit voraus war. Aber er rückt dieses Tatenregister in eine realpolitische Perspektive. Mit der Gründung der Universität Neapel wollte Friedrich die Abwanderung von Fachkräften an die päpstlich dominierten Hochschulen von Bologna und Paris unterbinden. Die "Konstitutionen von Melfi" kamen einer konkurrierenden Gesetzessammlung aus dem Vatikan zuvor. Die Lieder- und Sonettendichtung am Stauferhof diente der rhetorischen Schulung der Höflinge, und der Beamtenapparat presste den Sizilianern die Steuern ab, die der Kaiser zur Finanzierung seiner vielen Land- und Seekriegszüge brauchte. Auch der oft als Beispiel für Friedrichs Islamfreundlichkeit zitierte Friedensvertrag mit dem Ayyubidensultan al-Kamil, der Jerusalem unter christliche Kontrolle zurückbrachte, war pragmatischen Zwängen geschuldet, denn der Staufer stand unter Zeitdruck, nachdem ein päpstliches Heer in seine Erblande eingefallen war.
Rader ordnet seinen Gegenstand nicht chronologisch, sondern in Themenkapiteln. Das hat den Vorteil, dass die verschiedenen Aspekte dieses Herrscherlebens nicht in zersplitterten Notizen, sondern in kompakter Folge präsentiert und durch sachbezogene Exkurse ergänzt werden können, ein Verfahren, das sich besonders in den Abschnitten über Friedrichs Bauund Münzpolitik, sein Falkenbuch und seine Flotte bewährt. Es hat zugleich den offensichtlichen Nachteil, dass die erzählerische Einheit von Raders Biographie in einzelne Gesichtspunkte zerfällt, von denen manche zu viel, andere zu wenig Gewicht erhalten. Die Vorgeschichte des normannischen Königreichs Sizilien etwa, das die Päpste seit der Belehnung Robert Guiskards durch Gregor VII. als kirchliches Lehen ansahen, kommt bei Rader zu kurz.
Dadurch entgeht seinen Lesern ein entscheidendes Motiv im Kampf der Kirche gegen Friedrich II., die in dessen Absetzung auf dem Lyoner Konzil von 1245 gipfelten. Der Papst sah sich als Territorialfürst in Mittelitalien von den Besitzungen der Staufer im Norden und Süden eingekreist, während sich der kaiserliche Anspruch auf Universalherrschaft gerade auf diese Nord-Süd-Verbindung stützte. Beider Interessen konnten nicht koexistieren. Bei Rader verbirgt sich dieses Strukturproblem hinter der Bemerkung, dass Friedrich mit manchen der Kleriker, die als Päpste seine erbitterten Feinde wurden, vor ihrer Wahl auf gutem Fuß gestanden hatte. Das ist die allzu saloppe Außenansicht eines Dramas, in dem das unterlegene staufische Haus ausgerottet wurde.
Der Untertitel des Buchs zielt auf ein Sizilianertum, das von jener Deutschrömerei, in deren Namen Ernst Kantorowicz einst den "feurigen Herrn des Anfangs" beschwor, Welten entfernt liegt. Wo für Kantorowicz der mystische Körper des Reichs lag, sieht Rader nur eine Landkarte mit Bergen, Städten und Flüssen, in denen sich der künftige Souverän auf der Flucht vor den Lombarden nasse Hosen holt. Aber diese Abgeklärtheit hat ihren Preis. Im Konflikt Friedrichs mit seinem Sohn Heinrich, dem "Klammersiebten" der Mittelalterhistoriker, erkennt Rader nicht den Kampf um die Reichseinheit, sondern nur die Kollision zweier Rechtsauffassungen, des südländischen rigor iustitiae und des germanischen Gnadenrituals. Sein Stauferherrscher ist ein schlechter Vater, weil er ein guter Sizilianer, nicht, weil er ein guter Kaiser sein will.
Trotz solcher Einwände ist diese Biographie ein Gewinn, nicht nur dank ihrer Kompaktheit, sondern auch wegen eines Tonwechsels, der in der Literatur über den Enkel Barbarossas längst überfällig war. Ein "cäsarisches Herrschaftsbild mit byzantinischem Akzent in normannischer Verwandlung" diagnostiziert der nüchterne Dr. Rader am Ende bei seinem staufischen Patienten. Wie anders klang das noch bei Jacob Burckhardt, für den Friedrich "der erste moderne Mensch auf dem Throne" war! Erst jetzt, ohne Pathos und Heilsversprechen, sehen wir diesen Kaiser in wahrhaft modernem Licht.
Olaf B. Rader: "Friedrich II." Der Sizilianer auf dem Kaiserthron". Eine Biographie. Verlag C.H. Beck, München 2010. 592 S., Abb., geb., 29,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
In sehr lobenden Worten schreibt der Historiker Johannes Fried über diese Arbeit seines Kollegen Olaf B. Rader, die sich der Biografie des verehrten und verabscheuten Stauferkaisers Friedrich II. Annimmt. Dabei stellt Rezensent Fried klar, dass Rader Friedrich II. eben weniger als Staufer denn als Sizilianer erklärt. Mit dem hohen Norden und seiner deutscher Familie konnte Friedrich II. demnach wenig anfangen, der daraus resultierende "Griff nach Italien" brachte ihm die Feindschaft der Päpste ein. Rader erzähle das Herrscherleben nicht von der Geburt bis zu Tod, freut sich Fried, auch wenn er alle wichtigen Stationen und erhellenden Anekdoten in dem Buch gefunden hat, doch mehr noch interessieren ihn Hintergründe und Deutungen zu Friedrichs Macht, Religions- und Wissenschaftspolitik, die Fried ebenso "gelehrt wie elegant" findet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Rader entwirft einen Friedrich für das 21. Jahrhundert, faszinierend in seiner Neugier auf alles, was man im Mittelalter wissen konnte... Erst jetzt, ohne Pathos und Heilsversprechen, sehen wir diesen Kaiser in wahrhaft modernem Licht."
Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
"Das Buch ist höchst anregend, zudem munter erzählt; ein geschickt ausgewähltes, klug kommentiertes Illustrationsprogramm rundet es ab. Olaf B. Rader hat somit die schwierige Aufgabe einer Friedrich-Biografie in eleganter Weise erfüllt."
Johannes Fried, DIE ZEIT
"Das Bild, das Rader vom 'Staunen der Welt' zeichnet, besticht durch viele erstaunliche Facetten. Vor allem aber ist es sehr anschaulich gezeichnet, aus respektvoller, aber nicht ehrfürchtiger Distanz."
Christian Jostmann, Süddeutsche Zeitung
Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
"Das Buch ist höchst anregend, zudem munter erzählt; ein geschickt ausgewähltes, klug kommentiertes Illustrationsprogramm rundet es ab. Olaf B. Rader hat somit die schwierige Aufgabe einer Friedrich-Biografie in eleganter Weise erfüllt."
Johannes Fried, DIE ZEIT
"Das Bild, das Rader vom 'Staunen der Welt' zeichnet, besticht durch viele erstaunliche Facetten. Vor allem aber ist es sehr anschaulich gezeichnet, aus respektvoller, aber nicht ehrfürchtiger Distanz."
Christian Jostmann, Süddeutsche Zeitung