Friedrich Wilhelm von Loebell (1855-1931) war insofern eine politische Ausnahmeerscheinung, als er in verschiedenen politischen Funktionen sowohl der spätwilhelminischen Ära als auch der Frühphase der Weimarer Republik seinen Stempel aufzudrücken vermochte. Als Chef der Reichskanzlei (1904-1909) unter Reichskanzler Bülow und Preußischer Minister des Innern (1914-1917) war er an vielen wichtigen innenpolitischen Weichenstellungen maßgeblich beteiligt. Sein politisches Wirken war aber letztlich glücklos, da er die Zeichen der Zeit nicht erkannte. Befangen im elitären Denken eines altpreußischen Konservativismus war er ein kompromissloser Gegner aller Demokratisierungsbestrebungen und insbesondere ein gnadenloser Feind der Sozialdemokratie. Außenpolitisch setzte er stets auf die russische Karte und lehnte zeitlebens eine Westorientierung der deutschen Politik ab. Dabei unterstützte er vorbehaltlos das gegen England gerichtete Weltmacht- und Flottenprogramm Bülows und Tirpitz'. Am unrühmlichsten war wohl seine Haltung in der preußischen Wahlrechtsfrage. Hier hielt er lange am antiquierten Dreiklassenwahlrecht fest. Als Bethmann Hollweg in der Julikrise von 1917 für Preußen das gleiche Wahlrecht durchsetzen wollte, initiierte er eine Ministerrevolte gegen den Kanzler und bewirkte dessen Sturz. In den ersten Jahren der Weimarer Republik erwies er sich in seiner Eigenschaft als Präsident des Reichsbürgerrats (seit 1919) als der eigentliche politische Kopf der auf Restauration abzielenden Rechtskreise, wie die maßgeblich von ihm betriebene Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten zeigen sollte.
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