Sometimes the wrong decisions can be made for the right reasons ...
Peter and Elaine Dizinoff have been friends with Joe and Iris Stern since medical school. Living the perfect life in a wealthy New Jersey neighbourhood, their children have grown up together and their lives are irrevocably intertwined. Until the Sterns are faced with a nightmare they could never have imagined - one that shatters the suburban idyll and forces both families to question everything they have ever believed in.
In time, the fragments of their fractured existence knit together once more, but the echo of their heartbreak still lies below the surface. And just when the Sterns have a chance to come to terms with their tragedy, Peter makes a fatal error of judgement that sends shock waves through all their lives, testing their friendship to the very limits and threatening to destroy it for ever ...
Peter and Elaine Dizinoff have been friends with Joe and Iris Stern since medical school. Living the perfect life in a wealthy New Jersey neighbourhood, their children have grown up together and their lives are irrevocably intertwined. Until the Sterns are faced with a nightmare they could never have imagined - one that shatters the suburban idyll and forces both families to question everything they have ever believed in.
In time, the fragments of their fractured existence knit together once more, but the echo of their heartbreak still lies below the surface. And just when the Sterns have a chance to come to terms with their tragedy, Peter makes a fatal error of judgement that sends shock waves through all their lives, testing their friendship to the very limits and threatening to destroy it for ever ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2011Er wollte immer nur das Beste
Bekenntnisse eines Tigervaters: Lauren Grodstein zeichnet in "Die Freundin meines Sohnes" Innenansichten von Eltern und Kindern, die durch ein Verbrechen traumatisiert sind.
Den bleischweren Satz "Alles, was ich in meinem Leben je getan habe - habe ich für ihn getan", geäußert über einen Sohn, könnte man einer "jüdischen Mamme" zutrauen, jenem Typ von Mutter, der überbehütend, stolz, liebevoll und opferbereit das Kind zum Zentralgestirn des eigenen Daseins erhebt. Während seit einigen Monaten hochtourig über die Liebe, Empfindungen, Pflichten, Rechte und Fehler von Müttern gestritten wird - ob mit oder gegen Elisabeth Badinter, Ayelet Waldman oder Amy Chua -, hat Lauren Grodstein, selbst Mutter, einen Roman über einen jüdischen Vater geschrieben. Von ihm, Pete Dizinoff, stammt der emphatische Satz, mit ihm endet der Roman. Schon in dessen deutschem Titel "Die Freundin meines Sohnes" taucht aber auch eine Mutter auf, allerdings jene monströse Gegenfigur der guten Gebärerin, die Urängste auslöst: die Kindsmörderin. Wünscht man sich eine solche als Gefährtin des eigenen Sprösslings? Mit Schrecken denkt man an das Los möglicher Enkel.
Pete Dizinoff ist Internist, sein Beschützerinstinkt stark entwickelt. Das hat gewiss damit zu tun, dass er und seine Frau Elaine ihr Wunschkind jahrelang herbeisehnten. Doch gehört das gelingende Leben des Kindes in dieser Gesellschaft natürlich auch zur Erfolgsbilanz der eigenen Existenz, wird als Ausweis dafür benötigt, dass man "alles richtig gemacht" hat. Unter diesem Erfolgsdruck lebt Pete. Kaum etwas anderes hat er von klein auf dringlicher zu sein versucht als "ein guter Junge".
Endlich wird Alec geboren, ein wunderbares Kind. Zwanzig Jahre später ist er bemüht um Eigenständigkeit und also im Normalmaß aufsässig, missmutig, verwirrt und immerhin mit apartem Talent dabei, Künstler zu werden. Die Familie blickt auf Jahrzehnte eines heimeligen Vorstadt-Mittelstands-Idylls zurück. Pete mittlerweile allerdings aus jenem kleinen Raum über der Garage, der eigentlich Alecs Atelier war. Der Vater hat fast alles verloren: seine Selbstsicherheit, seine Reputation als Arzt, seine engsten Freunde, wohl auch seine Familie. Er wartet auf ein Urteil und lässt die Ereignisse Revue passieren, die jäh beendeten, was einmal ein gelebter amerikanischer Traum war.
Schon seit dem Studium verbindet die Dizinoffs eine innige Beziehung mit Joe und Iris Stern. Man schätzt einander, man vergleicht sich. Joe ist Gynäkologe geworden, ausgerechnet spezialisiert auf Risikoschwangerschaften, Iris macht eine Million Dollar im Jahr. Vier Kinder haben sie in die Welt gesetzt. Drei studieren am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Doch die Älteste, Laura, Papas Liebling, hat mit siebzehn auf der Toilette der Leihbibliothek ein Frühchen zur Welt gebracht und getötet. Nach Jahren in der Psychiatrie und der Fremde kehrt sie nach Round Hill zurück. Pete ist immer noch angewidert von ihrer Tat, Elaine empfindet nach wie vor Mitleid für Laura, Alec begegnet ihr und verliebt sich.
Bei den panischen Versuchen des Vaters, seinen erwachsenen Sohn aus den Fängen der labilen, attraktiven, vielleicht gefährlichen Frau zu befreien, fehlt ihm die Kraft, seine Pflichten als Arzt so zu erfüllen, dass niemand Schaden nimmt. Es unterläuft ihm ein Kunstfehler, der als ein Indiz mehr für seine Selbstherrlichkeit und mangelnde Urteilskraft gedeutet werden kann. Ob er fahrlässig gehandelt hat, wird das Gericht entscheiden. Der Leser weiß zumindest, dass er versäumt hat, auf den Rat seines umsichtigeren Freundes Joe zu hören.
Der Roman dieser begabten Autorin, die in New Jersey aufwuchs, in New York lebt und an der Rutgers University Camden Creative Writing lehrt, hat mindestens fünf Stärken: Lauren Grodstein erzählt mit hohem Tempo. Sie schreibt fabelhaft lebendige, glaubwürdige Dialoge. Sie erzeugt in geschickten Vor- und Rückgriffen auf die Lebensgeschichten ihrer Figuren und in Andeutungen eine Spannung, die den Leser neugierig durch die dreihundertfünfzig Seiten treibt. Die Konflikte, in denen sich die Figuren verfangen, sind keine Scheinprobleme, alles andere als eindeutig auflösbar. Und der Blick auf die psychischen und ethischen Friktionen, die sich bei Eltern einstellen, vor allem wenn sich eine derart fürchterliche Tat ereignet hat, ist nicht nur Ergebnis von Grodsteins Recherchen zur Forschung über Kindstötung. Er belegt auch eine klärende Furchtlosigkeit im Umgang mit Tabus, mit der sie darstellt, wie Iris, die für ihre Tochter kämpft, diese gleichwohl für ihre Tat unsagbar hasst - bis hin zu Vernichtungsphantasien.
Die zwei ineinander verschränkten Familiengeschichten reichen vom Vietnamkrieg bis heute und sind zu einem breiten historischen und sozialen Tableau verknüpft. Sie schildern, wie verunsichernd das Ende der Sowjetunion auf Menschen wie Pete wirkte, die sich einfache Wahrheiten und bequeme Schematismen für die Weltdeutung zurechtgelegt hatten.
Grodstein will nichts erklären, schon gar nicht ein Tötungsdelikt. Sie beobachtet ohne Thesen - Reaktionen auf dieses Verbrechen, das Leben mit Schuld, das Altern, Krankheiten, den Wunsch, mit wesentlichen Eigenschaften im Gedächtnis der Kinder zu bleiben. Höchst plausibel nehmen sich die schillernden Innenansichten der Söhne aus, die Ärzte sind, aber wenn die eigenen Väter sterben, genauso verstört reagieren wie jedermann. Sie zeigt, wie diese Mediziner ihren Patienten helfen wollen und versagen. Und sie stellt mit Scharfblick Verletzlichkeit dar, die der Kinder und der Eltern. Nichts Schlimmeres kann man einem liebenden Vater sagen, als dass der eigene Sohn ihn hasst. Ob das im speziellen Fall von Pete und Alec die Wahrheit ist oder eine böse Lüge, bleibt so offen wie die Frage, wann es Zeit ist loszulassen. Auch das ist eine Stärke dieses Romans.
KIRSTEN VOIGT
Lauren Grodstein: "Die Freundin meines Sohnes". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011. 351 S., geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bekenntnisse eines Tigervaters: Lauren Grodstein zeichnet in "Die Freundin meines Sohnes" Innenansichten von Eltern und Kindern, die durch ein Verbrechen traumatisiert sind.
Den bleischweren Satz "Alles, was ich in meinem Leben je getan habe - habe ich für ihn getan", geäußert über einen Sohn, könnte man einer "jüdischen Mamme" zutrauen, jenem Typ von Mutter, der überbehütend, stolz, liebevoll und opferbereit das Kind zum Zentralgestirn des eigenen Daseins erhebt. Während seit einigen Monaten hochtourig über die Liebe, Empfindungen, Pflichten, Rechte und Fehler von Müttern gestritten wird - ob mit oder gegen Elisabeth Badinter, Ayelet Waldman oder Amy Chua -, hat Lauren Grodstein, selbst Mutter, einen Roman über einen jüdischen Vater geschrieben. Von ihm, Pete Dizinoff, stammt der emphatische Satz, mit ihm endet der Roman. Schon in dessen deutschem Titel "Die Freundin meines Sohnes" taucht aber auch eine Mutter auf, allerdings jene monströse Gegenfigur der guten Gebärerin, die Urängste auslöst: die Kindsmörderin. Wünscht man sich eine solche als Gefährtin des eigenen Sprösslings? Mit Schrecken denkt man an das Los möglicher Enkel.
Pete Dizinoff ist Internist, sein Beschützerinstinkt stark entwickelt. Das hat gewiss damit zu tun, dass er und seine Frau Elaine ihr Wunschkind jahrelang herbeisehnten. Doch gehört das gelingende Leben des Kindes in dieser Gesellschaft natürlich auch zur Erfolgsbilanz der eigenen Existenz, wird als Ausweis dafür benötigt, dass man "alles richtig gemacht" hat. Unter diesem Erfolgsdruck lebt Pete. Kaum etwas anderes hat er von klein auf dringlicher zu sein versucht als "ein guter Junge".
Endlich wird Alec geboren, ein wunderbares Kind. Zwanzig Jahre später ist er bemüht um Eigenständigkeit und also im Normalmaß aufsässig, missmutig, verwirrt und immerhin mit apartem Talent dabei, Künstler zu werden. Die Familie blickt auf Jahrzehnte eines heimeligen Vorstadt-Mittelstands-Idylls zurück. Pete mittlerweile allerdings aus jenem kleinen Raum über der Garage, der eigentlich Alecs Atelier war. Der Vater hat fast alles verloren: seine Selbstsicherheit, seine Reputation als Arzt, seine engsten Freunde, wohl auch seine Familie. Er wartet auf ein Urteil und lässt die Ereignisse Revue passieren, die jäh beendeten, was einmal ein gelebter amerikanischer Traum war.
Schon seit dem Studium verbindet die Dizinoffs eine innige Beziehung mit Joe und Iris Stern. Man schätzt einander, man vergleicht sich. Joe ist Gynäkologe geworden, ausgerechnet spezialisiert auf Risikoschwangerschaften, Iris macht eine Million Dollar im Jahr. Vier Kinder haben sie in die Welt gesetzt. Drei studieren am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Doch die Älteste, Laura, Papas Liebling, hat mit siebzehn auf der Toilette der Leihbibliothek ein Frühchen zur Welt gebracht und getötet. Nach Jahren in der Psychiatrie und der Fremde kehrt sie nach Round Hill zurück. Pete ist immer noch angewidert von ihrer Tat, Elaine empfindet nach wie vor Mitleid für Laura, Alec begegnet ihr und verliebt sich.
Bei den panischen Versuchen des Vaters, seinen erwachsenen Sohn aus den Fängen der labilen, attraktiven, vielleicht gefährlichen Frau zu befreien, fehlt ihm die Kraft, seine Pflichten als Arzt so zu erfüllen, dass niemand Schaden nimmt. Es unterläuft ihm ein Kunstfehler, der als ein Indiz mehr für seine Selbstherrlichkeit und mangelnde Urteilskraft gedeutet werden kann. Ob er fahrlässig gehandelt hat, wird das Gericht entscheiden. Der Leser weiß zumindest, dass er versäumt hat, auf den Rat seines umsichtigeren Freundes Joe zu hören.
Der Roman dieser begabten Autorin, die in New Jersey aufwuchs, in New York lebt und an der Rutgers University Camden Creative Writing lehrt, hat mindestens fünf Stärken: Lauren Grodstein erzählt mit hohem Tempo. Sie schreibt fabelhaft lebendige, glaubwürdige Dialoge. Sie erzeugt in geschickten Vor- und Rückgriffen auf die Lebensgeschichten ihrer Figuren und in Andeutungen eine Spannung, die den Leser neugierig durch die dreihundertfünfzig Seiten treibt. Die Konflikte, in denen sich die Figuren verfangen, sind keine Scheinprobleme, alles andere als eindeutig auflösbar. Und der Blick auf die psychischen und ethischen Friktionen, die sich bei Eltern einstellen, vor allem wenn sich eine derart fürchterliche Tat ereignet hat, ist nicht nur Ergebnis von Grodsteins Recherchen zur Forschung über Kindstötung. Er belegt auch eine klärende Furchtlosigkeit im Umgang mit Tabus, mit der sie darstellt, wie Iris, die für ihre Tochter kämpft, diese gleichwohl für ihre Tat unsagbar hasst - bis hin zu Vernichtungsphantasien.
Die zwei ineinander verschränkten Familiengeschichten reichen vom Vietnamkrieg bis heute und sind zu einem breiten historischen und sozialen Tableau verknüpft. Sie schildern, wie verunsichernd das Ende der Sowjetunion auf Menschen wie Pete wirkte, die sich einfache Wahrheiten und bequeme Schematismen für die Weltdeutung zurechtgelegt hatten.
Grodstein will nichts erklären, schon gar nicht ein Tötungsdelikt. Sie beobachtet ohne Thesen - Reaktionen auf dieses Verbrechen, das Leben mit Schuld, das Altern, Krankheiten, den Wunsch, mit wesentlichen Eigenschaften im Gedächtnis der Kinder zu bleiben. Höchst plausibel nehmen sich die schillernden Innenansichten der Söhne aus, die Ärzte sind, aber wenn die eigenen Väter sterben, genauso verstört reagieren wie jedermann. Sie zeigt, wie diese Mediziner ihren Patienten helfen wollen und versagen. Und sie stellt mit Scharfblick Verletzlichkeit dar, die der Kinder und der Eltern. Nichts Schlimmeres kann man einem liebenden Vater sagen, als dass der eigene Sohn ihn hasst. Ob das im speziellen Fall von Pete und Alec die Wahrheit ist oder eine böse Lüge, bleibt so offen wie die Frage, wann es Zeit ist loszulassen. Auch das ist eine Stärke dieses Romans.
KIRSTEN VOIGT
Lauren Grodstein: "Die Freundin meines Sohnes". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011. 351 S., geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
This book is full of inisights and honesty ... These people will stay in your head and keep their hands on your heart. Grodstein's skills at storytelling are unwavering. Elizabeth Strout, Pulitzer Prize winning author of OLIVE KITTERIDGE