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Produktdetails
  • Verlag: Jovis
  • Seitenzahl: 512
  • Deutsch, Englisch, Französisch
  • Abmessung: 45mm x 269mm x 302mm
  • Gewicht: 3105g
  • ISBN-13: 9783931321741
  • ISBN-10: 3931321746
  • Artikelnr.: 09622425
Autorenporträt
Rolf Aurich, geboren 1960, ist Redakteur am Filmmuseum Berlin. Er lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2001

Gute Nacht, Stoffaffe
Steinbruch: Der Katalog zur Fritz-Lang-Retrospektive der Berlinale

Der Kritiker Kurt Pinthus war hingerissen, als er 1921 Fritz Langs Film "Der müde Tod" gesehen hatte: "Man fühlt, es wächst endlich eine Generation von künstlerischen Filmregisseuren heran, und bald werden jene rohen und unkultivierten Regisseure, die aus ihrer und des Publikums Roheit Kapital (für sich) schlagen, in die ewigen Filmgefilde eingegangen sein." Einige Jahre später hatte nicht nur Fritz Lang, sondern auch sein Bewunderer Pinthus Deutschland verlassen, und mit ihnen eine große Anzahl jener Talente, die unter den aufmerksamen Augen des Kritikers den deutschen Film in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren als Autoren, Regisseure, Produzenten, Kameramänner und Schauspieler geprägt hatten.

Der Aderlaß, den diese Emigration bedeutete, läßt sich ermessen, wenn man in den vergangenen Jahren die Retrospektiven der Berlinale verfolgt hat: In unregelmäßigen Abständen wurden Werkschauen zu Billy Wilder, Ernst Lubitsch, Erich Pommer, Erich von Stroheims, den Brüdern Siodmak oder Otto Preminger veranstaltet; es entstanden Begleitbände, die detailliert und kundig die jeweiligen Filme und ihre Urheber vorstellten, häufig mit einer Fülle an unveröffentlichtem Material, Fotos, zeitgenössischen Rezensionen und akribisch zusammengetragenen Stablisten.

In diesem Jahr galt die Werkschau Fritz Lang; wieder ist ein üppig bebilderter Katalog erschienen, der von beinahe der gleichen Herausgebergruppe für den selben Verlag erstellt wurde wie der hervorragende Retrospektivenband des letzten Jahres - und doch wird man seiner nicht recht froh. Denn anders als etwa bei den Bänden zur Preminger- oder zur Siodmak-Retrospektive ist kein Grundlagenwerk entstanden, sondern eine zwar prächtig ausgestattete, aber allzu wenig strukturierte Sammlung von Textfragmenten und Bildern, die Material zu einer Studie über Lang bereitstellt, ohne selbst eine zu sein.

Die Fritz-Lang-Retrospektive der morgen zu Ende gehenden Berlinale wird anschließend in Los Angeles, Wien und Paris gezeigt werden. Darum wurde der opulente Katalog dreisprachig gedruckt, so daß sein stattlicher Umfang mehr verspricht als er halten kann - der letztjährige Band zur Retrospektive war noch in zwei sprachlich unterschiedlichen Fassungen erschienen.

Durch diese Beschränkung des Textes liegt der Schwerpunkt noch stärker auf den Bildern. Den eher dokumentarischen als analytischen Charakter des Buches unterstreicht die Auswahl der Texte; auch hier bedeutet dieser Band, gemessen an den früheren Retrospektiven, einen Rückschritt. Es fehlen nicht nur Beschreibungen der Filme, sondern auch andere elementare Bestandteile einer Filmmonographie, etwa eine Auflistung der Werke mit Stabangabe - von einigen Filmen erfährt man nicht einmal das Entstehungsjahr. Und obwohl sich kleinere Essays einzelnen Stationen von Langs Leben widmen - im Vorfeld der Berlinale sorgte ein Abschnitt über den mysteriösen Tod von Langs erster Ehefrau für Aufsehen -, fehlt ein Text, der einen Überblick über dieses Leben bietet; zur Not wäre auch ein tabellarischer Überblick hilfreich gewesen. Statt dessen erfährt man in seltsam unausgewogener Akribie im Detail, wer für die ungarische Untertitelung eines in Deutschland verbotenen Lang-Films zuständig war und was aus dem Mann später geworden ist. So scheint sich der Band an Spezialisten zu richten, die über die Grundzüge der Biografie und der Werke des Regisseurs bereits informiert sind, sich aber an Bildstrecken mit faksimilierten Bittbriefen begeistern können.

Dabei wüßte man gern mehr über die apokryphen Filme der Stummfilmzeit, etwa über "Die Spinnen" (1919/20), einen Abenteuerstreifen, dessen Bilder an die "Indiana Jones"-Filme denken lassen. Was bringt den Autor und Regisseur von einigen Kolportagefilmen dazu, auf einmal Werke wie "Der müde Tod" zu drehen? Gibt es in den Filmen vor der Emigration eine erkennbare Handschrift Langs, die sich in so unterschiedlichen Werken wie "Dr. Mabuse, der Spieler", "Die Nibelungen", "Metropolis" und "Frau im Mond" niederschlägt? Insgesamt drängt sich besonders im ersten Teil des Bandes, der Langs Zeit bis zur Emigration beschreibt, der Eindruck auf, daß die Herausgeber nicht vom Gegenstand der Retrospektive ausgehend Textund Bildmaterialien zusammengetragen haben, um ein möglichst umfassendes Bild des Regisseurs zu entwerfen, sondern daß sie umgekehrt vor allem ihren Fundus präsentieren wollten, die Standfotos zu den Filmen, die zahlreichen Briefe und Dokumente, die architektonischen Zeichnungen, und ihre Erläuterungen um dieses Material gruppiert haben.

Natürlich sind großartige Funde darunter, etwa ein bislang in der Forschung übergangenes Konvolut mit Briefen des Regisseurs, das die Herausgeber intensiv nutzen. Oder die Notizbücher Langs, in denen er Filmideen festhielt; eigenhändige Kartenskizzen aus dem Ersten Weltkrieg, die den Eifer des Kriegsfreiwilligen und neunmal Beförderten eindrucksvoll belegen; hinreißende Privatfotos des Regisseurs, die ihn mit Kollegen zeigen, aber auch, wie er als alter Mann liebevoll versunken seinen Stoffaffen zur Nacht bettet. Unter den Texten ragen besonders die bislang unveröffentlichten Erinnerungen des an "Metropolis" beteiligten Filmarchitekten Erich Kettelhut heraus. Doch auch hier bleibt es bei der weitgehend unkommentierten Edition, obwohl sich die Frage, welchen Anteil Langs technische Mitarbeiter an seiner besonderen Bildersprache haben, nach der Lektüre von Kettelhuts Notizen geradezu aufdrängt.

Einzelne Kapitel leisten eine solche Analyse des Materials, etwa die Abschnitte über die Korrespondenz Langs mit Adorno, die Zusammenarbeit mit Brecht oder Langs Engagement gegen Hitler und seine Hilfe für andere Emigranten. Die Situation des alternden, zunehmend sehschwachen Regisseurs, der sich auch nach vielen Jahren im Exil an den deutschen Zuständen reibt und sogar für kurze Zeit in die alte Heimat zurückkehrt, wird in den privaten Briefen Langs durchaus plastisch. Doch insgesamt wartet man auf den Filmhistoriker, der den Band zum Ausgangspunkt einer umfassenden Studie über den Regisseur macht. Er findet einen prächtigen Steinbruch vor.

TILMAN SPRECKELSEN.

Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen und Cornelius Schnauber (Hrsg.): "Fritz Lang. Leben und Werk. Bilder und Dokumente". Jovis Verlag, Berlin 2001. 512 S., geb., 98,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Der Rezensent Daniel Kothenschulte findet Gefallen an diesem Band über Fritz Lang, der sich vor allem mit dessen "inoffizieller Seite" befasst. Da erfährt man einiges Unerwartete. So war der Regisseur inspiriert von der neuen Sachlichkeit - unter anderem Möbeldesigner seines eigenen Haus - und unterstützte später im Exil andere, in Not geratene Exilanten. Die Herausgeber schaffen es nach Kothenschultes Meinung, die verschiedensten Wissenslücken über Langs Person zu schließen. Anlass der Veröffentlichung war die Fritz-Lang Retrospektive auf der Berlinale . Der Rezensent nennt den Band einen "Liebesdienst" an dem Regisseur und das "prächtigste deutsche Filmbuch seit langem".

© Perlentaucher Medien GmbH