Volkswirtschaftler und Universitätsgründer Fritz Neumark (1900-1991) war einer der Wissenschaftler, welche die Goethe-Universität 1933 wegen ihrer jüdischen Herkunft verlassen mussten. Er nahm einen Ruf nach Istanbul an, wo Atatürk ein modernes, säkularisiertes Staatswesen aufbaute. Neumark gewann als Professor rasch großes Renommee und engagierte sich für Reformen der Universitätsausbildung und der Verwaltung sowie die Modernisierung der türkischen Einkommensteuer. 1952 nach Frankfurt zurückgekehrt, wurde er zu einem der bedeutendsten europäischen Finanzwissenschaftler und Politikberater.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2014Frankfurter Gelehrte
Zwei Bücher über Oppenheimer und Neumark
Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Frankfurter Goethe-Universität bemüht sich seit einigen Jahren, durch einen Ausbau der Kompetenzen unter anderem in der Finanzökonomie und der Makroökonomie ("House of Finance") sich in Deutschland unter den besten Universitäten zu etablieren und auch international Zeichen zu setzen. Darüber sollte nicht vergessen werden, dass es zwei Epochen gab, in denen Frankfurt zu den angesehensten deutschen Standorten auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften zählte.
Diese beiden Epochen verbinden sich nicht zuletzt mit den Namen Franz Oppenheimer und Fritz Neumark. Über diese beiden Gelehrten liegen nunmehr handliche und gut lesbare Biographien vor. Oppenheimer und Neumark mussten Deutschland wegen ihrer jüdischen Herkunft in den dreißiger Jahren verlassen. Während Oppenheimer im kalifornischen Exil verstarb, kehrte der deutlich jüngere Neumark nach dem Krieg zurück.
Oppenheimer (1864 bis 1943) zählte einmal mit den etwa gleichaltrigen Max Weber und Werner Sombart zum Dreigestirn deutscher Denker, die früh den Versuch unternahmen, Wirtschaftslehre und Soziologie miteinander zu verbinden. Der aus Berlin stammende Oppenheimer hatte seine Berufslaufbahn zunächst als Arzt begonnen, dann aber beschlossen, als Sozialwissenschaftler einen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten. Oppenheimer machte die damals oft diskutierte "Bodenfrage" zu seinem großen Thema. Er war der Ansicht, dass viele Menschen, die in den Großstädten verarmten, besser auf dem Land aufgehoben wären. Dort aber sah er die Möglichkeit eines Landerwerbs durch monopolistisches Verhalten der Großgrundbesitzer, die sogenannte "Bodensperre", eingeschränkt. Oppenheimer, der nach dem Ersten Weltkrieg rund ein Jahrzehnt in Frankfurt lehrte, verfocht in Theorie und Praxis die Idee der Siedlungsgenossenschaft. Seine Vision eines sozialen Liberalismus beeinflusste unter anderen seinen bekanntesten Schüler: Ludwig Erhard.
Die Idee eines sozialen Liberalismus bewegte auch Fritz Neumark (1900 bis 1991), mit dessen Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg die traditionelle, stark in Institutionen und weniger in mathematischen Modellen denkende deutsche Schule der Finanzwissenschaft einen Höhepunkt erlebte. Der Ansturm der aus Amerika stammenden, sehr viel mathematischeren "Public Finance" drängte die deutsche Schule allerdings in den Hintergrund, weshalb Neumark, der als Politikberater und als akademischer Lehrer zu seiner Zeit einigen Einfluss besaß, jüngeren Ökonomen kaum noch bekannt sein dürfte.
GERALD BRAUNBERGER
Volker Caspari / Klaus Lichtblau: Franz Oppenheimer. Societäts-Verlag. Frankfurt 2014. 208 Seiten. 14,80 Euro
Heinz Grossekettler: Fritz Neumark. Societäts-Verlag. Frankfurt 2013. 168 Seiten. 14,80 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei Bücher über Oppenheimer und Neumark
Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Frankfurter Goethe-Universität bemüht sich seit einigen Jahren, durch einen Ausbau der Kompetenzen unter anderem in der Finanzökonomie und der Makroökonomie ("House of Finance") sich in Deutschland unter den besten Universitäten zu etablieren und auch international Zeichen zu setzen. Darüber sollte nicht vergessen werden, dass es zwei Epochen gab, in denen Frankfurt zu den angesehensten deutschen Standorten auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften zählte.
Diese beiden Epochen verbinden sich nicht zuletzt mit den Namen Franz Oppenheimer und Fritz Neumark. Über diese beiden Gelehrten liegen nunmehr handliche und gut lesbare Biographien vor. Oppenheimer und Neumark mussten Deutschland wegen ihrer jüdischen Herkunft in den dreißiger Jahren verlassen. Während Oppenheimer im kalifornischen Exil verstarb, kehrte der deutlich jüngere Neumark nach dem Krieg zurück.
Oppenheimer (1864 bis 1943) zählte einmal mit den etwa gleichaltrigen Max Weber und Werner Sombart zum Dreigestirn deutscher Denker, die früh den Versuch unternahmen, Wirtschaftslehre und Soziologie miteinander zu verbinden. Der aus Berlin stammende Oppenheimer hatte seine Berufslaufbahn zunächst als Arzt begonnen, dann aber beschlossen, als Sozialwissenschaftler einen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten. Oppenheimer machte die damals oft diskutierte "Bodenfrage" zu seinem großen Thema. Er war der Ansicht, dass viele Menschen, die in den Großstädten verarmten, besser auf dem Land aufgehoben wären. Dort aber sah er die Möglichkeit eines Landerwerbs durch monopolistisches Verhalten der Großgrundbesitzer, die sogenannte "Bodensperre", eingeschränkt. Oppenheimer, der nach dem Ersten Weltkrieg rund ein Jahrzehnt in Frankfurt lehrte, verfocht in Theorie und Praxis die Idee der Siedlungsgenossenschaft. Seine Vision eines sozialen Liberalismus beeinflusste unter anderen seinen bekanntesten Schüler: Ludwig Erhard.
Die Idee eines sozialen Liberalismus bewegte auch Fritz Neumark (1900 bis 1991), mit dessen Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg die traditionelle, stark in Institutionen und weniger in mathematischen Modellen denkende deutsche Schule der Finanzwissenschaft einen Höhepunkt erlebte. Der Ansturm der aus Amerika stammenden, sehr viel mathematischeren "Public Finance" drängte die deutsche Schule allerdings in den Hintergrund, weshalb Neumark, der als Politikberater und als akademischer Lehrer zu seiner Zeit einigen Einfluss besaß, jüngeren Ökonomen kaum noch bekannt sein dürfte.
GERALD BRAUNBERGER
Volker Caspari / Klaus Lichtblau: Franz Oppenheimer. Societäts-Verlag. Frankfurt 2014. 208 Seiten. 14,80 Euro
Heinz Grossekettler: Fritz Neumark. Societäts-Verlag. Frankfurt 2013. 168 Seiten. 14,80 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main