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Erste Biografie über die Bühnenkönige der Zwanziger JahreBerlin in den "Goldenen Zwanzigern": Das Metropol-Theater, das Residenz-Theater, das Theater des Westens, das Lessing-Theater, der Admiralspalast und andere mehr sind als die "Rotterbühnen" bekannt. Wer auf diesen Brettern stehen darf, hat es geschafft: Die Brüder Fritz und Alfred Rotter gehören zu den bekanntesten und erfolgreichsten Theaterdirektoren in der Weimarer Republik. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs feiern sie vor allem mit Operetten große Triumphe. Fritzi Massary, Richard Tauber, Hans Albers, Käthe Dorsch, Grete Mosheim und…mehr

Produktbeschreibung
Erste Biografie über die Bühnenkönige der Zwanziger JahreBerlin in den "Goldenen Zwanzigern": Das Metropol-Theater, das Residenz-Theater, das Theater des Westens, das Lessing-Theater, der Admiralspalast und andere mehr sind als die "Rotterbühnen" bekannt. Wer auf diesen Brettern stehen darf, hat es geschafft: Die Brüder Fritz und Alfred Rotter gehören zu den bekanntesten und erfolgreichsten Theaterdirektoren in der Weimarer Republik. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs feiern sie vor allem mit Operetten große Triumphe. Fritzi Massary, Richard Tauber, Hans Albers, Käthe Dorsch, Grete Mosheim und viele andere werden von den Rotters entdeckt und teils zu Stars gemacht. beispiellose jüdische Lebensgeschichte für ein großes Lesepublikum die Rotters entdeckten Hans Albers, Käthe Dorsch und viele andere Kulturleben vom Kaiserreich über Weimarer Republik bis zur Nazi-Diktatur Eintauchen in die große Theaterzeit der Zwanziger Jahre akribisch recherchiert, mit bislang unveröffentlichtem Text- und FotomaterialWeltwirtschaftskriseDoch der Bühnenkonzern ist auf große Investitionen, stabile Einnahmen und Kredite angewiesen. In der Weltwirtschaftskrise bricht das Unternehmen zusammen. Über 1300 Angestellte verlieren ihre Arbeitsplätze. Bereits in dieser Zeit werden Fritz und Alfred Rotter als Juden gebrandmarkt, angefeindet und in NS-Zeitungen verächtlich gemacht: Die Nationalsozialisten schmähen sie als "jüdische Finanzhasardeure" und "verkrachte Theaterjuden". Dabei haben sie wie wenige andere das kulturelle Leben der Stadt bereichert und bestimmt - und mit untrüglichem Gespür für dramaturgische Stoffe, Melodien und Stars ihre Erfolgsoperetten (mit Franz Lehár, Ralph Benatzky, Paul Abraham und anderen) geschaffen. Doch nun gibt es niemanden mehr, der für sie einsteht. Sie fliehen Anfang 1933 nach Liechtenstein: vor den erstarkenden Nazis und den Schulden.Kriminalfall: Von den Nazis den Tod getriebenDoch auch in Liechtenstein können sie sich nicht retten. Genau schildert die vorliegende Biografie die dramatischen Umstände, unter denen Fritz und Alfred Rotter von vier Liechtensteinern und zwei Deutschen am 5. April 1933 entführt werden sollten, worauf Alfred und Gertrud Rotter oberhalb von Vaduz in den Tod stürzten. Die anschließenden Prozesse in Liechtenstein gegen die Täter werden anhand von Prozess- und Verhörakten wieder greifbar, und der Autor beschreibt anhand von Zeitzeugenberichten und Dokumenten, wann genau und wie Fritz Rotter 1939 in Frankreich tragisch ums Leben kam. "Fritz und Alfred Rotter" ist nicht nur eine starke Biografie, die viel über das Kultur- und Gesellschaftsleben der Zeit zu berichten weiß, sondern auch eine berührende und beispiellose Geschichte, die als Drama in fünf Akten den Absturz vom Theaterhimmel in die Dunkelheit erzählt und sprachlos zurücklässt.
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Autorenporträt
DR. PETER KAMBER, geb. 1953 in Zürich, studierte Geschichte und Soziologie. Als freier Autor schrieb er Reportagen und Essays für Zeitungen, Zeitschriften und das Radio. Forschung und Schreiben führten ihn nach Lausanne, Bern, Paris und nach Berlin, wo er heute lebt. Neben Biografien veröffentlichte er auch einen ersten historischen Roman.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Was Rezensent Hans-Peter Kunisch an der Darstellung Kambers kritisiert, geschieht ihm dann selbst: Vor lauter Details wird alles einigermaßen unübersichtlich. Immerhin bleibt klar, wie interessant viele der vorgebrachten Details tatsächlich sind und wie spannend die Berliner Theaterlandschaft der Weimarer Zeit war - auch in ihrer finanziellen Absicherung durch Unternehmer, die oftmals mehr "Theaterblut" hatten als finanziellen Durchblick. Wie sich daraus und der antisemitischen Aggression der Nazis dann Entführung, Verrat, Gefängnis und Tod entwickelten, ist hier nachzulesen - nach Meinung des Kritikers etwas mühsam, aber doch lohnend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2020

Die Großhändler der leichten Muse

In der Hauptstadt der Operette: Peter Kamber beschreibt das Leben und den Tod der erfolgreichen Berliner Theaterunternehmer Fritz und Alfred Rotter.

Sie wurden erst belächelt, dann beneidet und schließlich verhöhnt und bekämpft. Man hat sie verfolgt, denunziert, mit Prozessen überzogen und in den Tod getrieben, nicht im übertragenen Sinne, sondern buchstäblich. Alfred und Fritz Rotter wurden von ihren Feinden zu Tode gehetzt. Drei Dinge mussten sich die Brüder Rotter zeitlebens vorwerfen lassen: Sie wollten Theater machen und Geld damit verdienen. Sie hatten Erfolg. Sie waren Juden.

Die Zeit war eine völlig andere, aber die Frage stellt sich auch heute wieder: Woher nur kommt all der Hass? Als der Dramatiker Arnolt Bronnen, der 1930 zusammen mit Ernst und Friedrich Georg Jünger und SA-Leuten Thomas Manns später berühmt gewordene "Deutsche Ansprache" im Berliner Beethoven-Saal verhindern wollte, mehr als zwei Jahrzehnte später auf jene Zeit zurückblickte, gab er sich ratlos: "Ich hatte einen Zorn, ich weiß nicht gegen was, mag sein, gegen alles." Die Weltwirtschaftskrise wütete, die "Goldenen Zwanzigerjahre" waren gerade zu Ende gegangen. Die Schauspielerin Trude Hesterberg hat später bekannt, dass ihr diese Bezeichnung geradezu Abscheu einflößte: "Es lagen viele Leichen im Landwehrkanal, fast jeden Tag eine. Junge und alte Menschen, Menschen, die keinen Ausweg mehr aus der Not fanden, suchten in den schmutzigen kalten Wassern, die sich durch Berlin zogen, nach Erlösung."

Erlösung suchten die Menschen auch im Theater, vor allem in Berlin. Die "New York Times" konstatierte im Dezember 1929, dass Berlin Wien als Hauptstadt der Operette abgelöst hatte. Worauf beruhte der Siegeszug der Berliner Operette? Die Zeitung zitierte Alfred Rotter, den älteren der beiden Rotter-Brüder: Das Publikum gehe in eine Operette, um herzhaft zu weinen. Man weinte mit Franz Lehár und Richard Tauber, Käthe Dorsch und anderen Stars. Viele von ihnen standen bei Fritz und Alfred Rotter unter Vertrag. Berlin, so der berühmte Schauspieler Alexander Granach in seiner Autobiographie "Da geht ein Mensch", war die "heißeste, kochendste Theaterstadt Europas". Die Rotters haben dazu viel beigetragen.

Peter Kamber, in Berlin lebender Publizist aus Zürich, hat in seiner geradezu unmäßig materialreichen Studie "Fritz und Alfred Rotter. Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil" ausgewertet, was die Archive hergaben: Akten, Verträge, Protokolle, Briefwechsel, Memoranden, Memoiren. Vor allem aber zitiert Kamber aus den zeitgenössischen Theaterkritiken und Zeitungsartikeln. Herbert Jhering, Kurt Tucholsky, Siegfried Jacobsohn, Alfred Kerr, alle haben sie über die Rotters und ihre Produktionen geschrieben und sich an den oft überwältigenden Publikumserfolgen der Brüder abgearbeitet. Längst nicht immer machen die großen Kritiker von gestern dabei eine gute Figur. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir den hohen Säuregrad ihrer Polemiken nicht gewohnt sind. Die Kritik fühlte sich berufen und legitimiert, das Populäre mit nahezu allen denkbaren Mitteln zu bekämpfen. So scharfsinnig die Analysen, so brillant die Formulierungen auch sein mögen, es irritiert der oft anmaßend-erbarmungslose Zungenschlag des Kunstrichters, der nicht nur verreißt, sondern ausgemerzt sehen möchte, was ihm missfällt.

Als die Rotter-Brüder 1924 ihre Theaterkonzession vom Residenz- auf das Lessingtheater übertragen lassen wollen, beginnt eine Hetzjagd. Die einen geifern über eine "frivole Kunstauffassung" oder reden von "Barbarei", der sozialdemokratische "Vorwärts" fordert die Enteignung der Rotters, die Bühnengenossenschaft startet eine Kritikerumfrage. Alfred Kerr äußert sich mit gewohnter Schärfe und in der Überzeugung, dass Alfred und Fritz Rotter "die übelsten Schädlinge sind, welche die deutsche Theaterkunst seit Jahrzehnten aufzuweisen hat. Ihr Wirken ist Spekulation auf tiefstehende Regungen einer gewissen Schicht. In dieser Tendenz treiben sie ,Kunst' als Handelsgeschäft." Wenig später stand Hitler auf den Stufen des Reichstags, aber das Abendland ging unter, weil die Brüder Rotter die Theater füllten.

Geboren wurden sie als Alfred und Fritz Schaie in Berlin, wo der Vater Heymann Schaie seit 1880 ein "Herren-Garderobe-Geschäft en gros" betrieb. Er kam aus dem stark jüdisch geprägten Leslau, dem späteren Hohensalza, das heute Inowraclaw heißt. Schon vor seinem Tod, bei dem er den Söhnen und deren beiden Schwestern ein ansehnliches Vermögen hinterließ, hatte er die Theaterleidenschaft der Brüder finanziell unterstützt. Bereits als Schüler organisierten sie Aufführungen, und während des Studiums stellte ihnen Otto Brahm sein Lessingtheater für gelegentliche Sonderaufführungen zur Verfügung. Später wird das Haus eine von insgesamt neun Bühnen sein, die Fritz und Alfred Rotter bespielen, als Eigentümer oder Pächter, zum Teil aufgrund windiger juristischer Konstruktionen. Dass ihr Imperium verschachtelt war, es umfasste sechs GmbHs und zwei Aktiengesellschaften, wurde ihnen immer wieder mit Vehemenz zum Vorwurf gemacht. Mit antikapitalistischer, auch antiamerikanischer Inbrunst sprach man vom "Rotter-Trust", wie überhaupt der Name zum Schimpfwort gestempelt wurde: Von der "Rotterei" war die Rede, von "Verlotterung und Verrotterung" des Theaters und seit 1924 immer öfter auch offen von der "fast allgemeinen Verjudung der Berliner Theater", in deren Direktionen "uns völlig Stammes- und darum auch Wesensfremde ihren Einzug gehalten" hätten.

Was hatten die Brüder auf dem Kerbholz? Während des Ersten Weltkriegs hatten sie versucht, sich dem Militärdienst zu entziehen. Ihre Transaktionen waren nicht immer leicht zu durchschauen, ihre Buchführung ließ an preußischer Gewissenhaftigkeit zu wünschen übrig. Ihr Gespür für die Befindlichkeiten und Bedürfnisse des Publikums war nahezu untrüglich. Sie beschäftigten zeitweise bis zu 1300 Menschen, entdeckten Stars wie Hans Albers, verdienten Millionen, steckten sie in ihre Theater oder verpulverten sie bei Fehlspekulationen an der Börse. Alfred Rotter und seine Frau Gertrud wurden 1933 in Liechtenstein von Nationalsozialisten aufgespürt, sollten wohl entführt werden und kamen unter nie geklärten Umständen ums Leben. Fritz gelang zunächst die Flucht. Er starb 1939 in einem Gefängnis in Colmar, wie erst Peter Kambers langjährige und verdienstvolle Recherchen ergaben.

HUBERT SPIEGEL

Peter Kamber: "Fritz und Alfred Rotter". Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil.

Henschel Verlag, Leipzig 2020. 504 S., Abb., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2021

Entführung in Liechtenstein
Peter Kamber über das so spektakuläre wie tragische Leben der Berliner Theater-Mogule Fritz und Alfred Rotter
Einer der ersten Skandale im frisch etablierten Nazireich ist eine mit Toten endende Entführung in Liechtenstein. Anstifter ist derArchitekt Franz Roeckle, ein nicht unbekannter Protagonist des „Neuen Bauens“. Ausgerechnet Roeckle hatte 1924 das Frankfurter Institut für Sozialforschung, das Zentrum der Kritischen Theorie, und 1908 die Synagoge im Frankfurter Westend gebaut. Doch am 5. Februar 1933 meldet er der Lindauer Polizei, dass „die Gebrüder Rotter“ in Vaduz seien. Dort konnten sie von deutschen Gerichten nicht belangt werden: „Ich frage deshalb an, ob es nicht möglich wäre, dass ein Lindauer Detektiv nach Vaduz kommt und die Gebrüder Rotter außerhalb des Landes festnimmt. Die Sache wäre schon zu drehen.“
Alfred und Fritz Rotter machten seit Jahren Schlagzeilen als Theaterunternehmer. Mal, weil ihr Geschäft florierte, mal, weil sie sich, vor Gläubigern über die Grenze abgesetzt hatten. Sie betrieben den neben den Reinhardt-Bühnen wichtigsten Theaterkonzern Berlins. Zu ihren Spielstätten zählten 1932 das Metropol-Theater, das Theater des Westens, das Lessing-Theater, der Admiralspalast, das Lustspielhaus und das Zentraltheater Berlin.
Peter Kamber, der jetzt die erste Biografie der Rotters geschrieben hat, hat vor Jahren in seinem schönen Erfolgsbuch „Geschichte zweier Leben“, das die Beziehung zwischen Wladimir Rosenbaum und der Konzertpianistin und Schriftstellerin Aline Valangin zum Thema hat, schon am Rande von den Rotters erzählt. Anwalt Rosenbaum vertrat Fritz Rotter im Entführungsprozess nach dem Tod von Alfred und dessen Frau. Jetzt erzählt Kamber ihre Geschichte als materialreiche Mischung aus Krimi und Berliner Theaterhistorie.
Gerade haben die Rotters noch mit Paul Abrahams „Ball im Savoy“ – der, am 23. Dezember 1932 uraufgeführt, als letzte Operette der Weimarer Republik gilt – ihren größten Erfolg gefeiert. Aber in der Silvesternacht 1932/33 sind sie von einem Mann hinter den Kulissen über den Tisch gezogen worden. Heinz Hentschke, der für seine „Gesellschaft der Funkfreunde“ Karten zu Schleuderpreisen organisiert, hat das Bühnengeschäft Berlins ruiniert. Oft gehen dreißig Prozent der Einnahmen an ihn, der wenig Ausgaben hat und kaum Risiko trägt. Bei Rotters sichert sich Hentschke zur Deckung von Schulden über Mittelsleute alle Einnahmen aus dem „Ball im Savoy“, der das Große Schauspielhaus mit 3200 Plätzen jeden Abend füllt. Er schnürt den Brüdern die Luft ab. Doch statt Zahlungsunfähigkeit anzumelden und sich so vor Hentschke zu schützen, sind sie, um Zeit zu gewinnen, geflohen.
Warum waren die spektakulären, international bekannten Rotters lange vergessen? Vielleicht passten sie als Operettenspezialisten nicht in die große Kulturlegende. Ihre Protagonisten sind Richard Tauber, Käthe Dorsch und Gitta Alpár, ihr Komponist, neben Paul Abraham, Franz Lehár. Und die jüdischen Rotters, die, wie Max Goldmann (Reinhardt) ihren Namen Schaie abgelegt hatten, waren gute Feindbilder, galten selbst als Agenten der Amerikanisierung des Theaterbetriebs.
So löst die Meldung, dass sie sich ins „Schieberparadies“ Liechtenstein abgesetzt haben, auch in Zeitungen, die ihren Bankrott beklagen, Entrüstung aus. Hitlers Machtübernahme befeuert die Hetze, die „unterschlagenen“ Beträge steigern sich mit jedem Artikel. Pünktlich zum Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April versammeln sich in Konstanz Volkszornige, die den „Fall Rotter“ in Selbstjustiz klären wollen. Der Deutsche Franz Roeckle ist ursprünglich Liechtensteiner. Und auch der Roeckle bewundernde Holzkünstler und Hotelbesitzer Rudolf Schädler ist um Liechtensteins Ruf als Fremdenverkehrsort „besorgt“. Er bietet Rotters sein „Alphotel Gaflei“ als Unterkunft an, lockt sie mit Komplizen dort in den Hinterhalt.
Das Rotter-Thema hat Peter Kamber nicht losgelassen. Über Jahre hat er die Geschichte recherchiert. Was ihn manchmal dazu verführt, zu viele Details anzubieten, statt die größeren Linien der Entwicklung zu betonen. Manche Berichte zu einzelnen Aufführungen der Rotters hätte man, etwa zugunsten eines Überblicks zur Situation der Berliner Theater, nicht vermisst. Aber zu den Rotters selbst bringt das Buch Interessantes zutage. Etwa, wenn Kamber aufzeigt, dass die als bloße Unternehmer verschrienen Rotters „Theaterblut“ hatten. Schon am Berliner Sophien-Gymnasium widmen sie sich in den zehn Latein-Wochenstunden lieber Reclam-Heftchen mit Dramentexten. Als Studenten gründen sie die Berliner „Akademie-Bühne“, für deren Beirat sie den bekannten Germanisten Erich Schmidt gewinnen. Dann sprechen sie bei Otto Brahm vor, dem Direktor des Lessing-Theaters, der an den zwei Strindberg-Bewunderern Gefallen findet. Ausgerechnet die „Geschäftemacher“ Rotter stolpern über Buchhaltungsfragen, die sie nie ganz ernst nehmen. Und über ihren Versuch, sich um die Teilnahme am Ersten Weltkrieg zu drücken: Von heute aus gesehen nicht unvernünftig, geraten sie so in den Blick des mächtigen nationalistischen Berliner Theaterzensors von Glasenapp, der sie von da an verfolgt.
Interessant ist auch Kambers Interpretation der Operette als Kitt der Weimarer Republik. Sie sei die einzige Kunstform, die der zerrissenen Gesellschaft Zusammenhalt beschert habe. „Alle“ verfolgten den „Ball im Savoy“. Aber war es wohl doch ein Zusammenhalt in Zeitvergessenheit.
Die Brüder sind sehr verschieden: Alfred Rotter ist der nachdenklichere Chef und auch Regisseur. Ausgerechnet der leichtsinnige Fritz widmet sich Finanzfragen. Nach dem Prozess wird er von Aline Valangin unerkannt durch die Schweiz ins Pariser Exil gebracht und verschwindet als Transvestit in der ersten Nacht. Er hatte seinerzeit den Entführungsversuch überlebt. Während Alfred und Frau flohen und über einen Abgrund in den Tod stürzten, konnte sich Fritz mit einem zu früh geschlossenen Teil seiner Handschellen gegen die dilettantisch-brutalen Entführer wehren. Wegen Scheckbetrugs verurteilt, wird er im Oktober 1939 mit 51 Jahren in einem Colmarer Gefängnis sterben.
HANS-PETER KUNISCH
Peter Kamber: Fritz und Alfred Rotter – Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil. Henschel Verlag, Leipzig 2020.
503 Seiten, 26 Euro.
International bekannt: Charlie Chaplin und Alfred Rotter 1931 bei einer Vorstellung von „Veilchen von Montmartre“ im Metropol.
Foto: Peter Kamber/Henschel Verlag
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