Der herbe Titel dieser poetischen Texte und Bilder steht für den Schmerz der Erinnerung, der sich durch Merav Salomons Familiengeschichte zieht. In ihrem Mittelpunkt steht die deutsche Großmutter, die noch rechtzeitig aus Nazideutschland nach Israel fliehen konnte. In surrealen, poetischen und oft komischen Szenen entsteht ein eindrucksvolles Erinnerungsmosaik, das Schmerzhaftes und Groteskes, Schönes und Bitteres wie selbstverständlich verknüpft. Die Illustrationen begleiten den Text als freie Bilder und vertiefen eindrucksvoll die Emotionen dieser bewegenden Hommage an die Großmutter.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2012Ein Eierlöffel wandert aus
Die israelische Illustratorin Merav Salomon stellt „Frostbeulen“, die Geschichte ihrer Familie, als „Tolles Heft“ bei Literatur Moths vor
München – Manche Leute haben die tollsten Ideen, setzen sie aber niemals um. Andere Leute haben keine besonders tollen Ideen, aber ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, weshalb sie einen mit Halbgarem langweilen. Und dann gibt es noch welche, die haben tolle Ideen und machen sie als solche publik. Der Buchhändler und Comic-Liebhaber Armin Abmeier ist so einer. Er war mehr als 25 Jahre als Verlagsvertreter tätig, unter anderem für Greno, Hanser, Schirmer/Mosel und Wagenbach, für nichtkommerzielle Verlage also, die dennoch verkaufen müssen. Und was sich verkauft, das wissen die Vertreter. Weshalb Armin Abmeier heute eine gespaltene Persönlichkeit sein müsste.
Es ist gut 30 Jahre her, da war er in New York und sah Art Spiegelmans Zeitschrift Raw und wollte ein Comic-Buch von Mark Beyer, dessen Illustrationen darin publiziert waren, herausgeben. Auch wenn daraus nichts wurde, edierte Abmeier fortan Die Tollen Bücher und seit Herbst 1991 Die Tollen Hefte .
Walter Serner, Gottfried Benn, Brigitte Kronauer oder Charles Bukowski – das Panorama der Autoren ist ebenso groß wie das der Illustratoren. Jedes Heft ist anders, versteht sich. Gleichbleibend ist allenfalls die Leidenschaft, mit der das jeweilige Heft in die Tat umgesetzt wurde und wird. Die Tollen Hefte erscheinen bei der Büchergilde, kleinformatig, ein jedes fadengebunden und mit original Flachdruck-Grafiken versehen. Wenn Qualität und Liebe gepaart sind, dann hagelt es Preise. Deshalb tauchen sie auf der SWR-Bücherliste auf oder wurden mit dem Preis der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.
Just ist das 37. Heft, „Frostbeulen“ betitelt, herausgekommen, etwas Besonderes wie die Vorgänger auch. „Frostbeulen“ meint nichts Lustiges – nicht nur, weil diese stets weh tun. Den Schmerz, den die israelische Illustratorin Merav Salomon empfindet, könnte man als Phantomschmerz bezeichnen, denn sie leidet an etwas, was verloren und nicht mehr da ist. Es sind die Familienmitglieder, die in den Nazi-Lagern vernichtet wurden. Eine, die überlebte, die ins damalige Palästina, wenn auch widerwillig auswanderte, ist Salomons Großmutter. Und wenn man „Frostbeulen“ aufblättert, glotzt nicht nur ein nicht koscherer Wildschweinskopf vom Teller eines kopflosen Mädchens.
Es irritieren die daneben abgedruckten Ermahnungen, ganz offensichtlich Benimmregeln aus einer anderen Zeit. „Rücken gerade“ steht da oder „Iss mit geschlossenem Mund“. Solche Sätze wird Großmutter Dorothea gesagt haben, der Merav Salomon mit einer Reihe skurriler Bilder ein Denkmal setzt. Auch traurige wie jenes Bild mit dem weinenden Profil der Oma vor fünf strammstehenden israelischen Zypressen. Dorothea war und blieb eine Jecke, eine deutsche Jüdin im fremden Land. Die Illustrationen der an der Bezalel-Akademie in Jerusalem lehrenden Professorin für visuelle Kommunikation meinen auch den Schmerz um ein sehr fernes Land, das für die Großmutter einst als Heimat verlustig ging.
Eva-Elisabeth Fischer
Merav Salomon präsentiert „Frostbeulen“ heute, am 15. März, 19.30 Uhr, bei Literatur Moths, Rumfordstr. 48, Tel.: 29 06 13 26.
Hinter Merav Salomons surrealer Komik lauert der Schrecken: Denn es kommt vor, dass der Mensch nicht mehr denn ein Stück Schlachtvieh wert ist. Abb.: oh
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Die israelische Illustratorin Merav Salomon stellt „Frostbeulen“, die Geschichte ihrer Familie, als „Tolles Heft“ bei Literatur Moths vor
München – Manche Leute haben die tollsten Ideen, setzen sie aber niemals um. Andere Leute haben keine besonders tollen Ideen, aber ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, weshalb sie einen mit Halbgarem langweilen. Und dann gibt es noch welche, die haben tolle Ideen und machen sie als solche publik. Der Buchhändler und Comic-Liebhaber Armin Abmeier ist so einer. Er war mehr als 25 Jahre als Verlagsvertreter tätig, unter anderem für Greno, Hanser, Schirmer/Mosel und Wagenbach, für nichtkommerzielle Verlage also, die dennoch verkaufen müssen. Und was sich verkauft, das wissen die Vertreter. Weshalb Armin Abmeier heute eine gespaltene Persönlichkeit sein müsste.
Es ist gut 30 Jahre her, da war er in New York und sah Art Spiegelmans Zeitschrift Raw und wollte ein Comic-Buch von Mark Beyer, dessen Illustrationen darin publiziert waren, herausgeben. Auch wenn daraus nichts wurde, edierte Abmeier fortan Die Tollen Bücher und seit Herbst 1991 Die Tollen Hefte .
Walter Serner, Gottfried Benn, Brigitte Kronauer oder Charles Bukowski – das Panorama der Autoren ist ebenso groß wie das der Illustratoren. Jedes Heft ist anders, versteht sich. Gleichbleibend ist allenfalls die Leidenschaft, mit der das jeweilige Heft in die Tat umgesetzt wurde und wird. Die Tollen Hefte erscheinen bei der Büchergilde, kleinformatig, ein jedes fadengebunden und mit original Flachdruck-Grafiken versehen. Wenn Qualität und Liebe gepaart sind, dann hagelt es Preise. Deshalb tauchen sie auf der SWR-Bücherliste auf oder wurden mit dem Preis der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.
Just ist das 37. Heft, „Frostbeulen“ betitelt, herausgekommen, etwas Besonderes wie die Vorgänger auch. „Frostbeulen“ meint nichts Lustiges – nicht nur, weil diese stets weh tun. Den Schmerz, den die israelische Illustratorin Merav Salomon empfindet, könnte man als Phantomschmerz bezeichnen, denn sie leidet an etwas, was verloren und nicht mehr da ist. Es sind die Familienmitglieder, die in den Nazi-Lagern vernichtet wurden. Eine, die überlebte, die ins damalige Palästina, wenn auch widerwillig auswanderte, ist Salomons Großmutter. Und wenn man „Frostbeulen“ aufblättert, glotzt nicht nur ein nicht koscherer Wildschweinskopf vom Teller eines kopflosen Mädchens.
Es irritieren die daneben abgedruckten Ermahnungen, ganz offensichtlich Benimmregeln aus einer anderen Zeit. „Rücken gerade“ steht da oder „Iss mit geschlossenem Mund“. Solche Sätze wird Großmutter Dorothea gesagt haben, der Merav Salomon mit einer Reihe skurriler Bilder ein Denkmal setzt. Auch traurige wie jenes Bild mit dem weinenden Profil der Oma vor fünf strammstehenden israelischen Zypressen. Dorothea war und blieb eine Jecke, eine deutsche Jüdin im fremden Land. Die Illustrationen der an der Bezalel-Akademie in Jerusalem lehrenden Professorin für visuelle Kommunikation meinen auch den Schmerz um ein sehr fernes Land, das für die Großmutter einst als Heimat verlustig ging.
Eva-Elisabeth Fischer
Merav Salomon präsentiert „Frostbeulen“ heute, am 15. März, 19.30 Uhr, bei Literatur Moths, Rumfordstr. 48, Tel.: 29 06 13 26.
Hinter Merav Salomons surrealer Komik lauert der Schrecken: Denn es kommt vor, dass der Mensch nicht mehr denn ein Stück Schlachtvieh wert ist. Abb.: oh
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