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Thema, Technik, Theorie - diesen drei "T"s widmet sich das Oldenbourg Geschichte Lehrbuch. In gut lesbaren und strukturierten Beiträgen werden einzelne Themen der Frühen Neuzeit dargestellt und auf eine theoretische Basis gestellt. Dabei wird nicht allein die Ereignisgeschichte berücksichtigt, sondern auch verschiedene Blickwinkel der Forschung, Arbeitsweisen der Forschung und Einrichtungen der Forschung in aller Welt. Die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens werden durch drei Technikexkurse vermittelt. Zeittafeln, Kurzbiographien, Abbildungen, Schaubilder, Detailskizzen und Stimmen aus…mehr

Produktbeschreibung
Thema, Technik, Theorie - diesen drei "T"s widmet sich das Oldenbourg Geschichte Lehrbuch. In gut lesbaren und strukturierten Beiträgen werden einzelne Themen der Frühen Neuzeit dargestellt und auf eine theoretische Basis gestellt. Dabei wird nicht allein die Ereignisgeschichte berücksichtigt, sondern auch verschiedene Blickwinkel der Forschung, Arbeitsweisen der Forschung und Einrichtungen der Forschung in aller Welt. Die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens werden durch drei Technikexkurse vermittelt. Zeittafeln, Kurzbiographien, Abbildungen, Schaubilder, Detailskizzen und Stimmen aus der Forschung stehen neben dem Haupttext der einzelnen Beiträge und sorgen für Anschaulichkeit.

Autorenporträt
Winfried Schulze, geboren 1942, ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2001

Kämme einen Exkurs hinein!
Ein Frühneuzeit-Lehrbuch nimmt die Historikerzunft in Sippenhaft

Wie der Begriff der "Frühen Neuzeit" entstanden ist, läßt sich nicht mehr ganz genau nachvollziehen. Er taucht zuerst in amerikanischen Publikationen auf; Anfang der fünfziger Jahre gelangte er in Peter Clarks "Early Modern Europe" erstmals zur Würde des Buchtitels. Synchron mit dem Aufstieg der Modernisierungstheorie stellte sich unter Historikern der Konsens ein, in der europäischen frühen Neuzeit ein "Musterbuch der Moderne" zu sehen und die Dynamik des wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritts im Europa der drei Jahrhunderte zwischen 1500 und 1800 wurzeln zu lassen, die von unserer eigenen Zeit durch die Epochenschwelle der industriellen und der politischen Revolution getrennt sind. Seit den sechziger Jahren mehrten sich deutsche Publikationen, die den Begriff - zunächst klein, bald auch groß geschrieben - im Titel trugen, es folgten Zeitschriften und Lehrstühle, seit kurzem sogar eine regelmäßige Konferenz der deutschen Frühneuzeithistoriker. Nun liegt eine Publikation vor, die als Lehrbuch für Studenten, Geschichtslehrer und akademische Historiker dienen soll.

Winfried Schulze, einer der herausragenden Frühneuzeithistoriker und derzeitiger Vorsitzender des Wissenschaftsrates, legt in seinem Geleitwort überzeugend dar, warum die Auseinandersetzung mit dieser Epoche lohnend ist. Damals seien alle grundlegenden Konflikte der Neuzeit - Kampf um Freiheit des Gewissens, Gleichheit der Menschen, Limitierung von Macht, die Wirkungen neuer Technik vom Buchdruck bis zur Dampfmaschine - zum ersten Mal exemplarisch ausgefochten worden. Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau hätten Konzepte gesellschaftlicher Ordnung entwickelt, die bis heute ihre Relevanz behalten haben. So ist es. Genau hier aber beginnen die Probleme des vorliegenden "Oldenbourg Geschichte Lehrbuchs": Die von Schulze angeführten Autoren kommen darin praktisch gar nicht vor, und die großen Konflikte gehen in der chaotischen Organisation des Werkes unter.

Die Historikerin Anette Völker-Rasor legt als Herausgeberin in ihrem Vorwort dar, daß Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit "wichtige Leitgedanken" bei der Entstehung des Buches gewesen seien. Ihre Darstellung des didaktischen Konzepts weckt jedoch die schlimmsten Befürchtungen: "Wer sich einen neuen Stoff aneignen will, sieht sich gleichsam mitten hineingestellt in ein fremdes Land, das es möglichst unbefangen zu erkunden gilt. Das unbekannte Gebiet umgibt einen wie ein Panorama, von dessen Mittelpunkt aus - an dem selbst man steht - sich die verschiedensten Wege auftun. Vier von vielen möglichen Wegen nun werden mit dem Werk eingeschlagen, wobei das Bild als solches schon deutlich macht, daß hier eine Wahl zugrunde liegt." Das Buch ist in vier "Blöcke" aufgeteilt (Phasen der Frühen Neuzeit, Zugänge, Vorgehen der Forschung, Institutionen). "In diese vier Teile nun werden - um hiermit das Kreisbild des Panoramas wieder zu verlassen und in die lineare Darstellung zurückzukehren - drei Exkurse gleichsam ,hineingekämmt'. Sie haben ein ausschließlich didaktisches Ziel, bedienen sich dabei aber der um sie herum behandelten Inhalte als Beispielmaterial." Genug der Stilblüten.

Die Macht der Presse

Wer sich bei derartiger Diktion an Zeigefingerpädagogik und das Wort zum Sonntag erinnert fühlt, liegt nicht völlig verkehrt. Dieses Buch läßt allen Ernstes die Frühe Neuzeit mit Martin Luthers 95 Thesen im Jahr 1517 beginnen! Ob man die Entstehung des Kapitalismus, religiöse und revolutionäre Unruhen, Erfindungen und Entdeckungen, den Prozeß der Staatsbildung und die Entstehung des Staatensystems oder die Anfänge der Globalisierung zum Parameter nimmt: Stets beginnen diese Prozesse lange vor dem Auftreten des sächsischen Reformators und haben nichts mit ihm zu tun. Dabei muß man nicht einmal an das orthodoxe, heidnische, häretische, jüdische und muslimische Europa oder an die nichteuropäischen Zivilisationen denken, es genügt ein Blick auf die lateinische Christenheit: Wurde nicht Luther bald von einer Delegation böhmischer Theologen aufgesucht, die ihn dazu beglückwünschten, daß er nach über hundert Jahren zur selben Lehre wie Jan Hus gefunden habe? Sicher, die lutherische Rechtfertigungslehre unterschied sich von der des böhmischen Reformators - aber kann man darauf eine Epoche gründen?

Amerikanische Wissenschaftler haben 1999 in einer Umfrage Johannes Gutenberg zum "man of the millennium" gewählt. Diese Wahl mag sich der Fernwirkung von Marshall McLuhans Schlagwort von der "Gutenberg-Galaxis" verdanken, dem Universum, in dem sich die Menschheit seit der Erfindung des Buchdrucks bis hin zum "elektronischen Zeitalter" bewegt habe. Doch auch jenseits dieser Interpretation spricht vieles dafür, den um 1450 erfundenen Buchdruck für eine bedeutsame Innovation, vielleicht die wichtigste des vergangenen Jahrtausends, zu halten, gemessen an ihren Fernwirkungen, welche die Wissenschaften, die Politik, die Religion und die Gesellschaft bis hinein in ihre Strukturen entscheidend verändert haben. Das "Musterbuch der Moderne" wurde durch den Buchdruck verbreitet, zunächst in Europa und später in der ganzen Welt. Gutenberg aber kommt, wenn das Register nicht trügt, in diesem Lehrbuch für die Geschichte der Frühen Neuzeit ebensowenig vor wie andere Heroen der Mediengeschichte, etwa Franz von Taxis, der Erfinder des Postwesens und damit gewissermaßen des "ersten Internet", oder Johann Carolus, der Erfinder der periodischen Presse. Die These, daß Gesellschaftsstrukturen von Medien determiniert werden, wird nicht einmal erwähnt.

Überhaupt, die liebe Theorie! Von einem Lehrbuch dürfte man ja erwarten, daß die wenigen anspruchsvolleren heuristischen Konzepte der Disziplin systematisch vorgestellt und diskutiert würden. Für einige Prozeßbegriffe (Sozialdisziplinierung, Konfessionalisierung, Pluralisierung, Globalisierung) ist dies auch tatsächlich der Fall. Andere hingegen, etwa Werner Sombarts Begriff des Frühkapitalismus, Max Webers Protestantismus-Kapitalismus-These, seine Rationalisierungsthese, die Herrschaftssoziologie et cetera, sucht man vergeblich. Wieder andere werden lediglich erwähnt (etwa Norbert Elias' Zivilisationstheorie) oder sind irgendwo versteckt, Immanuel Wallersteins "World Systems" beispielsweise in einem Kurzkapitel zur afrikanischen Geschichte.

Hinweise vom Zellennachbarn

"Modernisierung" wird als Begriff verwendet, aber die Modernisierungstheorie nicht als mächtiges Paradigma einer Nachbarwissenschaft kenntlich gemacht. Poststrukturalismus und "linguistic turn" werden in einem Kapitel zur Literaturwissenschaft begraben. Letztere gehört zusammen mit Volkskunde und Kunstgeschichte zu den Nachbarfächern, mit denen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit skizziert wird. Aus der Einleitung just dieses zweiten Teils des Buches geht jedoch hervor, daß die Autoren der "neuen Kulturgeschichte" Anregungen kaum von dort, sondern aus der Soziologie, der Ethnologie oder der Psychologie bezogen haben. Manche Disziplinen geraten - wie die Klima- und Umweltgeschichte - überhaupt nie ins Blickfeld, obwohl gerade das Konzept der "Kleinen Eiszeit" für die Frühe Neuzeit von entscheidender Bedeutung ist. Musik, Malerei und Architektur, das sei nur am Rande vermerkt, kommen überhaupt nicht vor, nach Palladio (und dem Palladianismus), Dürer oder Johann Sebastian Bach sucht man selbst im Abschnitt "Kunstgeschichte" so vergebens wie nach der Erfindung der Zentralperspektive. Begriffe wie Barock scheinen naturgegeben zu sein.

Das Lamento über die mit dieser Publikation verschenkten Möglichkeiten soll aber damit zunächst ein Ende haben, denn es gibt auch Positives zu vermelden. Eine Reihe hervorragender Autoren sind mit wertvollen Beiträgen in das Prokrustesbett der Gliederung eingesperrt worden, ohne daß ihre Namen im Inhaltsverzeichnis erscheinen. In "Block 3" etwa findet man die Zelle von Wolfgang Weber neben der von Karl Härter und Wolfgang Reinhard, um nur drei der annähernd dreißig Autoren namentlich zu erwähnen. Die in Niveau und Perspektive naturgemäß sehr unterschiedlichen Beiträge geben in der Regel eine brauchbare Einführung in ihren Gegenstand und ermöglichen durch Literaturangaben die eigene Weiterarbeit.

Der positivste Aspekt dieses Bandes ist die reiche Ausstattung mit reproduktionsfähigem Bildmaterial, das samt möglicher Interpretation der neueren Fachliteratur entnommen worden ist, etwa die Engelsvisionen des württembergischen Weinbauern Hans Keil aus den Forschungen des amerikanischen Historikers David Sabean. Indem sie an eher entlegener Stelle publizierte aussagekräftige Quellenfunde vor eine breitere Öffentlichkeit stellen, haben die Mitarbeiter und die Herausgeberin des Bandes eine echte Brückenfunktion zwischen Forschung und Lehre übernommen. Die "neuen Impulse innerhalb des Faches" kommen auf diese Weise tatsächlich zur Geltung und werden auf den Prüfstand gestellt. Diese Passagen des Buches laden zum Schmökern ein und rechtfertigen den Kauf. Informativ sind auch die sogenannten "Forschungsstimmen" und "Detailskizzen", die immer wieder als Kolumnen an den Rand der Seiten gestellt worden sind.

Bei der Darstellung der Forschungseinrichtungen ("Block 4") hat der Zufall den Pinsel geführt. Die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel wird angeführt, die sicher bedeutendere Bayrische Staatsbibliothek in München oder die Österreichische Nationalbibliothek in Wien nicht, von Paris oder London ganz zu schweigen. Das Deutsche Historische Institut in Washington fällt unter den Tisch, andere werden hingegen (Rom, Paris, London und Warschau) sogar mit dem Namen des Direktors genannt, wohl in der Hoffnung, daß nach jedem Personalwechsel das Lehrbuch eine neue Auflage erleben werde. Das Warburg Institute in London wird empfohlen, kunstgeschichtliche Einrichtungen in Florenz oder Rom hingegen nicht. Die amerikanische Frühneuzeithistoriographie wird keines Wortes gewürdigt, obwohl gerade von dort in den letzten fünfzig Jahren einige der originellsten Arbeiten den Alten Kontinent erleuchtet haben.

Die Herausgeberin sieht das vielleicht nicht so, denn die Tradition, mit welcher Geschichtsstudenten anhand der eingestreuten Historikerporträts vertraut gemacht werden sollen, zeugt von geistiger Enge. Hätten neben den nationalen Größen Gerhard Oestreich und Max Steinmetz nicht auch international einflußreichere Gelehrte wie Fernand Braudel oder Lucien Febvre Erwähnung verdient? Eine Unterscheidung und Gewichtung der historiographischen Traditionen der Frühneuzeitforschung dürfte den Lesern dieses Buches nicht leichtfallen. Insgesamt ist dieses Lehrbuch eine Monstergeburt und somit vielleicht der Frühen Neuzeit, nicht aber einer Einführung in dieselbe angemessen.

WOLFGANG BEHRINGER

Anette Völker-Rasor (Hrsg.): "Frühe Neuzeit". Mit einem Geleitwort von Winfried Schulze. Oldenbourg Geschichte Lehrbuch. Oldenbourg Verlag, München 2000. 507 S., geb., 69,- DM

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Behringers Rezension liest sich vor allem wie eine Mängelliste, auch wenn er selbst dies bisweilen bedauerlich zu finden scheint. Doch allzu viele Persönlichkeiten und Themen tauchen aus seiner Sicht in diesem Buch nur beiläufig oder auch überhaupt nicht auf: Gutenberg etwa, wichtige Thesen Sombarts oder Max Webers zum Kapitalismus, Norbert Elias, "Klima- und Umweltgeschichte", "Musik, Malerei und Architektur". Auch die Auswahl der erwähnten Bibliotheken findet Behringer fragwürdig: manche werden sogar mit Namen der Leiter aufgeführt, andere sehr bedeutende dagegen überhaupt nicht. Gleiches gilt nach Behringer für die Historikerporträts. Befremdlich scheint dem Rezensenten auch, dass die Frühe Neuzeit hier mit Luthers 95 Thesen anfängt, was ihm aus mancherlei Gründen inakzeptabel erscheint. Auch die gelegentliche Mischung zwischen "Zeigefingerpädagogik und Wort zum Sonntag" strapaziert ein wenig die Geduld des Rezensenten. Gut gefällt ihm hingegen die originelle Bebilderung des Bandes und deren Interpretationen. Hier kann Behringer eine "echte Brückenfunktion zwischen Forschung und Lehre" erkennen. Auch die `Forschungsstimmen` (als kleine Kolumnen jeweils am Seitenrand abgedruckt) findet der Rezensent recht aufschlussreich. Doch insgesamt ist Behringer skeptisch, ob der Band als Einführung in die Frühe Neuzeit tatsächlich seinen Zweck erfüllt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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