Früher gab es noch Tore, heute gibt es endlose Kommentare. Früher gab es Stehplätze, heute Sitzplätze, die sich nur Fußballer mit ihren Millionengagen leisten können (aber die kommen sowieso gratis rein). Die Couch vor dem Fernseher ist längst durch Public-Viewing-Plätze ersetzt worden, die Spieler mit ihren auffälligen Frisuren sind von ihren Gattinnen nicht mehr zu unterscheiden, und doch ist Fußball immer noch die wichtigste Nebensache der Welt und eine W- oder EM das Größte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2008Bananenflanke
Auch die literarischen Vorbereitungen für die Fußball-Europameisterschaft laufen auf Hochtouren. Soeben hat der Schweizer Kynikerverlag der Mannschaft des Gastgebers und Geheimfavoriten sein mit Spannung erwartetes Aufgebot gegenübergestellt. Es darf mit Fug hochkarätig genannt werden. Im Tor schreiben Vladimir Nabokov und Peter Handke, in der Abwehr Loriot, Friedrich Dürrenmatt, Ödön von Horváth und Urs Widmer, im Mittelfeld Manuel Vásquez Montalbán, Luciano De Crescenzo, Friedrich Torberg und Erich Hackl, im Angriff Maxim Biller, Martin Suter und Clemens Meyer. Javier Marías spielt den Teamchef, Nick Hornby den Hooligan, Dagmar Leupold die Fußball-Mutti und Sibylle Berg die Spielverderberin. Für einen Bruchteil der Kosten eines Tribünenplatzes gibt es alles, was das Fußballherz begehrt: wohltuenden Rasengeruch, Morast und Regen, krachende Schüsse, traumhafte Tore, böse Fouls, empörende Schiedsrichterentscheidungen, vergebene Elfmeter, Rudelbildung und Schlägereien, Jubel, Schmerz und Wut. Also alles, was geeignet ist, sich in "die wildesten Jahre der Kindheit" zurückzuversetzen und sich wie Albert Camus mit dem Ball am Fuß "wie der König des Hofs und des Lebens" zu fühlen. Überflüssig in der packenden Partie ist nur die abgestandene Warnung "vor dem Gebrauch des Fußballwahns". ("Früher waren mehr Tore". Hinterhältige Fußballgeschichten. Ausgewählt von Daniel Kampa und Winfried Stephan. Diogenes Verlag, Zürich 2008. 302 S., br., 9,90 [Euro].) fap
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auch die literarischen Vorbereitungen für die Fußball-Europameisterschaft laufen auf Hochtouren. Soeben hat der Schweizer Kynikerverlag der Mannschaft des Gastgebers und Geheimfavoriten sein mit Spannung erwartetes Aufgebot gegenübergestellt. Es darf mit Fug hochkarätig genannt werden. Im Tor schreiben Vladimir Nabokov und Peter Handke, in der Abwehr Loriot, Friedrich Dürrenmatt, Ödön von Horváth und Urs Widmer, im Mittelfeld Manuel Vásquez Montalbán, Luciano De Crescenzo, Friedrich Torberg und Erich Hackl, im Angriff Maxim Biller, Martin Suter und Clemens Meyer. Javier Marías spielt den Teamchef, Nick Hornby den Hooligan, Dagmar Leupold die Fußball-Mutti und Sibylle Berg die Spielverderberin. Für einen Bruchteil der Kosten eines Tribünenplatzes gibt es alles, was das Fußballherz begehrt: wohltuenden Rasengeruch, Morast und Regen, krachende Schüsse, traumhafte Tore, böse Fouls, empörende Schiedsrichterentscheidungen, vergebene Elfmeter, Rudelbildung und Schlägereien, Jubel, Schmerz und Wut. Also alles, was geeignet ist, sich in "die wildesten Jahre der Kindheit" zurückzuversetzen und sich wie Albert Camus mit dem Ball am Fuß "wie der König des Hofs und des Lebens" zu fühlen. Überflüssig in der packenden Partie ist nur die abgestandene Warnung "vor dem Gebrauch des Fußballwahns". ("Früher waren mehr Tore". Hinterhältige Fußballgeschichten. Ausgewählt von Daniel Kampa und Winfried Stephan. Diogenes Verlag, Zürich 2008. 302 S., br., 9,90 [Euro].) fap
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