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Sie treffen sich zufällig in einer New Yorker Frühstücksbar: Nelly und Max sind alte Bekannte. Vor langer Zeit haben sie in Berlin einmal zusammengewohnt. Nelly war die Lebenspartnerin des Vaters von Max. Sie lassen die Vergangenheit Revue passieren und erzählen von damals - von der Altbau-Wohnung direkt neben dem Bordell, von den aufregenden siebziger Jahren und der nächtlichen Flucht Nellys aus der gemeinsamen Wohnung. Schließlich führt die Reise in die Vergangenheit wieder zurück in die Gegenwart: Nach dem Wiedersehen macht sich Nelly noch einmal auf den Weg, um Max zu besuchen...

Produktbeschreibung
Sie treffen sich zufällig in einer New Yorker Frühstücksbar: Nelly und Max sind alte Bekannte. Vor langer Zeit haben sie in Berlin einmal zusammengewohnt. Nelly war die Lebenspartnerin des Vaters von Max. Sie lassen die Vergangenheit Revue passieren und erzählen von damals - von der Altbau-Wohnung direkt neben dem Bordell, von den aufregenden siebziger Jahren und der nächtlichen Flucht Nellys aus der gemeinsamen Wohnung. Schließlich führt die Reise in die Vergangenheit wieder zurück in die Gegenwart: Nach dem Wiedersehen macht sich Nelly noch einmal auf den Weg, um Max zu besuchen...
Autorenporträt
Ulrike Kolb, geb. 1942, lebt als freie Schriftstellerin in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Alle Kommunarden an einen Tisch
Die lange Dauer in den Wohngemeinschaften: Ulrike Kolbs Roman "Frühstück mit Max" / Von Walter Hinck

Die Erinnerung kommt nicht über Schleichpfade, nicht auf Samtpfoten. Sie kommt wie ein Überfall, als sich im New Yorker Lokal "Space Untitled" eine Frau und ein Mann wieder erkennen, die vor Jahren in einer Berliner Wohngemeinschaft zusammenlebten und sich aus den Augen verloren haben. Nelly ist zum ersten Mal in New York; eine Freundin hat ihr vorübergehend ihr Appartement überlassen. Max arbeitet in einem New Yorker Architekturbüro, ist mit einer Amerikanerin verheiratet und hat mit ihr eine Tochter. Das überraschende Wiedersehen stößt Erinnerungsschübe an, die im ersten Teil des Romans von Nellys Perspektive, im zweiten von Max' Perspektive gesteuert werden. Der Roman schließt mit einer Art von Epilog der Erzählerin Nelly.

Wohngemeinschaft in den späten sechziger und in den siebziger Jahren - das hat in Berlin zumeist auch mit Kommune zu tun, mit den Idealen, Utopien und Illusionen einer buntscheckigen Linken, die schon einen Vorschuss auf das kommende Gesellschaftsparadies nimmt. Auch in der Siebenzimmerwohnung in der Mommsenstraße bezieht man sein Weltbild vorwiegend aus theoretischen Schriften. Hier fühlt man sich den Prostituierten in der unteren Etage als outcast verwandt und hält die Ehe für eine andere, nämlich staatlich anerkannte Form der Prostitution. Als Ikone haben sich diese Unangepassten Rosa Luxemburg gewählt. Das Fahrrad ist nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Vehikel einer Weltanschauung, denn das Auto gilt als "luftverpestendes Objekt fehlgeleiteter Libido" und als "Symbol des Kapitalismus schlechthin".

Theoriewidrige Erfahrungen hebelt man mit Dialektik aus. Atomkraftwerke der kommunistischen Staaten sind selbstverständlich sicherer als die des Kapitalismus - als sich der schwere Störfall in Tschernobyl ereignet, ist man nicht um das Argument verlegen, dass ja die Sowjetunion gar nicht kommunistisch sei. Und man mag auch die "Genossen von drüben" nicht; die Berliner Mauer ist ein Schutzwall "vor den röhrenden Hirschen des Sozialismus". Das kann freilich die Wohngemeinschaft nicht daran hindern, bei "Intourist" billige Reisen ans Schwarze Meer zu buchen. So führt die Flucht aus der Anpassung geradewegs in die Anpassung an eine doppelte Moral. Die Wohngemeinschaft geht nicht den Weg, den die Kommunarden Teufel und Langhans gingen, nicht den Weg in die Polit-Clownerie, in die völlige Theatralisierung der Revolution. Sie fällt am Ende einfach auseinander.

Was sich aus den Gesprächen und Erinnerungen der beiden Erzählerfiguren kristallisiert, ist kein nostalgisches Bild einer jugendfrischen Aufbruchszeit. Hier wird auch keine Schwärmerei nach Art der "Alte Kameraden"-Mentalität bloß umgepolt. Aber es findet auch keine Abrechnung statt, kein Selbstgericht, in das sich so leicht büßerische Heuchelei einschleicht. Die Jahre in der Wohngemeinschaft, so "irre" sie den beiden jetzt erscheinen, sind im Rückblick weder Anlass zum Stolz noch zur Scham, weil beide unter den Außenseitern im Geheimen ihrerseits Außenseiter blieben oder dazu wurden.

Nelly, in einer frommen Anstalt, einem pietistischen Internat im Schwarzwald, erzogen, mag in den Ideen und in der Nestwärme der Wohngemeinschaft Entschädigung für jene religiöse Brüderlichkeit gesucht haben, der sie entlaufen ist. Aber ihr mangelt es in den Augen der anderen an Sattelfestigkeit in Ideologie und revolutionärer Dialektik. Vor allem steht sie, da sie einen Ehemann verlassen hat, der sie zur Abtreibung zwang, in Verdacht, nun den Sohn ihres Geliebten als ersatzweises mütterliches "Lustobjekt" zu benutzen.

Ebendieser "Stiefsohn" ist Max. Er kehrte nach der Ferienarbeit in einem israelischen Kibbuz als Abtrünniger in die Wohngemeinschaft der Mommsenstraße zurück. Ihn trifft Nelly nach ihrer Trennung von seinem Vater und nach erneuter Heirat noch einmal bei der Einrichtung ihrer Berliner Wohnung. Und seit dieser Begegnung verbindet beide ein erotisches Geheimnis, das weder die Ich-Erzählerin Nelly noch der Ich-Erzähler Max ganz lüften.

Auffällig ist die Konturlosigkeit der Stadt Berlin. Vom Teach-in, Die-in, Sleep-in und von der Demo ist die Rede, ohne dass auch ein Schauplatz sichtbar würde. Die Mommsenstraße könnte in jeder anderen deutschen Großstadt liegen. Vom Atmosphärischen der geteilten Stadt, deren Westhälfte zur Bühne eines Straßentheaters der Revolte wird, ist wenig spürbar. Die Metropole New York mit ihren Panoramen, mit ihren großen Brücken, dem Hudson-Ufer, dem Central Park oder dem Times Square gewinnt weitaus mehr Realität. Andererseits lässt die Spannung in den New-York-Partien nach; die Romanhandlung droht manchmal zu zerbröseln.

Doch ist in die Chronik der Berliner Wohngemeinschaft, die mit ihren Reflexen politischer Zeitgeschichte aus den Erinnerungsfragmenten der beiden Erzähler entsteht, ebendas Kammerspiel jener Zweierbeziehung eingelassen, die sich zwischen Mutter-Kind- und erotischem Verhältnis bewegt. Wie Max im Stallgeruch der Zimmer, in denen die Menschen die Wohngemeinschaft mit vielen Tieren teilen, wie er an der lockeren Leine der antiautoritären Erziehung aufwächst, wie er zwischen der leiblichen Mutter, die in einem anderen Stadtteil wohnt, und ihrer Stellvertreterin Nelly hin- und hergerissen wird, wie sich in ihm, dem anarchistischen Treiben der Wohngemeinschaft zum Trotz, ein Sinn für Genauigkeit entwickelt, der ihn später das Architekturstudium wählen lässt, wie er aus einer illusionären in die wirkliche Welt hineinwächst - das wird in einer Sprache erzählt, die so unprätentiös und luftig wirkt, dass der Leser das kunstvolle Understatement kaum bemerkt. Eindringlich werden in den Erinnerungen beider Erzähler die Farben, Gerüche und Stimmungen früherer Situationen wieder gegenwärtig. In solchen Teilen des Romans ist Ulrike Kolb in ihrem Stil schwerelosen Erzählens, den die Kritik schon an ihrer früheren Prosa erkannte, noch sicherer geworden.

Ulrike Kolb: "Frühstück mit Max". Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2000. 198 S., geb., 36,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nelly und Max, der Sohn ihres früheren Geliebten, treffen sich zufällig in New York und erinnern sich, jeder aus seiner Perspektive erzählend, an die Zeit, in der sie - in angedeutetem erotischem Verhältnis - in West-Berlin in einer Wohngemeinschaft zusammenlebten. So wenig Verständnis Walter Hinck auch für die "Illusionen einer buntscheckigen Linken" hat, so gefällt ihm doch, dass die Autorin aus den Erinnerungen der beiden keine büßerisch-heuchlerische Abrechnung gemacht hat, sondern mit leicht wirkender Sprache ihren Protagonisten das Erzählen überlässt. Dann wieder stört er sich allerdings an der "Konturlosigkeit der Stadt Berlin" in ihrem Text - und noch an manch anderem. So richtig Lust aufs Lesen macht er einem eigentlich nicht.

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