"Mit "Fuchsleuchten" schreibt Paulus Böhmer sein Werk fort, ein lyrisches Werk, das ein einziges großes Buch Gedichte bildet, alle Gedichtbücher ein einziges Buch, alle Gedichte ein einziges Gedicht. Das nicht enden will.Paulus Böhmers Gedichte sind nicht genügsam, sie sind lang. Gern über zehn Seiten hinweg fließt der Wortstrom und wird zu einer "Form des Atmens" (Thomas Hettche). Und er wird zu Klang: Böhmers Gedichte sind nach musikalischen Vorgaben konstruierte symphonische Gefüge. In ihnen findet sich tiefste Trauer und immer Trotz und Zärtlichkeit. Paulus Böhmer: "Wenn ich mir einen Gott aussuchen könnte, wäre es Eros. Und wenn es ihn gäbe, wäre er in meinen Gedichten: In der leidenschaftlichen Zuwendung an die Welt (und die Menschen, so furchtbar sie oft auch sind).""Was diese Lyrik im deutschsprachigen Raum so einzigartig macht, sind eben nicht Weltverneinung und Depression, sondern ihre wenn auch oft bittere Hingabe ans Leben. Dem entspricht auf der Materialseite ein entschiedener Zug zur Fülle. In der Ästhetik nennt man, was uns Lust verschafft, Schönheit. Die Böhmersche Lyrik ist ein langer, sicherlich wütender, gewiß auch trauriger, stets aber massiv strömend-schöner Gesang. 'Die Götter wirken Ungemach, damit die Menschen etwas zu singen haben', heißt es bei Homer." (Alban Nikolai Herbst)"
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2004Zucker in der Weltmaschine
Heute stellt Paulus Böhmer "Fuchsleuchten" im Literaturhaus vor
"Und das Denken nimmt kein Ende und nimmt / alle Fäden, Fäden wieder auf": So ähnlich ist es auch mit dem neuen Gedichtband "Fuchsleuchten" des Frankfurter Lyrikers Paulus Böhmer, den er heute abend um 20 Uhr im Frankfurter Literaturhaus vorstellt. Zwei Jahre nachdem er den gewaltigen Gedichtzyklus "Kaddish I-X" veröffentlicht hat, ist nun ein zweiter Band mit Lyrik bei Schöffling erschienen, die einen ganz eigenen Ton entfaltet.
"Relativ anstrengend" sei das mit dem Gedichteschreiben, sagt der 1936 in Berlin geborene Böhmer. Aber seit zwei Jahren hat der Begründer des Hessischen Literaturbüros, das er von 1985 an leitete, mehr Zeit für diesen eigentlichen Hauptberuf: Damals gab er die Leitung in die Hände von Werner Söllner, wenn er auch heute noch der Institution verbunden ist, mit Rat, aber auch mit Gutachten und Referaten bei verschiedenen Veranstaltungen. Damals hat er notfalls auch bis tief in die Nacht an seiner Lyrik gearbeitet, in der sich auch das vielfältige Interesse Böhmers spiegelt. Denn nicht nur Literaturbüro-Leiter und Lektor ist er schon gewesen, sondern auch Werbetexter, Industriekaufmann und Stauden- und Ziergraszüchter. "Ein schöner Beruf", den er früher, als er noch auf dem Land ansässig war, ausgeübt hat. Dieses Wissen schlägt sich nieder in den Namen seltener Pflanzen, die selbst schon Poesie zu sein scheinen und die vor allem in dem spielerischen "NahBlütenNah", einem der soeben erschienenen sechs Gedichte, zu entdecken sind: Campanula (Glockenblume), Lolch und Malven werden darin unter anderem besungen.
"Zucker in der Weltmaschine", "KopfmeinKopf" oder "Wassermusik" lauten die Titel von Böhmers neuen Gedichten, die lange Satzfäden zu einem dichten Teppich verweben, der den Leser fordert: Antike Frauengestalten kreuzen den Weg, dann saust es in die Kunsttheorie, in die Bilder Lucian Freuds und in barocke Opulenz, von dort zurück in Straßenszenen und in Bilder, die an die Höllengemälde der Frührenaissance erinnern.
Daß sich Böhmer auch mit den derzeitigen Debatten der Hirn- und der Genforschung auseinandersetzt, ist vor allem dem ersten Gedicht, dem immerhin 24 Seiten langen "Zucker in der Weltmaschine oder: Ich bin Botticelli" anzumerken, das Böhmer heute vortragen möchte. Zuvor wird sein Autorenkollege Thomas Hettche, den er seit Jahren kennt und mit dem er schon mehrmals gemeinsam gelesen hat, eine Einführung halten.
EVA-MARIA MAGEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Heute stellt Paulus Böhmer "Fuchsleuchten" im Literaturhaus vor
"Und das Denken nimmt kein Ende und nimmt / alle Fäden, Fäden wieder auf": So ähnlich ist es auch mit dem neuen Gedichtband "Fuchsleuchten" des Frankfurter Lyrikers Paulus Böhmer, den er heute abend um 20 Uhr im Frankfurter Literaturhaus vorstellt. Zwei Jahre nachdem er den gewaltigen Gedichtzyklus "Kaddish I-X" veröffentlicht hat, ist nun ein zweiter Band mit Lyrik bei Schöffling erschienen, die einen ganz eigenen Ton entfaltet.
"Relativ anstrengend" sei das mit dem Gedichteschreiben, sagt der 1936 in Berlin geborene Böhmer. Aber seit zwei Jahren hat der Begründer des Hessischen Literaturbüros, das er von 1985 an leitete, mehr Zeit für diesen eigentlichen Hauptberuf: Damals gab er die Leitung in die Hände von Werner Söllner, wenn er auch heute noch der Institution verbunden ist, mit Rat, aber auch mit Gutachten und Referaten bei verschiedenen Veranstaltungen. Damals hat er notfalls auch bis tief in die Nacht an seiner Lyrik gearbeitet, in der sich auch das vielfältige Interesse Böhmers spiegelt. Denn nicht nur Literaturbüro-Leiter und Lektor ist er schon gewesen, sondern auch Werbetexter, Industriekaufmann und Stauden- und Ziergraszüchter. "Ein schöner Beruf", den er früher, als er noch auf dem Land ansässig war, ausgeübt hat. Dieses Wissen schlägt sich nieder in den Namen seltener Pflanzen, die selbst schon Poesie zu sein scheinen und die vor allem in dem spielerischen "NahBlütenNah", einem der soeben erschienenen sechs Gedichte, zu entdecken sind: Campanula (Glockenblume), Lolch und Malven werden darin unter anderem besungen.
"Zucker in der Weltmaschine", "KopfmeinKopf" oder "Wassermusik" lauten die Titel von Böhmers neuen Gedichten, die lange Satzfäden zu einem dichten Teppich verweben, der den Leser fordert: Antike Frauengestalten kreuzen den Weg, dann saust es in die Kunsttheorie, in die Bilder Lucian Freuds und in barocke Opulenz, von dort zurück in Straßenszenen und in Bilder, die an die Höllengemälde der Frührenaissance erinnern.
Daß sich Böhmer auch mit den derzeitigen Debatten der Hirn- und der Genforschung auseinandersetzt, ist vor allem dem ersten Gedicht, dem immerhin 24 Seiten langen "Zucker in der Weltmaschine oder: Ich bin Botticelli" anzumerken, das Böhmer heute vortragen möchte. Zuvor wird sein Autorenkollege Thomas Hettche, den er seit Jahren kennt und mit dem er schon mehrmals gemeinsam gelesen hat, eine Einführung halten.
EVA-MARIA MAGEL
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Fulminant! Was Paulus Böhmer dichtet, so Sibylle Cramer, hat nichts mit lyrischer Feinmechanik zu tun, ist nicht filigran gedrechselt und nicht unangreifbar. Sondern ausschweifend, übervoll, taumelnd - ein poetischer "Vulkanausbruch", der seine Bilderlava nicht nur auf die Standards lyrischer Form ergießt, sondern auch - Bataille ist Vorbild - auf religiöse Moral und das "Verbot des Denkens der Gewalt". Ein Rausch des Schreibens und Lesens, ein Exzess von Worten und Bildern, von nackter Leidenschaft und Perversion. Und jeder kommt vor, "Schweineschicksen" und "Halsumdreher", Fettsack Elvis und Pol Pot. Manchmal funktionieren sie nicht, die Bilder, doch das fällt kaum ins Gewicht. Fazit: "Ein maßloses unbändiges zügelloses Buch, herrlich abscheulich, herzhaft obszön, leidenschaftlich mitleidend und durchaus gelegentlich absturzgefährdet, eine entschlossen verwilderte Ausschweifung."
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Das Ziel von Böhmers Lyrik ist die Vergegenwärtigung von Totalität, ihre wahre Stärke aber liegt im Blick auf Details."Christoph Haas, Süddeutsche Zeitung"Herrlich abscheulich, herzhaft obszön, leidenschaftlich mitleidend und durchaus gelegentlich absturzgefährdet, eine entschlossen verwilderte Ausschweifung."Sibylle Cramer, Frankfurter Rundschau"Ein literarisches Ereignis."Paul Kersten, NDR"Am besten sind Böhmers Gedichte, wenn er die Sprachsteine mit harten Schnitten bearbeitet. Dann gleichen sie tatsächlich für Momente 'Kristallmassiven von großer Selbstverständlichkeit'."Nico Bleutge, Der Tagesspiegel"