Moderne Managementkonzepte zeigen überraschende Parallelen zu nationalsozialistischen Vorstellungen. In seinem neuen Buch argumentiert Stefan Kühl, dass diese Ähnlichkeiten nicht auf personalen Kontinuitäten vom NS-Staat zur Bundesrepublik beruhen. Gerade prominente Nationalsozialisten, die den Führungsdiskurs in der Nachkriegszeit prägten, mussten darauf achten, nicht mit der NS-Ideologie in Verbindung gebracht zu werden. Heutige Verfechter einer sinnstiftenden Zweckausrichtung, starken Gemeinschaft und transformationalen Führung haben keine Sympathien für die Idee einer rassisch homogenen Volksgemeinschaft. Aber sie ignorieren die Wurzeln zentraler Managementprinzipien und übersehen, wie stark sie Konzepte propagieren, die bereits von Nationalsozialisten vertreten wurden.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Ein kluges Buch über historische Kontinuitäten und Brüche hat Stefan Kühl dem Rezensent Jens Balzer zufolge geschrieben. Es geht unter anderem um die Frage, was die Rede von Leadership und Gemeinschaft in der Managementtheorie mit dem Hitler'schen Führerkult und dessen Bezug auf eine Volksgemeinschaft zu tun haben könnte. Konkretisieren lässt sich die Frage laut Kühl mit Blick auf die Biografie Reinhard Höhns, der in der NS-Zeit ein führender Staatsrechtler war und in den 1950er Jahren zum wichtigsten bundesrepublikanischen Ausbilder von Führungspersonal in der Wirtschaft avancierte, lernt der Rezensent. Höhn konnte sich offensichtlich an die neue Zeit anpassen, aber heißt das, dass seine Gedanken zum Management nur nationalsozialistischer Wein in demokratischen Schläuchen war? Kühls Antwort darauf lautet: Nein, das gerade nicht, referiert der Kritiker, denn Höhns "Harzburger Modell" betonte gerade, wie wichtig Regeln und Eigenverantwortung im Bereich der Personalführung waren. Mit Naziideologie sei das keineswegs kompatibel. Kühl argumentiert klug und differenziert, lobt Balzer, der Kühns Gedanken über die opportunistische Wandelbarkeit ideologischer Überzeugungen gern in die Gegenwart fortgeschrieben gelesen hätte, so aktuell findet er das Thema.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Der Soziologe fragt nicht nach Schuld und Verantwortung, stattdessen beschreibt er, wie der Laden läuft. Lernen lässt sich daraus nicht nur, dass vermeintlich einfache Geschichten manchmal kompliziert sind. Sondern auch, dass Managementlehren zuweilen einer Logik unterworfen sind, die wenig mit Unternehmensführung, aber viel mit Geschichte und Politik zu tun haben.« Thomas Steinfeld Süddeutsche Zeitung 20250402