Der Tod ist das größte Rätsel unserer Existenz. Wir kennen ihn nicht, doch unser ganzes Leben steht in seinem dunklen Schatten. François Chengs philosophisch- poetische Meditationen schöpfen aus den Quellen der westlichen und fernöstlichen Traditionen, um eine neue Sicht einzuüben - eine Sicht, in der der Tod nicht mehr das endgültige Scheitern bedeutet und wir das Leben erst in seiner Schönheit begreifen.
"Ich sollte eigentlich jung sterben und habe letzten Endes sehr lange gelebt." François Cheng, der seine chinesische Heimat kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verließ, hat den Tod früh kennengelernt. Sein Buch ist so demütig, wie seine Gedanken frei von Furcht sind. Ein ewiges Leben können wir uns im Grunde nicht vorstellen. Ihm würde nicht nur das Bewusstsein des Todes fehlen, sondern zugleich alles, was uns das Leben kostbar macht. Anstatt den Tod von der Seite des Lebens aus wie ein Schreckgespenst anzustarren, sollten wir daher das Leben von der anderen Seite, von unserem Tod aus, betrachten. Erst dann kann es uns gelingen, uns dem Leben in seiner Fülle offen zuzuwenden. Chengs Betrachtungen sind eine sanfte und doch unwiderstehliche Einladung, diese Wende zu vollziehen: Ein ost-westliches Trostbuch von großer Lebensweisheit.
"Ich sollte eigentlich jung sterben und habe letzten Endes sehr lange gelebt." François Cheng, der seine chinesische Heimat kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verließ, hat den Tod früh kennengelernt. Sein Buch ist so demütig, wie seine Gedanken frei von Furcht sind. Ein ewiges Leben können wir uns im Grunde nicht vorstellen. Ihm würde nicht nur das Bewusstsein des Todes fehlen, sondern zugleich alles, was uns das Leben kostbar macht. Anstatt den Tod von der Seite des Lebens aus wie ein Schreckgespenst anzustarren, sollten wir daher das Leben von der anderen Seite, von unserem Tod aus, betrachten. Erst dann kann es uns gelingen, uns dem Leben in seiner Fülle offen zuzuwenden. Chengs Betrachtungen sind eine sanfte und doch unwiderstehliche Einladung, diese Wende zu vollziehen: Ein ost-westliches Trostbuch von großer Lebensweisheit.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Florian Welle sieht dieses Buch des 86-jährigen chinesisch-französischen Romanciers, Lyrikers und Kalligrafen Francois Cheng als größten denkbaren Gegensatz zu Elias Canettis "Das Buch gegen den Tod". Während Canetti gegen den Tod protestierte, sehe Cheng in leicht skizzierenden Weise - weder esoterisch noch schulphilosophisch - das Leben vom Tod aus und knüpfe dabei an seine "Fünf Meditationen über die Schönheit an, die ihn auch in Deutschland bekannt machten. "Es geht um den Eros, die Schönheit, das Böse", so Welle - also eigentlich um alles. Dass Cheng in der letzten Meditation lyrisch spreche, scheint ihm dabei folgerichtig: Wie anders soll man über etwas reden, worüber man nicht reden kann?
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2016Abenteuer Tod
Neue Meditationen des Lyrikers
und Kalligrafen François Cheng
Zwei Bücher über den Tod, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Schon der Titel von Elias Canettis „Das Buch gegen den Tod“ (Fischer Taschenbuch) bringt die Todfeindschaft des Nobelpreisträgers auf den Punkt, der Tod war für Canetti eine Zumutung, also hieß es ihn beschimpfen. Ganz anders François Cheng. In den „Fünf Meditationen über den Tod und über das Leben“ umarmt der chinesische Romancier, Lyriker und Kalligraf den Tod, begreift den Tod als Erfüllung des Seins. Wie bei Canetti ist also auch bei ihm der Buchtitel Programm. Die Meditationen über den Tod und das Leben erweisen sich als Feier der menschlichen Existenz. „Es gibt nur ein einziges Abenteuer: das des Lebens.“
François Cheng kam im Alter von 19 Jahren nach Frankreich. Seit 2002 ist er Mitglied der Académie française. Heute ist Cheng 86 Jahre alt. Sein jüngstes Buch kann man als Summe eines erfüllten Lebens betrachten. Und als Ergänzung der „Fünf Meditationen über die Schönheit“, mit denen Cheng vor einigen Jahren auch hierzulande einem breiteren Publikum bekannt wurde. Wie schon damals, so gehen auch die „Fünf Meditationen über den Tod und über das Leben“ auf Vorträge zurück, die er vor „lieben Freunden“ hielt, ehe sie niedergeschrieben wurden. Der Ton, der Chengs Nachsinnen bestimmt, ist ein freundlicher und liebenswürdiger. Spirituell ist er auch. Eines ist er aber sicher nicht: esoterisch.
Cheng verbindet westliches und östliches Denken. Er ist ebenso geprägt von der Phänomenologie eines Maurice Merleau-Ponty wie vom Zen oder vom Taoismus. Leere wird bei diesen zur Fülle, die wieder zur Leere zurückkehrt, und immer so fort. Wer einfache Carpe-diem-Wahrheiten vermittelt bekommen möchte, wird hier enttäuscht. Enttäuscht wird aber auch der, der strenge Schulphilosophie erwartet. Gerne zieht Cheng zur Unterstützung seiner Argumentation Schriftsteller heran. Rimbaud etwa, aber auch den durch Kalenderweisheiten etwas ramponierten Rilke, bei dem es im „Buch von der Armut und vom Tode“ heißt: „Denn wir sind nur die Schale und das Blatt / Der große Tod, den jeder in sich hat / das ist die Frucht, um die sich alles dreht.“ In der fünften und letzten Meditation lässt François Cheng konsequenterweise nur mehr seine eigenen Gedichte sprechen. Die Fortsetzung des Denkens mit den Mitteln der Poesie.
Jede Meditation hat ein Generalthema. Es geht um den Eros, die Schönheit, das Böse. Zugrunde liegt jeder ein von Cheng eingangs sorgsam entfalteter Perspektivenwechsel. Er ist grundlegender Natur. Cheng betrachtet das Leben vom Tod aus, anstatt den Tod als das Ende anzusehen, auf das der Mensch, kaum dass er seinen ersten Atemzug macht, zugeht: „. . . im Voraus seinen eigenen Tod aufsuchen, heißt die Quelle des Lebens aufsuchen, heißt im weiteren Verlauf den URSPRUNG aufsuchen, von dem das undenkbare Abenteuer ausging, das aus dem NICHTS das GANZE erscheinen ließ.“ Für den ein oder anderen mag dieser Wechsel der Blickrichtung ungewohnt sein, unangenehm vielleicht auch. Der Mensch verdrängt nun mal den eigenen Tod am liebsten. Für Cheng hingegen erwächst aus dem Bewusstsein des Todes zu allererst „die Idee von der Sakralität des Lebens“. Den Tod denken heißt für ihn, das Leben denken.
FLORIAN WELLE
François Cheng: Fünf Meditationen über den Tod und über das Leben. Aus dem Französischen von Thomas Schultz. C. H. Beck Verlag, München 2015. 170 Seiten, 16,95 Euro. E-Book 13,99 Euro.
„Der große Tod“, sagt Rilke, „die
Frucht, um die sich alles dreht.“
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Neue Meditationen des Lyrikers
und Kalligrafen François Cheng
Zwei Bücher über den Tod, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Schon der Titel von Elias Canettis „Das Buch gegen den Tod“ (Fischer Taschenbuch) bringt die Todfeindschaft des Nobelpreisträgers auf den Punkt, der Tod war für Canetti eine Zumutung, also hieß es ihn beschimpfen. Ganz anders François Cheng. In den „Fünf Meditationen über den Tod und über das Leben“ umarmt der chinesische Romancier, Lyriker und Kalligraf den Tod, begreift den Tod als Erfüllung des Seins. Wie bei Canetti ist also auch bei ihm der Buchtitel Programm. Die Meditationen über den Tod und das Leben erweisen sich als Feier der menschlichen Existenz. „Es gibt nur ein einziges Abenteuer: das des Lebens.“
François Cheng kam im Alter von 19 Jahren nach Frankreich. Seit 2002 ist er Mitglied der Académie française. Heute ist Cheng 86 Jahre alt. Sein jüngstes Buch kann man als Summe eines erfüllten Lebens betrachten. Und als Ergänzung der „Fünf Meditationen über die Schönheit“, mit denen Cheng vor einigen Jahren auch hierzulande einem breiteren Publikum bekannt wurde. Wie schon damals, so gehen auch die „Fünf Meditationen über den Tod und über das Leben“ auf Vorträge zurück, die er vor „lieben Freunden“ hielt, ehe sie niedergeschrieben wurden. Der Ton, der Chengs Nachsinnen bestimmt, ist ein freundlicher und liebenswürdiger. Spirituell ist er auch. Eines ist er aber sicher nicht: esoterisch.
Cheng verbindet westliches und östliches Denken. Er ist ebenso geprägt von der Phänomenologie eines Maurice Merleau-Ponty wie vom Zen oder vom Taoismus. Leere wird bei diesen zur Fülle, die wieder zur Leere zurückkehrt, und immer so fort. Wer einfache Carpe-diem-Wahrheiten vermittelt bekommen möchte, wird hier enttäuscht. Enttäuscht wird aber auch der, der strenge Schulphilosophie erwartet. Gerne zieht Cheng zur Unterstützung seiner Argumentation Schriftsteller heran. Rimbaud etwa, aber auch den durch Kalenderweisheiten etwas ramponierten Rilke, bei dem es im „Buch von der Armut und vom Tode“ heißt: „Denn wir sind nur die Schale und das Blatt / Der große Tod, den jeder in sich hat / das ist die Frucht, um die sich alles dreht.“ In der fünften und letzten Meditation lässt François Cheng konsequenterweise nur mehr seine eigenen Gedichte sprechen. Die Fortsetzung des Denkens mit den Mitteln der Poesie.
Jede Meditation hat ein Generalthema. Es geht um den Eros, die Schönheit, das Böse. Zugrunde liegt jeder ein von Cheng eingangs sorgsam entfalteter Perspektivenwechsel. Er ist grundlegender Natur. Cheng betrachtet das Leben vom Tod aus, anstatt den Tod als das Ende anzusehen, auf das der Mensch, kaum dass er seinen ersten Atemzug macht, zugeht: „. . . im Voraus seinen eigenen Tod aufsuchen, heißt die Quelle des Lebens aufsuchen, heißt im weiteren Verlauf den URSPRUNG aufsuchen, von dem das undenkbare Abenteuer ausging, das aus dem NICHTS das GANZE erscheinen ließ.“ Für den ein oder anderen mag dieser Wechsel der Blickrichtung ungewohnt sein, unangenehm vielleicht auch. Der Mensch verdrängt nun mal den eigenen Tod am liebsten. Für Cheng hingegen erwächst aus dem Bewusstsein des Todes zu allererst „die Idee von der Sakralität des Lebens“. Den Tod denken heißt für ihn, das Leben denken.
FLORIAN WELLE
François Cheng: Fünf Meditationen über den Tod und über das Leben. Aus dem Französischen von Thomas Schultz. C. H. Beck Verlag, München 2015. 170 Seiten, 16,95 Euro. E-Book 13,99 Euro.
„Der große Tod“, sagt Rilke, „die
Frucht, um die sich alles dreht.“
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