Wie eine Oper...
1902. Jörg Jäger, der sich den Namen Jorge Jega gegeben hat und aus Deutschland nach Südamerika geflüchtet ist, versucht hungrig und verzweifelt in Buenos Aires eine Anstellung als Klavierlehrer zu finden. Der Fabrikant Don Alameda stellt ihn für seine 17-jährige Tochter Francisca
ein, die sich alsbald viel lieber darauf konzentriert, Jorge zu verführen als sich dem Klavierspiel…mehrWie eine Oper...
1902. Jörg Jäger, der sich den Namen Jorge Jega gegeben hat und aus Deutschland nach Südamerika geflüchtet ist, versucht hungrig und verzweifelt in Buenos Aires eine Anstellung als Klavierlehrer zu finden. Der Fabrikant Don Alameda stellt ihn für seine 17-jährige Tochter Francisca ein, die sich alsbald viel lieber darauf konzentriert, Jorge zu verführen als sich dem Klavierspiel zu widmen. Jorge ist allerdings ein gebranntes Kind, musste er doch bereits aus Uruguay fliehen, da dort nach einem verunglückten Duell mit einem Senator nach ihm gefahndet wurde. Doch schon bald verfällt Jorge der jungen Frau, die ihn eines Tages überredet, mit ihr über einige Stationen bis nach Rio de Janeiro zu flüchten. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verdingt sich Jorge als Barpianist, während Francisca sich als Kellnerin versucht. Das junge Paar lebt in ständiger Angst vor Entdeckung, denn Francisca Vater hat inzwischen nicht nur ihren Cousin Alfredo Torres sondern auch Detektive losgeschickt, seine Tochter zu suchen und nach Hause zu bringen…
Helmut Krausser hat mit „Für die Ewigkeit“ einen wunderbaren historischen Kurzroman vorgelegt, dessen nur 192 Seiten angefüllt sind mit melancholischer Romantik, sprachlicher Finesse und kunstvoller Erzählweise. Mit flüssigem und der damaligen Zeit angepasstem Erzählstil ist malt Krausser nicht nur herrliche Bilder im Kopf des Lesers, sondern lässt ihn als Zaungast regelrecht an der teils kuriosen Liebesgeschichte, der Flucht und dem doch recht traurigen Ausgang teilhaben. Mit immer neuen und überraschenden Wendungen schraubt der Autor die Spannung immer weiter nach oben, so dass der Leser atemlos Seite um Seite verschlingt, um keinen Augenblick der teils tragischen, teils komödienhaft anmutenden Geschichte zu verpassen. Interessant sind nicht nur die sich immer wieder verschiebenden Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau, sondern auch die Manipulationsversuche einiger, um ihren Willen zu erreichen, alles musikalisch untermalt durch die langsam von Jorge Jega entwickelte Oper „Clarissa“, die frei erfunden, den geschilderten Umständen jedoch Rechnung trägt.
Die Charaktere sind am Puls der damaligen Zeit entwickelt, könnten allerdings auch in die Gegenwart umgesetzt werden. Mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet können sie den Leser von sich überzeugen, der wie im Fieber ihrem Werdegang und den daraus resultierenden Entwicklungen folgt. Jorge ist ein blonder, blauäugiger geflüchteter Deutscher, der hungrig und ohne Geld verzweifelt nach einem Strohhalm greift. Er lebt für seine Musik, ist recht naiv und lässt sich schnell um den Finger wickeln. Doch weist er auch heroische Eigenschaften wie Treue und Verbundenheit auf, die ihm zum Verhängnis werden. Francisca ist eine verwöhnte junge Frau, die das Leben kennenlernen will und der dafür jedes Mittel recht ist. Sie weiß bereits, welche Macht ihr als Frau gegeben ist und wie sie diese manipulativ einsetzen kann. Alfredo ist ein schmieriger Kerl, der versucht, sich alle Seiten offen zu halten, um einerseits monetär als auch gefühlsmäßig davon zu profitieren.
„Für die Ewigkeit“ ist wie eine komische Oper, die in einer Tragödie endet: sprachlich furios und tiefgründig, durchgängig voller Spannung und mit einem Ende, das keine Wünsche offen lässt. Absolute Leseempfehlung – Chapeau!