Ulrike Draesners Gedichte handeln vom Alltag, von Liebe und Natur, von der Stadt. Sie spielen mit Formen der Dichtungstradition. Das Staunen über die Vielfältigkeit dieser Welt und ihre Gesetze, über ihre Vergangenheit und die abenteuerliche Zukunft der "schweren Körper" in ihr, setzt sich um in eine aus Rhythmus und Wortklang kombinierte zweite Stimme der Gedichte - eine Art innere Musik.
"Diese Lyrik macht den Leser reich."
Frankfurter Rundschau
"Erstaunlich an den Gedichten ist mindestens zweierlei: die ungeheure Energie, die aus ihnen spricht, ihre seltene rhythmisierte Sprachwut, und der radikal weite lyrische Wortschatz."
Neue Zürcher Zeitung
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
"Diese Lyrik macht den Leser reich."
Frankfurter Rundschau
"Erstaunlich an den Gedichten ist mindestens zweierlei: die ungeheure Energie, die aus ihnen spricht, ihre seltene rhythmisierte Sprachwut, und der radikal weite lyrische Wortschatz."
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2001Kaspar Hausers Unterhose
Buchstabenknie: Lyrik von Ulrike Draesner und Norbert Hummelt
Im Frühjahr startete eine neue Serie der Sammlung Luchterhand, einunddreißig Jahre nach Beginn der ersten. Und wieder soll sich diese Reihe von anderen Taschenbuchreihen durch ihren literarischen Anspruch absetzen. Mutig begann man mit sechs Bänden Lyrik, darunter zwei Gedichtbüchern junger Autoren. Stolz verweist der Verlag darauf, daß seinerzeit zu den ersten Bänden Ernst Jandls "Der künstliche Baum" gehörte, der den Dichter damals einer größeren Öffentlichkeit bekannt machte.
Die Lyrikbände von Ulrike Draesner und Norbert Hummelt sind gewissermaßen neue Blätter vom künstlichen Baum der experimentellen Poesie. Ulrike Draesner vertritt den Avantgarde-Anspruch ostentativ, Norbert Hummelt eher maskiert. Beide Autoren gehören dem Jahrgang 1962 an, haben einige Bücher publiziert und bereits Preise und Stipendien erhalten.
Ulrike Draesner hat ein Faible für Komposition und Kommentar. Sie komponiert ihren Band "für die nacht geheuerte zellen" nach Begriffen der Akupunktur. "Holz, Feuer, Erde, Wasser und Metall sind die traditionellen Elemente der Akupunktur. Luft ,ist fremd' und fliegt hinaus", erläutert sie. Aber nicht in ihrer Poesie. Zum Element Luft gibt es ein eigenes Kapitel: "wer a sagt, hat auch b." Und darin wiederum ein Gedicht "a, b, photon c". Und da dies alles ziemlich erklärungsbedürftig ist, gibt es eine Anmerkung. Da erfahren wir, daß es im Gedicht um die spezielle Relativitätstheorie geht und um die Doppelnatur des Lichts und seiner Teilchenwellen, der Photone. Das hilft ein Stückchen weiter.
Eine erschöpfende Anmerkung wäre der Tod des Gedichts. Wen das merkwürdig groteske Poem "kaspar hausers unterhose" ratlos zurückläßt, erfährt aus der Anmerkung, daß eine genetische Analyse einiger Hautzellen aus besagtem Kleidungsstück Kaspar Hausers Verwandtschaft mit dem badischen Fürstenhaus unwahrscheinlich gemacht hat. Aber warum "buchstabenknie" ein Merkmal des Menschen ist, darüber darf der Leser weiter sinnieren.
Kein Zweifel, Ulrike Draesner ist eine gelehrte Poetin. Versiert auch in den Tricks und Techniken moderner Lyrik. Das wäre leicht zu beweisen, beantwortet aber nicht die Frage, ob ihre Gedichte auch erfreulich zu lesen sind. Wer die Probe machen will, lese zunächst die weniger ambitionierten Texte. Etwa Draesners Berlin-Gedichte. Da gibt es Verse über die S-Bahn oder die Prostituierten am Savignyplatz, deren Anschauungskraft keiner weiteren Erläuterung bedarf. Und in einem offenbar am Wannsee spielenden Gedicht findet sich das konzise Bild: "der strichcode der marmorbalustrade / scannt knochenlicht ein."
Norbert Hummelts Raffinesse erschließt sich erst dem zweiten Blick. Er eröffnet seinen Band "Zeichen im Schnee" mit einer Banalität: "knips noch die lampe aus wenn du vom klo kommst." Vieles in seinen Gedichten deutet darauf hin, daß ihm die Alltagslyrik der siebziger Jahre vertraut ist. Aber das ist nicht die entscheidende Spur. Hummelt führt uns in einen totgesagten Park, nämlich in die preziösesten Partien Stefan Georges und Rainer Maria Rilkes, und überläßt es dem Leser, Parodie, Epigonie und Eigenes zu scheiden.
Manches ist Parodie à la Robert Gernhardt. Etwa "wir kennen nicht ihr mögliches profil" als Antwort auf Rilkes "Archaischen Torso Apollos". Oder das Gedicht "der meister", das einer Georgeschen Algabal-Figur einen Schäferhund beigibt: "nur in der gegenwart des dunklen schäferhundes / hielt er sich selber für den stern des bundes / u. seine augen sahn den siebten ring." Doch Hummelt ist es primär nicht um Spott und Spaß zu tun, sondern um Anverwandlung. Er möchte durch Mimikry von seinen Vorbildern profitieren. Aus den weißen Aras Georges macht er einen roten, seinen "vogel mimikry": "mein roter ara aber imitiert mich nie." Kein Wunder, denn Hummelt hält das Eigene am liebsten bedeckt. Aus Scham oder auch aus Klugheit.
Diese Mimikry ergibt manchmal reizvolle, fein gearbeitete pastiches. So beginnt "déjà-vu": "nimm nur die hand nicht weg aus meinem haar." Doch diese Bitte geht dann recht zeitgenössisch-ungeniert in eine Aufforderung zur Massage über: "mach still. mach ruhig. mach hin. laß nicht nach." Kleine, begrenzte Sujets gelingen Hummelt fast immer. Dafür sprechen Titel wie "der erste schnee", "der vergessene falter", "unter dem glassturz". Da paßt die zarte, manchmal preziöse Sprachgebung, der behutsam modulierte Schritt der Verse. Anrührend sind auch die Idyllen aus einer behüteten Jugend. In der Verserzählung "früchte" spielt alles zwischen dem ersten Wort "schattenmorellen" und dem letzten wort "pudding-schnee". Dieser Poet muß nur zusehen, daß er sich nicht verhätschelt und harmlos wird.
Mir scheint, daß er sein Problem kennt. Die Welt, die er bedichtet, befindet sich im Zustand einer merkwürdigen Erstarrung. Das Gedicht "figuren" bezeichnet das sehr genau, wenn es fragt: "u. die figuren, die mein auge suchte, sind ihre / federn alle imprägniert, daß ich nicht / eine sehen kann, die ihre schwingen schüttelt ..." Damit rührt Hummelt an die Kristallisation der Zustände, aber auch an ein persönliches Problem. Sein roter Ara muß das freie Fliegen noch lernen.
HARALD HARTUNG
Ulrike Draesner: "für die nacht geheuerte zellen". Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2001. 136 S., br., 19,50 DM.
Norbert Hummelt: "Zeichen im Schnee". Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2001. 110 S., br., 18,50 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Buchstabenknie: Lyrik von Ulrike Draesner und Norbert Hummelt
Im Frühjahr startete eine neue Serie der Sammlung Luchterhand, einunddreißig Jahre nach Beginn der ersten. Und wieder soll sich diese Reihe von anderen Taschenbuchreihen durch ihren literarischen Anspruch absetzen. Mutig begann man mit sechs Bänden Lyrik, darunter zwei Gedichtbüchern junger Autoren. Stolz verweist der Verlag darauf, daß seinerzeit zu den ersten Bänden Ernst Jandls "Der künstliche Baum" gehörte, der den Dichter damals einer größeren Öffentlichkeit bekannt machte.
Die Lyrikbände von Ulrike Draesner und Norbert Hummelt sind gewissermaßen neue Blätter vom künstlichen Baum der experimentellen Poesie. Ulrike Draesner vertritt den Avantgarde-Anspruch ostentativ, Norbert Hummelt eher maskiert. Beide Autoren gehören dem Jahrgang 1962 an, haben einige Bücher publiziert und bereits Preise und Stipendien erhalten.
Ulrike Draesner hat ein Faible für Komposition und Kommentar. Sie komponiert ihren Band "für die nacht geheuerte zellen" nach Begriffen der Akupunktur. "Holz, Feuer, Erde, Wasser und Metall sind die traditionellen Elemente der Akupunktur. Luft ,ist fremd' und fliegt hinaus", erläutert sie. Aber nicht in ihrer Poesie. Zum Element Luft gibt es ein eigenes Kapitel: "wer a sagt, hat auch b." Und darin wiederum ein Gedicht "a, b, photon c". Und da dies alles ziemlich erklärungsbedürftig ist, gibt es eine Anmerkung. Da erfahren wir, daß es im Gedicht um die spezielle Relativitätstheorie geht und um die Doppelnatur des Lichts und seiner Teilchenwellen, der Photone. Das hilft ein Stückchen weiter.
Eine erschöpfende Anmerkung wäre der Tod des Gedichts. Wen das merkwürdig groteske Poem "kaspar hausers unterhose" ratlos zurückläßt, erfährt aus der Anmerkung, daß eine genetische Analyse einiger Hautzellen aus besagtem Kleidungsstück Kaspar Hausers Verwandtschaft mit dem badischen Fürstenhaus unwahrscheinlich gemacht hat. Aber warum "buchstabenknie" ein Merkmal des Menschen ist, darüber darf der Leser weiter sinnieren.
Kein Zweifel, Ulrike Draesner ist eine gelehrte Poetin. Versiert auch in den Tricks und Techniken moderner Lyrik. Das wäre leicht zu beweisen, beantwortet aber nicht die Frage, ob ihre Gedichte auch erfreulich zu lesen sind. Wer die Probe machen will, lese zunächst die weniger ambitionierten Texte. Etwa Draesners Berlin-Gedichte. Da gibt es Verse über die S-Bahn oder die Prostituierten am Savignyplatz, deren Anschauungskraft keiner weiteren Erläuterung bedarf. Und in einem offenbar am Wannsee spielenden Gedicht findet sich das konzise Bild: "der strichcode der marmorbalustrade / scannt knochenlicht ein."
Norbert Hummelts Raffinesse erschließt sich erst dem zweiten Blick. Er eröffnet seinen Band "Zeichen im Schnee" mit einer Banalität: "knips noch die lampe aus wenn du vom klo kommst." Vieles in seinen Gedichten deutet darauf hin, daß ihm die Alltagslyrik der siebziger Jahre vertraut ist. Aber das ist nicht die entscheidende Spur. Hummelt führt uns in einen totgesagten Park, nämlich in die preziösesten Partien Stefan Georges und Rainer Maria Rilkes, und überläßt es dem Leser, Parodie, Epigonie und Eigenes zu scheiden.
Manches ist Parodie à la Robert Gernhardt. Etwa "wir kennen nicht ihr mögliches profil" als Antwort auf Rilkes "Archaischen Torso Apollos". Oder das Gedicht "der meister", das einer Georgeschen Algabal-Figur einen Schäferhund beigibt: "nur in der gegenwart des dunklen schäferhundes / hielt er sich selber für den stern des bundes / u. seine augen sahn den siebten ring." Doch Hummelt ist es primär nicht um Spott und Spaß zu tun, sondern um Anverwandlung. Er möchte durch Mimikry von seinen Vorbildern profitieren. Aus den weißen Aras Georges macht er einen roten, seinen "vogel mimikry": "mein roter ara aber imitiert mich nie." Kein Wunder, denn Hummelt hält das Eigene am liebsten bedeckt. Aus Scham oder auch aus Klugheit.
Diese Mimikry ergibt manchmal reizvolle, fein gearbeitete pastiches. So beginnt "déjà-vu": "nimm nur die hand nicht weg aus meinem haar." Doch diese Bitte geht dann recht zeitgenössisch-ungeniert in eine Aufforderung zur Massage über: "mach still. mach ruhig. mach hin. laß nicht nach." Kleine, begrenzte Sujets gelingen Hummelt fast immer. Dafür sprechen Titel wie "der erste schnee", "der vergessene falter", "unter dem glassturz". Da paßt die zarte, manchmal preziöse Sprachgebung, der behutsam modulierte Schritt der Verse. Anrührend sind auch die Idyllen aus einer behüteten Jugend. In der Verserzählung "früchte" spielt alles zwischen dem ersten Wort "schattenmorellen" und dem letzten wort "pudding-schnee". Dieser Poet muß nur zusehen, daß er sich nicht verhätschelt und harmlos wird.
Mir scheint, daß er sein Problem kennt. Die Welt, die er bedichtet, befindet sich im Zustand einer merkwürdigen Erstarrung. Das Gedicht "figuren" bezeichnet das sehr genau, wenn es fragt: "u. die figuren, die mein auge suchte, sind ihre / federn alle imprägniert, daß ich nicht / eine sehen kann, die ihre schwingen schüttelt ..." Damit rührt Hummelt an die Kristallisation der Zustände, aber auch an ein persönliches Problem. Sein roter Ara muß das freie Fliegen noch lernen.
HARALD HARTUNG
Ulrike Draesner: "für die nacht geheuerte zellen". Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2001. 136 S., br., 19,50 DM.
Norbert Hummelt: "Zeichen im Schnee". Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2001. 110 S., br., 18,50 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Ulrike Draesner ist "eine gelehrte Poetin", schreibt Rezensent Harald Hartung. Er findet sie auch in "den Tricks und Techniken moderner Lyrik" versiert und bezeichnet ihre Gedichte als "neue Blätter vom künstlichen Baum der experimentellen Poesie". Trotzdem klingt er nicht wirklich begeistert. Draesner komponiere ihren Band "nach Begriffen der Akupunktur", heißt es da nicht sehr schmeichelnd im Zusammenhang mit ihren Themen. Auch der Hang der Dichterin, Anspielungen zu erläutern, ermüdet den Rezensenten gelegentlich. "Eine erschöpfende Anmerkung wäre der Tod des Gedichts!" schreibt er entsprechend mürrisch. Nur die "weniger ambitionierten Texte" findet unser Rezensent erfreulich. Und in einem "offenbar am Wannsee spielenden Gedicht" hat Hartung sogar ein konzises Bild gefunden.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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"Diese Lyrik macht den Leser reich." Frankfurter Rundschau