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»Unter lebhafter Anteilnahme des Münchener Publikums« flimmerten im Juli 1896 in Gabriels Panoptikum die ersten »lebenden Photographien« über die Leinwand. Die Münchner Kinogeschichte hatte begonnen. Man drängte sich ins Wanderkino auf dem Oktoberfest oder in primitive Lokalitäten, die sich mit verheißungsvollen Namen wie »Weltkinematograph« schmückten. Die »neue Kunst« des Films und seine »Tempel«, die Lichtspieltheater, fanden aber nicht nur Freunde. Die Münchner Obrigkeit wollte nicht nur bestimmen, was das Münchner Publikum zu sehen bekam, ihr Einfluss erstreckte sich auch auf die…mehr

Produktbeschreibung
»Unter lebhafter Anteilnahme des Münchener Publikums« flimmerten im Juli 1896 in Gabriels Panoptikum die ersten »lebenden Photographien« über die Leinwand. Die Münchner Kinogeschichte hatte begonnen. Man drängte sich ins Wanderkino auf dem Oktoberfest oder in primitive Lokalitäten, die sich mit verheißungsvollen Namen wie »Weltkinematograph« schmückten. Die »neue Kunst« des Films und seine »Tempel«, die Lichtspieltheater, fanden aber nicht nur Freunde. Die Münchner Obrigkeit wollte nicht nur bestimmen, was das Münchner Publikum zu sehen bekam, ihr Einfluss erstreckte sich auch auf die Genehmigung, Verbreitung und sogar das Aussehen der Münchner Kinos. Der Rahmen für die Entwicklung der Lichtspieltheater wurde auf erfindungsreiche Weise immer wieder gesprengt. In den zwanziger Jahren entstanden dann die großen Kinos, die später auch zum Schauplatz der propagandistischen Inszenierungen der Nationalsozialisten wurden. Die Texte behandeln die vielfältigen Aspekte der Münchner Kinogeschichte im Wandel der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Illustriert werden sie durch zahlreiche, größtenteils unveröffentlichte Abbildungn, ergänzt durch ein umfangreiches Kinolexikon und einen Kinoatlas.
Autorenporträt
Monika Lerch-Stumpf ist Forschungsbeauftragte und Dozentin an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Die Autoren sind Historiker, Kunsthistoriker, Kommunikations- und Filmwissenschaftler.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2008

Eine Leiche im Garten Eden
„Kinoparadiese” – zwei Bücher und eine Ausstellung beleuchten die Geschichte der Münchner Filmtheater von 1896 bis heute
Ein Mord im Kino ist nichts Besonderes? Oh doch: Wenn die Leiche ein paar Tage lang in der Zwischendecke über dem Zuschauersaal liegt, dann schon. Und wenn der Erdrosselte so grässlich anfängt zu stinken, dass selbst die Füße des ruchlosen Schuhausziehers neben einem nicht mehr dagegen ankommen, dann erinnert sich der Münchner noch heute an den Fall. Er liegt jetzt fast zwölf Jahre zurück und hat sich im Filmcasino abgespielt. Dieser Mord markiert nur eine von Hunderten Geschichten und Details, die Monika Lerch-Stumpf und ihr Team in siebenjähriger Arbeit zur großen Geschichte der Münchner Filmtheater zusammengetragen haben. Und diese Aufgabe war mühsam. Denn selten schafft es ein Kino selbst in die Schlagzeilen, weil es zur „crime scene” wird. Eher, wenn es selber „stirbt” und, was in München in den vergangenen Jahren an der Tagesordnung war, geschlossen wird.
Monika Lerch-Stumpf und ihre Mitstreiter mussten also tiefer in die Archive abtauchen und unzählige Experten- und Zeitzeugen-Gespräche führen, um mit ihrem Projekt vorwärtszukommen: „Es war wie das Zusammensetzen eines Puzzles”, sagt Monika Lerch-Stumpf. Doch nun ist nach dem Band „Für ein Zehnerl ins Paradies”, der 2004 erschien und sich mit der den Anfängen der Kinematographie in München von 1896 bis 1945 befasste, Band 2 fertig: „Neue Paradiese für Kinosüchtige.” Beide Bücher sind Aufsatzsammlungen und das Ergebnis der Forschungstätigkeit, die Monika Lerch-Stumpf an der Hochschule für Fernsehen und Film leistet. Auf einer Halbtagsstelle. Dies und die Tatsache, dass sie mit einem Null-Budget auskommen musste, sind die Gründe dafür, dass die Ausstellung, mit der die HFF das Ergebnis dieser Arbeit präsentiert, selbst sehr viel blutleerer ist, als die Materie dies verheißt.
Im wunderbar lichtdurchfluteten Atrium der Industrie- und Handelskammer (Max-Joseph-Straße 2) hängen nämlich lediglich eine Vielzahl von Schautafeln, die eine Art „Best of” der – durchweg schwarzweißen – Bilder aus den beiden Büchern wiedergeben. Zwar sind diese mit interessanten Texten und Zeittafeln ebenso liebevoll wie gewissenhaft ergänzt, doch was hätte man aus diesem Stoff, aus dem die Zelluloidträume sind, alles machen können – die erste erhaltene Eintrittskarte, ein schreiend buntes Filmplakat, ausgediente Kinosessel oder eins der umwerfenden Charlestonkleider, in denen die Frauen in den Reihen des größten Kinos Platz nahmen, das München je hatte: des 1926 eröffneten Phoebus-Palasts mit mehr als 2100 Sitzplätzen. Nichts von alledem nimmt in der Ausstellung Gestalt an, der Besucher muss sich da allein auf seine Phantasie verlassen. Futter für eine sentimentale Zeitreise liefern die Bildtafeln dem Filmfan und Münchenfreund indes reichlich. Und die Bücher, vom Dölling-und-Galitz-Verlag in einem recht selbstlosen Akt aufgelegt, umso mehr.
Da wäre zum Beispiel dieses entzückende kleine Foto, das nur in einer Randspalte Platz fand. Es zeigt Lonny van Laak, eine der ersten Kinobetreiberinnen, die nach dem Krieg von den Amerikanern eine Lizenz erhalten hatte. Die weißhaarige Dame mit der hochgeschlossenen, knackig gestärkten weißen Bluse beugt sich zu einer jungen Schönheit hinunter, die mit einem Tablett süßester Petit fours in der Hand dasitzt: Sophia Loren war zu Besuch! In den fünfziger Jahren, so lernen wir en passant, erlebte München seine zweite große Kinoblüte. Bis 1957 der harte Wendepunkt kam: „Ende des Jahres”, so schreibt Gabriele Jofer in einem der Aufsätze, „konstatierten die Statistiker 22,31 Millionen Kinogänger, die sich auf 130 Lichtspielhäuser verteilt hatten. Von da an ging es in der ganzen Bundesrepublik mit dem Kinobesuch bergab.” Der „Feind in der Wohnstube”, das Fernsehen, hat seither drei Vierteln der Münchner Kinos von damals den Garaus gemacht. Längst steht eine neue Ära des radikalen Wandels ins Haus: mit DVDs und Computerdownloads auf den heimischen großformatigen Flachbildschirmen.
Monika Lerch-Stumpf unterdessen bevorzugt immer noch treu eines der Relikte der großen, alten Kino-Ära in München: das Filmcasino. Aber nicht, weil es sich einst als so schön gruselige Schnittstelle zwischen Fiktion und Realität erwies. Weil dort fühlbar ist, was Kino einmal war und was seine Überlebenschance sein könnte: ein Erlebnis der elegant genossenen, gemeinschaftlich erfahrenen Augenweide. SUSANNE HERMANSKI
Die perfekte Ablenkung vom Nachkriegsgrau: Allein im Luitpold-Theater sahen 1949 mehr als 130 000 Münchner innerhalb von fünf Wochen den „Dieb von Bagdad”. Im Unterschied zur Theatinerkirche im Hintergrund ist das Luitpold längst abgerissen. Foto: Dölling-und-Galitz-Verlag
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