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Der Harvard-Professor Hilary Putnam zählt mit Quine, Davidson und Rorty zu den bedeutendsten amerikanischen Philosophen der Gegenwart. Putnam liefert in diesen Essays "eine Diagnose der gegenwärtigen philosophischen Situation" und weist "die Richtungen, die eine Erneuerung der Philosophie einschlagen müsste". Die Themen: Das Projekt der künstlichen Intelligenz - Erklärt Evolution Repräsentation? - Eine Referenztheorie - Materialismus und Relativismus - Bernard Williams und die absolute Vorstellung von der Welt - Irrealismus und Dekonstruktion - Wittgenstein über den religiösen Glauben -…mehr

Produktbeschreibung
Der Harvard-Professor Hilary Putnam zählt mit Quine, Davidson und Rorty zu den bedeutendsten amerikanischen Philosophen der Gegenwart. Putnam liefert in diesen Essays "eine Diagnose der gegenwärtigen philosophischen Situation" und weist "die Richtungen, die eine Erneuerung der Philosophie einschlagen müsste". Die Themen: Das Projekt der künstlichen Intelligenz - Erklärt Evolution Repräsentation? - Eine Referenztheorie - Materialismus und Relativismus - Bernard Williams und die absolute Vorstellung von der Welt - Irrealismus und Dekonstruktion - Wittgenstein über den religiösen Glauben - Wittgenstein über Referenz und Relativismus - Deweys Demokratie neu betrachtet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.1998

Amerikaner denken, Franzosen stören
So ist das nun einmal: Wie Hilary Putnam die Philosophie erneuern will

Der Harvard-Professor Hilary Putnam gehört zu den prominentesten Gestalten der amerikanischen Gegenwartsphilosophie. Wenn ein Autor seines Renommees schon im Titel eines neuen Buches "für eine Erneuerung der Philosophie" plädiert, wird man gespannt sein dürfen. Man wird erwarten, eine Diagnose der gegenwärtigen Lage der Philosophie, eine kritische Erörterung ihrer Stärken und Schwächen sowie mindestens eine Skizze ihrer künftigen Perspektiven zu finden. Und man wird vorab wohl auch ein wenig skeptisch sein: Gibt es, in globaler Perspektive betrachtet, die Philosophie als einheitliches Projekt? Läßt sie sich angesichts der Vielfalt der Stimmen im internationalen philosophischen Gespräch auch nur hinreichend überschauen, so daß man sagen könnte, was sie heute sei und wohin sie zu gehen habe?

Hilary Putnam, dessen Buch aus Vorträgen hervorgegangen ist, die er 1990 als Gifford Lectures an der University of St. Andrews gehalten hat, kennt solche und ähnliche Bedenklichkeiten nicht, wie ihm Skepsis als philosophische Position überhaupt unsympathisch ist. Die Texte seines Buches, die so unterschiedliche Themen wie die Grenzen des Projekts der Künstlichen Intelligenz, das Scheitern einer evolutionstheoretischen Erklärung der Repräsentation oder die Begriffe des religiösen Glaubens und der Politik behandeln, beanspruchen in ihrem Zusammenklang, "eine Diagnose der heutigen Gesamtsituation der Philosophie" vorzulegen. Und sie wollen zeigen, daß diese Situation "nach Wiederbelebung und Erneuerung verlangt".

Folgt man Putnams Darstellung, scheint "die" Philosophie heute zu einer fast ausschließlich englischsprachigen Angelegenheit geworden zu sein, sieht man einmal von ein paar Franzosen ab, welche in Putnams Szenario die Rolle der unverbesserlichen, relativistischen Störenfriede spielen, die sich durch klare Argumente einfach nicht widerlegen lassen wollen. Dabei seien "in der amerikanischen wie in der französischen Philosophie heute zwei Einstellungen vorherrschend", die er in allen Texten des Buches kritisiert: "Materialismus und Relativismus". Materialismus, auch "Naturalismus" oder "Physikalismus", heißt nach Putnam die in weiten Teilen der analytischen Philosophie vertretene These, daß es eine von aller Erfahrung unabhängige Welt gebe, auf deren Prozesse das menschliche Denken zurückgeführt werden könne. Durch die Naturwissenschaften, insbesondere die Physik, werde diese "vorgefertigte" Welt in ihrem Ansichsein beschrieben. Mit dieser These über die Möglichkeit einer absoluten, nicht-perspektivischen Auffassung der Welt durch die Physik, die Putnam exemplarisch bei Jerry Fodor und Bernard Williams angreift, werde die analytische Philosophie, einst als "antimetaphysische Bewegung" angetreten, zur realistischen Metaphysik. Denn Putnam macht mit guten Gründen geltend, daß keinerlei Beschreibung der Welt "den Anspruch erheben kann, das ,erfahrungsunabhängige Sosein der Dinge' wiederzugeben". Es gebe keine "allein wahre Wirklichkeitsbeschreibung", die man als definitives "Bestandsverzeichnis" der "Ausstattung des Universums" erweisen könnte.

Daraus, daß uns die Welt stets nur in Versionen ihrer Beschreibung zugänglich ist, aber nun zu folgern, daß von der Wahrheit oder Falschheit unserer Bezugnahmen nur noch relativ zu unseren Beschreibungssystemen zu reden sei, führt nach Putnam in einen "Relativismus", den er nicht minder streng zurückweist. Ein Relativismus, so Putnams nicht eben originelles Argument, lasse sich nicht widerspruchsfrei formulieren. Noch weniger habe man Grund, wie sein Harvard-Kollege Nelson Goodman aus der Beschreibungsabhängigkeit des Weltbezugs zu schließen, daß es die eine identische Welt der Bezugnahme überhaupt nicht gibt, sondern nur Welten, die wir mittels unserer Beschreibungen erzeugen. Noch unangemessener sei es - hier lauert der Teufel -, wie Jacques Derrida schließlich sogar zu meinen, daß der überkommene Begriff der Wahrheit in Gänze zu "dekonstruieren" sei. Wer wie Putnam "selbst bestreitet, daß es eine ,vorgefertigte Welt' gibt, behauptet damit noch nicht, daß wir uns die Welt ausdenken. Was wir über die Welt sagen, reflektiert unsere begrifflichen Entscheidungen und unsere Interessen, aber die Wahrheit oder Falschheit unserer Äußerungen wird nicht einfach durch unsere begrifflichen Entscheidungen und unsere Interessen bestimmt."

Die Verteidigung eines nicht-relativistischen Wahrheitsbegriffs ist Putnam auch und vor allem in praktischer Hinsicht wichtig, obwohl er zugibt, keine "großartige metaphysische Theorie über das Wesen der Normativität zu bieten" zu haben. Der "Hauptgrund", weshalb er an dem Gedanken festhält, "daß es richtige und falsche moralische Urteile gibt", ist "schlicht der, daß das nun einmal die Art und Weise ist, in der wir reden und denken, und daß es auch künftig die Art und Weise sein wird, in der wir reden und denken". Dieses "usualistische" Argument weckt nicht unbedingt Vertrauen, wenn man bedenkt, was unter Umständen so alles zur beschworenen "Art und Weise" gehören kann, in der wir dies tun.

Doch sei es, wie es sei. Wo soll es nun philosophisch langgehen, wenn man mit Putnam nur tapfer die Versuchungen des Materialismus und Relativismus abwehrt? Putnam gesteht offen, wenn auch erst auf Seite 181, nicht einmal Leitlinien dessen, was sein Buchtitel fordert, skizzieren zu können und zu wollen. "Die einzige mir bekannte Möglichkeit", schreibt er deshalb, "ein besseres philosophisches Vorgehen aufzuzeigen, besteht darin, daß man sich auf eine bestimmte Art von Lektüre einläßt, eine Lektüre der Schriften einiger Philosophen, die trotz ihrer Fehler und Mängel den Weg weisen und Beispiele geben für die Möglichkeit einer philosophischen Reflexion über unser Leben und unsere Sprache, ohne in leichtfertige Skepsis oder absurde Metaphysik zu verfallen." Solche Philosophen sind für Putnam Wittgenstein und Dewey. Ihnen kann er entnehmen, daß sie in etwa mit den Meinungen Hilary Putnams übereinstimmen. Die Wirkung ihrer Lektüre - in diesem Punkte wird gewiß niemand Putnam die Zustimmung verweigern wollen - könne "darin bestehen, daß sich sowohl unser Leben selbst als auch die Betrachtungsweise unseres Lebens ändern". Darin bestehe, so Putnams abschließendes Credo, "die Aufgabe der philosophischen Reflexion, wenn sie in ihrem Element ist". STEFAN MAJETSCHAK

Hilary Putnam: "Für eine Erneuerung der Philosophie". Aus dem Englischen von Joachim Schulte. Reclam Verlag, Stuttgart 1997. 284 S., br., 14,- DM.

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"Fröhlich ist dieses Buch (...). Die gute Stimmung verdankt sich der thematischen Fülle: Künstliche Intelligenz und natürliche Sprachen, Repräsentation und Bezugnahme, das Absolute und die Relativität, Dekonstruktion und Realismus, Demokratie und Kreativität - und wie das zusammenhängt. Dazu kommt die zärtliche Liebe zum Detail: mild, aber unerbittlich wird beim Gegendenker Satz nach Satz zerpflückt." -- Süddeutsche Zeitung