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Albert Grzesinski zählte als preußischer Innenminister sowie als langjähriger Berliner Polizeipräsident und einflußreicher Parlamentarier im preußischen Landtag zu den wichtigsten sozialdemokratischen Politikern der Weimarer Republik. Erstmals werden in dieser politischen Biographie Lebensweg und Wirken dieses ebenso reformorientierten wie machtbewußten Mannes, der zu den mutigen Verteidigern der demokratischen Republik gehörte, nachgezeichnet.
Zum Autor/Herausgeber: Thomas Albrecht, geb. 1963, Dr.disc.pol., studierte in Göttingen und Wien Mittlere und Neuere Geschichte, Politikwissenschaft
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Produktbeschreibung
Albert Grzesinski zählte als preußischer Innenminister sowie als langjähriger Berliner Polizeipräsident und einflußreicher Parlamentarier im preußischen Landtag zu den wichtigsten sozialdemokratischen Politikern der Weimarer Republik. Erstmals werden in dieser politischen Biographie Lebensweg und Wirken dieses ebenso reformorientierten wie machtbewußten Mannes, der zu den mutigen Verteidigern der demokratischen Republik gehörte, nachgezeichnet.

Zum Autor/Herausgeber: Thomas Albrecht, geb. 1963, Dr.disc.pol., studierte in Göttingen und Wien Mittlere und Neuere Geschichte, Politikwissenschaft und Deutsche Philologie und promovierte 1996 am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Göttingen. Seit 1995 arbeitet er als Fachbereichsleiter für EDV in einem Handelsunternehmen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.1999

Preuße ohne Legende
Eine Biographie des "Praktizisten" Albert Grzesinskis

Thomas Albrecht: Für eine wehrhafte Demokratie. Albert Grzesinski und die preußische Politik in der Weimarer Zeit. Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Band 51. Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger, Bonn 1999. 384 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 58,- Mark.

Heute ist Albert Grzesinski fast völlig vergessen, dabei war er einmal einer der bekanntesten preußischen Politiker. 1879 in Treptow an der Tollense in Vorpommern als Albert Ehlert geboren, wurde er 1884 von seinem Stiefvater adoptiert und wuchs in Spandau in kleinbürgerlichen Verhältnissen heran. Nach der Lehre als Metalldrucker trat er zunächst dem Metallarbeiterverband und im März 1900 in Offenbach der SPD bei; sein politischer Ziehvater war Karl Ulrich, die dominierende Persönlichkeit der hessischen Sozialdemokratie. 1906 wurde er hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär, ab 1907 wirkte er in Kassel. Dort wurde er 1913 Vorsitzender des Gewerkschaftskartells. Im Laufe des Ersten Weltkrieges erlangte er Sitz und Stimme und damit Einfluß in wichtigen Verwaltungskörperschaften und wuchs so allmählich in eine wichtige Stellung hinein.

Während der Revolution stand er erst recht im Zentrum des Geschehens; es ging ihm dabei um eine möglichst ruhige Überleitung in demokratische Verhältnisse. Als er Mitglied des Zentralrates der deutschen sozialistischen Republik wurde, übersiedelte er im Dezember 1918 nach Berlin. Für einige Monate war er Unterstaatssekretär im Preußischen Kriegsministerium, dann bis März 1921 Reichskommissar für die Abwicklung des alten Heeres, danach Referent im Reichsarbeitsministerium, Präsident des Preußischen Landespolizeiamts und Oberregierungsrat im Innenministerium, schließlich 1925/26 Polizeipräsident von Berlin. Vom Oktober 1926 bis Ende Februar 1930 war er preußischer Innenminister, von November 1930 bis zu Papens Preußenschlag am 20. Juli 1932 stand er wieder an der Spitze der Berliner Polizei. Seit 1919 hatte er stets ein Landtagsmandat inne und gehörte zu den führenden Persönlichkeiten in der SPD-Fraktion. Wegen seines engagierten Eintretens für die Demokratie war er bei der NSDAP besonders verhaßt - im Februar 1932 hatte er es in öffentlicher Rede als verwunderlich bezeichnet, daß man den Ausländer Hitler nicht "mit der Hundepeitsche" davonjage. Nach Bildung der Regierung Hitler verließ er Deutschland schon am 5. März 1933 - die nächsten Wochen hätte er hier vermutlich nicht überlebt. Sein Exil führte ihn über die Schweiz für vier Jahre nach Paris, dann im Juli 1937 nach New York. Nach dem Ende des Krieges wollte er, inzwischen amerikanischer Staatsbürger, so bald wie möglich nach Deutschland zurückkehren. Ende 1947 bot ihm Kurt Schumacher an, bei den Verfassungsplanungen der SPD für die Länder koordinierend mitzuarbeiten. Ehe er diesem Ruf folgen konnte, starb er am Silvestermorgen 1947 an Lungenentzündung.

Gestützt auf den Nachlaß Grzesinskis und auf zahlreiche weitere Materialien, unter anderem Akten des Berliner Polizeipräsidiums und des Preußischen Innenministeriums, zeichnet Thomas Albrecht das Leben dieses Mannes in einer sehr lesenswerten Studie nach. Die Arbeit hat ihren Schwerpunkt zwar in der Weimarer Zeit, aber der Autor behandelt in angemessener Breite auch die Prägungen in Kindheit und Jugend mit der Zuwendung zur SPD und während des neunzehnjährigen Wirkens in Hessen.

Grzesinski stand immer auf dem rechten Flügel seiner Partei. Albrecht sieht ihn freilich nicht als Reformisten, vielmehr nennt er seine Haltung Praktizismus, da er sich kaum um theoretische Auseinandersetzungen kümmerte, sondern in der täglichen politischen Arbeit aufging. Demokratie und Sozialismus gehörten für ihn eng zusammen, wobei er sich mit der Definition von Sozialismus nicht lange beschäftigte; er verstand darunter die Aufhebung jeder Art von Unterdrückung. Vor dem Parlament hatte er hohen Respekt, das parlamentarische Regierungssystem war ihm selbstverständlich, und er leistete einen erheblichen Beitrag dazu, daß es in Preußen gut funktionierte.

Seit 1910 war er von der großen Bedeutung der Verwaltung überzeugt. Da sich in ihr die Macht des Staates manifestierte, kam es entscheidend darauf an, sie zu demokratisieren. Sehr bald nach der Revolution klagte er lebhaft darüber, daß auf diesem Felde nicht genug geschah, und Albrecht schließt sich dem nachdrücklich an. Als Grzesinski Innenminister geworden war, wandte er diesem Bereich seine Aufmerksamkeit besonders zu. Innerhalb einer recht kurzen Zeit bewirkte er unter den höheren Beamten seines Ministeriums und unter den Politischen Beamten in der allgemeinen und inneren Verwaltung Preußens eine merkliche Gewichtsverschiebung zugunsten von Angehörigen der Parteien der Weimarer Koalition. Weitere bedeutende Erträge seiner Amtszeit als Innenminister waren die Aufhebung der rund 12 000 Gutsbezirke, in denen fast vier Prozent der Preußen lebten, ohne das kommunale Wahlrecht zu haben, eine gründlich erneuerte Polizeigesetzgebung (das Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931 konnte durch ihn allerdings nur auf den Weg gebracht werden) und die kommunale Neuordnung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Mit dem Projekt einer großen Verwaltungsreform kam er nicht voran, nicht zuletzt deshalb, weil es eng mit dem Problem der Reichsreform verknüpft war.

Mit Entschiedenheit verfocht Grzesinski die Ansicht, daß die Demokratie sich gegen ihre Gegner wehren müsse. Durch seine diesem Programm entsprechenden Maßnahmen machte er sich auf der Linken wie auf der Rechten sehr unbeliebt. Wäre es nach ihm gegangen, so wäre nach dem Altonaer Blutsonntag, als am 17. Juli 1932 bei Straßenkämpfen 15 Menschen zu Tode kamen, über Preußen der Ausnahmezustand verhängt worden. Vielleicht hätte das Papens Zugriff drei Tage später verhindert. Am 20. Juli selbst hielt er aktiven Widerstand für zwecklos und unverantwortlich. Nach wie vor setzte er, wie während seines gesamten politischen Lebens, auf den Weg der Gesetzmäßigkeit.

Dem Leser bietet sich das Bild einer starken, selbstbewußten und entschlossen handelnden Persönlichkeit. Grzesinski wollte in allen Positionen, die er einnahm, führen und war dazu offensichtlich sehr gut qualifiziert. Er erwarb sich stets ein großes Maß an Sachkompetenz und handelte nach klaren Zielvorstellungen. Im Umgang mit Mitstreitern und Konkurrenten war er nicht ängstlich. Seine Stellung in der ersten Reihe der preußischen SPD war deshalb nicht unangefochten. Auch seine persönlichen Interessen verfolgte er mit Nachdruck.

In der besonderen Zusammensetzung der preußischen Landtagsfraktion sieht Albrecht den entscheidenden Grund für die politische Stabilität Preußens während der Weimarer Zeit. Er verweist darauf, daß hier vornehmlich junge Pragmatiker saßen, die ein funktionales Parlamentsverständnis hatten, und daß ausgesprochene Ideologen fehlten. Auch die Koalitionspartner der SPD ließen sich vom Willen zum Ausgleich tragen. Große Bedeutung hatte die enge Zusammenarbeit zwischen Ernst Heilmann, der die SPD-Fraktion seit 1921 führte, und Joseph Heß, der einflußreichsten Persönlichkeit in der Zentrums-Fraktion. Bei diesen Hinweisen scheint die Tatsache aber doch zu gering bewertet, daß die Landtage mit den großen Problemen der Zeit nicht sehr viel zu tun hatten und im Windschatten der Reichspolitik agieren konnten.

Gelegentlich vertraut sich Albrecht den von Grzesinski in den Schriften der Emigrationszeit formulierten Urteilen über die Strukturen des Kaiserreichs und Weimars oder über politische Weggenossen zu vorbehaltlos an; das gilt zumal für Carl Severing, seinen Vorgänger im Innenministerium. Auch begegnet die komplizierte Problemlage in den letzten Jahren der Weimarer Republik dem Leser manchmal etwas verkürzt. Das sind aber nur marginale Anmerkungen zu dieser sehr instruktiven und nachgerade spannend zu lesenden Biographie eines wichtigen Politikers.

HANS FENSKE

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