Produktdetails
- Verlag: Societäts-Verlag
- Seitenzahl: 375
- Deutsch
- Abmessung: 305mm
- Gewicht: 2312g
- ISBN-13: 9783797307897
- ISBN-10: 3797307896
- Artikelnr.: 10141653
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2001An der Wäscheleine des Lebens
Eine Festschrift zum Abschied von Jean-Christophe Ammann
Kürzer geht's nicht. "I am still alive" - On Kawaras Telegramm. Und: "Ammann ist der Beste", eine Sprechblase, die Kasper König der Sesamstraßen-Figur Ernie auf einer Postkarte in den Mund legt, repräsentieren minimalistische Positionen in der Festschrift für Jean-Christophe Ammann. Fast ebenso lapidar äußert sich Harald Szeemann zu einer historischen Fotografie, die zwei schmucke junge Männer zeigt: "Leutnant Ammann und Kanonier Szeemann im Festblickkontakt anläßlich der Einrichtung von documenta 5, 1972. Auch Wunschmaschinen werden älter, aber rosten tun sie nicht."
Die Hommage zum Abschied von Ammann, der Ende des Jahres als Leiter des Frankfurter Museums für Moderne Kunst in den Ruhestand geht, ein in künstliches Schlangenleder gebundenes Buch im "Coffee table book"-Format, stellt eine muntere Mixtur aus Bildern und Worten dar: Kunstgenuß und Lesestoff für lange dunkle Winterabende. In den Beiträgen der 103 Künstler, Kunsthistoriker und Kritiker (auch Bischöfe, Banker oder Dichter sind vertreten) spiegeln sich Ammanns Interessen und Leidenschaften, sein ununterscheidbares berufliches und persönliches Engagement in erwartungsgemäßer Vielfalt - und alphabetischer Ordnung.
So folgt auf den drastisch gezeichneten "Arakiss" von Nobuyoshi Araki die von Thomas Bayrle mit "Fußballblassen Erinnerungen an Spielszenen" behängte "Wäscheleine des Lebens". Bald darauf ist das blauschwarze Aquarell eines ungewöhnlichen Paares zu sehen. Jonathan Borofsky widmet es "Jean-Christophe, a man of wisdom and strength". Ein schwebender Elefant mit Engelsflügeln, den Ilya Kabakov zum Platon-Zitat "No idea can be realized without the angel" zeichnete, gehört zu den sympathischsten Künstlerbeiträgen, Thomas Ruffs Digitalcolorprint "Oberleutnant übernimmt MMK" zu den komischsten. Zu Ammanns charismatischen Fähigkeiten als "Storyteller" läßt Rolf Lauter, Herausgeber der Festschrift, den Schweizer Schriftsteller und Künstler Theo Kneubühler zu Wort kommen. Er schildert die Anfänge im Jahr 1969: Ammann als neuer Leiter des Luzerner Kunstmuseums, der um jedes Wort ringe, den Körper verrenke, "als müsse er den Gedanken zuerst in den Knien erschaffen oder im linken Schulterblatt . . ."
Einer der Beiträge, die Erkenntnisgewinn mit Unterhaltungswert verbinden, ist Andreas Bees' Aufsatz "Nehmen Sie Platz - Über Stühle, Sitzordnung und Kunst": Sein Blick auf Ammanns Stuhl, ein altes schlichtes Holzmodell, weitet sich zur tour d'horizon auf die berühmten Stühle in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Bice Curiger und Jacqueline Burckhardt von der Schweizer Kunstzeitschrift "Parkett" haben für die Festschrift gedichtet: "S' Museum isch Din Ort wo läbt / wo drüber dini Aura schwäbt / Din Charme bringt d'Pyramid z'schwankä / Geschwigä dänn die tüütsch Bankä."
In einem witzigen Essay "Szenen-Wechsel" stellt Sandra Danicke das MMK als Frankfurter Erlebnis-Einrichtungskaufhaus vor: zeitgemäße Schlafzimmermöblierung im Zebralook, leider sei Probeliegen verboten. Lilafarbene Milka-Tapeten oder japanische Krimitapeten, die offenbar von entführten Frauen handelten. Stickmuster für Blumen. Putzlappen unter Glasstürzen. Leider fehlten aber überall Preisschilder, und Selbstbedienung sei in diesem Kaufhaus auch nicht gern gesehen.
lr.
"Für Jean-Christophe Ammann", Festschrift, herausgegeben von Rolf Lauter, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, Societäts-Verlag, 375 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Festschrift zum Abschied von Jean-Christophe Ammann
Kürzer geht's nicht. "I am still alive" - On Kawaras Telegramm. Und: "Ammann ist der Beste", eine Sprechblase, die Kasper König der Sesamstraßen-Figur Ernie auf einer Postkarte in den Mund legt, repräsentieren minimalistische Positionen in der Festschrift für Jean-Christophe Ammann. Fast ebenso lapidar äußert sich Harald Szeemann zu einer historischen Fotografie, die zwei schmucke junge Männer zeigt: "Leutnant Ammann und Kanonier Szeemann im Festblickkontakt anläßlich der Einrichtung von documenta 5, 1972. Auch Wunschmaschinen werden älter, aber rosten tun sie nicht."
Die Hommage zum Abschied von Ammann, der Ende des Jahres als Leiter des Frankfurter Museums für Moderne Kunst in den Ruhestand geht, ein in künstliches Schlangenleder gebundenes Buch im "Coffee table book"-Format, stellt eine muntere Mixtur aus Bildern und Worten dar: Kunstgenuß und Lesestoff für lange dunkle Winterabende. In den Beiträgen der 103 Künstler, Kunsthistoriker und Kritiker (auch Bischöfe, Banker oder Dichter sind vertreten) spiegeln sich Ammanns Interessen und Leidenschaften, sein ununterscheidbares berufliches und persönliches Engagement in erwartungsgemäßer Vielfalt - und alphabetischer Ordnung.
So folgt auf den drastisch gezeichneten "Arakiss" von Nobuyoshi Araki die von Thomas Bayrle mit "Fußballblassen Erinnerungen an Spielszenen" behängte "Wäscheleine des Lebens". Bald darauf ist das blauschwarze Aquarell eines ungewöhnlichen Paares zu sehen. Jonathan Borofsky widmet es "Jean-Christophe, a man of wisdom and strength". Ein schwebender Elefant mit Engelsflügeln, den Ilya Kabakov zum Platon-Zitat "No idea can be realized without the angel" zeichnete, gehört zu den sympathischsten Künstlerbeiträgen, Thomas Ruffs Digitalcolorprint "Oberleutnant übernimmt MMK" zu den komischsten. Zu Ammanns charismatischen Fähigkeiten als "Storyteller" läßt Rolf Lauter, Herausgeber der Festschrift, den Schweizer Schriftsteller und Künstler Theo Kneubühler zu Wort kommen. Er schildert die Anfänge im Jahr 1969: Ammann als neuer Leiter des Luzerner Kunstmuseums, der um jedes Wort ringe, den Körper verrenke, "als müsse er den Gedanken zuerst in den Knien erschaffen oder im linken Schulterblatt . . ."
Einer der Beiträge, die Erkenntnisgewinn mit Unterhaltungswert verbinden, ist Andreas Bees' Aufsatz "Nehmen Sie Platz - Über Stühle, Sitzordnung und Kunst": Sein Blick auf Ammanns Stuhl, ein altes schlichtes Holzmodell, weitet sich zur tour d'horizon auf die berühmten Stühle in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Bice Curiger und Jacqueline Burckhardt von der Schweizer Kunstzeitschrift "Parkett" haben für die Festschrift gedichtet: "S' Museum isch Din Ort wo läbt / wo drüber dini Aura schwäbt / Din Charme bringt d'Pyramid z'schwankä / Geschwigä dänn die tüütsch Bankä."
In einem witzigen Essay "Szenen-Wechsel" stellt Sandra Danicke das MMK als Frankfurter Erlebnis-Einrichtungskaufhaus vor: zeitgemäße Schlafzimmermöblierung im Zebralook, leider sei Probeliegen verboten. Lilafarbene Milka-Tapeten oder japanische Krimitapeten, die offenbar von entführten Frauen handelten. Stickmuster für Blumen. Putzlappen unter Glasstürzen. Leider fehlten aber überall Preisschilder, und Selbstbedienung sei in diesem Kaufhaus auch nicht gern gesehen.
lr.
"Für Jean-Christophe Ammann", Festschrift, herausgegeben von Rolf Lauter, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, Societäts-Verlag, 375 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main