Der Lyriker Joachim Sartorius wird 70 und schenkt uns neue Gedichte!
Joachim Sartorius bewohnt das zwielichtige und fruchtbare Territorium, wo Orient und Okzident sich begegnen. In seinem neuen, lange erwarteten Gedichtband finden wir seine halb imaginierten, halb realen Städte wieder: Alexandria, Nikosia, Syrakus und Istanbul.
Das Geheimnis des Reisens und das Geheimnis des Staunens werden im Schreiben eins. Sartorius sucht nach den Erzählungen des östlichen Mittelmeers und nach den Leerstellen der Kulturen der Levante.
Den Orten und Mythen, die am Weißen Meer angesiedelt sind, stellt er einen langen Zyklus über ein Dorf in Brandenburg und Gedichte über Schönheit und Vergänglichkeit gegenüber. Das Paradox, dass gerade die Sinnlosigkeit unseres täglichen Tuns durch die Poesie zum Leuchten gebracht wird und so ins Sinnvolle umschlagen kann, durchzieht das gesamte Buch.
SPRACHLEUCHTEN
Der Himmel ist leer. Ist schwarz.Hinter dem Schwarz eine Billion Watt.Die Lichtlöcher im Tuch sind Sterne.
Von vorn beleuchtet Sprache die Dinge,jetzt und immer. Nichts destoist der Himmel aber wie er ist.
Ist die Sprache, wie sie ist.Die Sofortbilder kommen später.Ihre Belichtung die halbe Liebe.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Joachim Sartorius bewohnt das zwielichtige und fruchtbare Territorium, wo Orient und Okzident sich begegnen. In seinem neuen, lange erwarteten Gedichtband finden wir seine halb imaginierten, halb realen Städte wieder: Alexandria, Nikosia, Syrakus und Istanbul.
Das Geheimnis des Reisens und das Geheimnis des Staunens werden im Schreiben eins. Sartorius sucht nach den Erzählungen des östlichen Mittelmeers und nach den Leerstellen der Kulturen der Levante.
Den Orten und Mythen, die am Weißen Meer angesiedelt sind, stellt er einen langen Zyklus über ein Dorf in Brandenburg und Gedichte über Schönheit und Vergänglichkeit gegenüber. Das Paradox, dass gerade die Sinnlosigkeit unseres täglichen Tuns durch die Poesie zum Leuchten gebracht wird und so ins Sinnvolle umschlagen kann, durchzieht das gesamte Buch.
SPRACHLEUCHTEN
Der Himmel ist leer. Ist schwarz.Hinter dem Schwarz eine Billion Watt.Die Lichtlöcher im Tuch sind Sterne.
Von vorn beleuchtet Sprache die Dinge,jetzt und immer. Nichts destoist der Himmel aber wie er ist.
Ist die Sprache, wie sie ist.Die Sofortbilder kommen später.Ihre Belichtung die halbe Liebe.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Kurt Drawert gibt sich dem Assoziationsfluss der neuen, weltläufigen Gedichte von Joachim Sartorius rückhaltlos hin. Das liegt an der Sicherheit gebenden Strukturiertheit des Bandes, die es Drawert ermöglicht, sich auf das herausgestellte Ungewisse in den Texten einzulassen, auf Sinnumleitungen, Rhetorik der Tropen und das Thematisieren der Bedingungen des Sprechens. Trotz der formalen Sicherheit, die Drawert schätzt, bleibt genug narrative Energie, ein erzählerisches Begehren, wie Drawert es nennt, um den Leser mit- und hinzureißen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2016Sein Brot am Dichtertisch
Zum Siebzigsten: Neue Gedichte von Joachim Sartorius
Joachim Sartorius ist ein guter Geist der Lyrik. In zahlreichen Anthologien hat er sein universales Wissen um die Dichtkunst Buch werden lassen, und der Titel der bis heute erfolgreichsten davon, "Atlas der neuen Poesie" (1995), ist in seiner Doppeldeutigkeit typisch für Sartorius. Diese Auswahl verstand sich als Wegführer zur zeitgenössischen Dichtung, aber im Bild des Atlas war natürlich auch jene mythologische Figur enthalten, welche die ganze Welt zu schultern hat. Das beschrieb nicht schlecht die Funktion, die Joachim Sartorius seitdem erfüllt.
Mit der Übertragung der pulitzerpreisgekrönten Gedichtsammlung "Self-Portrait in a Convex Mirror" von John Ashbery ins Deutsche begann Sartorius 1977, damals einunddreißig Jahre alt und Angehöriger des diplomatischen Dienstes, den Reigen seiner Arbeit an der Poesie. Kurz danach folgte bereits der Auftakt zu Übersetzung und Herausgabe von Malcolm Lowrys Werken. Die ersten eigenen Gedichte erschienen dagegen erst 1988. "Sage ich zu wem" war das Buch betitelt, und auch darin kündigte sich ein bestimmendes Motiv des Schaffens von Sartorius an: die Anschaulichkeit seiner Dichtung, die nicht in formalen Experimenten Erfüllung sucht, sondern im erzählerischen Gestus. Dass dabei seine berufsbedingt große Weltkenntnis, die während der Jahre als künstlerischer Leiter des DAAD und als Generalsekretär des Goethe-Instituts noch weiter vertieft wurde, thematisch zum Ausdruck kam, war gar nicht anders zu erwarten. Sartorius führt uns mit seinen Gedichten, aber auch seiner Prosa bevorzugt in andere Kulturkreise, besonders jene rund ums Mittelmeer. In den Tagen der Flüchtlingskrise haben diese früheren Hommagen an mediterrane Land- und Erbschaften aber fast etwas Eskapistisches.
Neben der kulturpolitischen und editorischen Arbeit hat Sartorius das eigene literarische Schreiben immer beibehalten, aber die Abstände zischen den entsprechenden Publikationen sind groß geworden. Nun ist mit "Für nichts und wieder alles" der erste Gedichtband seit 2008 erschienen, und man bemerkt in ihm einen pessimistischeren Blick auf die Welt, vor allem im Auftaktzyklus "Krücken und Rasseln", der dem eigenen Altern gilt. Da erweist sich Sartorius als durchaus zynischer Beobachter seiner selbst wie etwa in "Die Erfindung der Lüge":
Im Winterhimmel
Schlieren wie gegossenes Blei.
Schlieren, großartig und beaucoup.
Dieser silbrige Himmel im Spiegel,
dem du schwörst:
"Dieser Hals ist nicht mein Hals."
Draußen lacht man, Lügen sind
Kerker, sinkend, blinkend,
wie Erinnerungen
kehren sie wieder,
wenn auf dem Handrücken
wir unsere Adern vergleichen.
Die Spiegelung, die Sartorius hier bedichtet, ist eines der sehr starken Bilder des schmalen Buchs. Andere sind leider bemüht, wenn zum Beispiel das Artemis-Quartett kurzfristig zum Arthritis-Quartet mutiert, oder Sartorius die Allegorie vom "Geschrei wie Goldmünzen auf blauem Samt" prägt. Dann aber kommt in gebundener Rede eine lange Reminiszenz an die 1987 gestorbene jüdische Dichterin Ilse Blumenthal-Weiss, deren Mann und Sohn im Konzentrationslager ermordet worden waren und die dennoch auf Deutsch weiterdichtete. Wie Sartorius in seinem "Besuch bei einer verbannten Dichterin" das schreckliche Ende von Mann und Sohn ausspart und es doch andeutet, wenn er in einem Vers nur die überlebende Tochter nennt, das ist ein Meisterstück poetischer Dezenz ohne Feigheit. Seine am Beginn eines der neuen Gedichte stehende Behauptung "Es gibt kein Brot an diesem Tisch. / Um diesen Tisch sitzen Dichter" hat Sartorius mit seiner Poesie widerlegt. Sie ernährt nicht nur ihren Mann, sondern stillt auch unseren Lesehunger. Heute feiert Joachim Sartorius seinen siebzigsten Geburtstag.
ANDREAS PLATTHAUS
Joachim Sartorius:
"Für nichts und wieder
alles". Gedichte.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016. 92 S., geb., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zum Siebzigsten: Neue Gedichte von Joachim Sartorius
Joachim Sartorius ist ein guter Geist der Lyrik. In zahlreichen Anthologien hat er sein universales Wissen um die Dichtkunst Buch werden lassen, und der Titel der bis heute erfolgreichsten davon, "Atlas der neuen Poesie" (1995), ist in seiner Doppeldeutigkeit typisch für Sartorius. Diese Auswahl verstand sich als Wegführer zur zeitgenössischen Dichtung, aber im Bild des Atlas war natürlich auch jene mythologische Figur enthalten, welche die ganze Welt zu schultern hat. Das beschrieb nicht schlecht die Funktion, die Joachim Sartorius seitdem erfüllt.
Mit der Übertragung der pulitzerpreisgekrönten Gedichtsammlung "Self-Portrait in a Convex Mirror" von John Ashbery ins Deutsche begann Sartorius 1977, damals einunddreißig Jahre alt und Angehöriger des diplomatischen Dienstes, den Reigen seiner Arbeit an der Poesie. Kurz danach folgte bereits der Auftakt zu Übersetzung und Herausgabe von Malcolm Lowrys Werken. Die ersten eigenen Gedichte erschienen dagegen erst 1988. "Sage ich zu wem" war das Buch betitelt, und auch darin kündigte sich ein bestimmendes Motiv des Schaffens von Sartorius an: die Anschaulichkeit seiner Dichtung, die nicht in formalen Experimenten Erfüllung sucht, sondern im erzählerischen Gestus. Dass dabei seine berufsbedingt große Weltkenntnis, die während der Jahre als künstlerischer Leiter des DAAD und als Generalsekretär des Goethe-Instituts noch weiter vertieft wurde, thematisch zum Ausdruck kam, war gar nicht anders zu erwarten. Sartorius führt uns mit seinen Gedichten, aber auch seiner Prosa bevorzugt in andere Kulturkreise, besonders jene rund ums Mittelmeer. In den Tagen der Flüchtlingskrise haben diese früheren Hommagen an mediterrane Land- und Erbschaften aber fast etwas Eskapistisches.
Neben der kulturpolitischen und editorischen Arbeit hat Sartorius das eigene literarische Schreiben immer beibehalten, aber die Abstände zischen den entsprechenden Publikationen sind groß geworden. Nun ist mit "Für nichts und wieder alles" der erste Gedichtband seit 2008 erschienen, und man bemerkt in ihm einen pessimistischeren Blick auf die Welt, vor allem im Auftaktzyklus "Krücken und Rasseln", der dem eigenen Altern gilt. Da erweist sich Sartorius als durchaus zynischer Beobachter seiner selbst wie etwa in "Die Erfindung der Lüge":
Im Winterhimmel
Schlieren wie gegossenes Blei.
Schlieren, großartig und beaucoup.
Dieser silbrige Himmel im Spiegel,
dem du schwörst:
"Dieser Hals ist nicht mein Hals."
Draußen lacht man, Lügen sind
Kerker, sinkend, blinkend,
wie Erinnerungen
kehren sie wieder,
wenn auf dem Handrücken
wir unsere Adern vergleichen.
Die Spiegelung, die Sartorius hier bedichtet, ist eines der sehr starken Bilder des schmalen Buchs. Andere sind leider bemüht, wenn zum Beispiel das Artemis-Quartett kurzfristig zum Arthritis-Quartet mutiert, oder Sartorius die Allegorie vom "Geschrei wie Goldmünzen auf blauem Samt" prägt. Dann aber kommt in gebundener Rede eine lange Reminiszenz an die 1987 gestorbene jüdische Dichterin Ilse Blumenthal-Weiss, deren Mann und Sohn im Konzentrationslager ermordet worden waren und die dennoch auf Deutsch weiterdichtete. Wie Sartorius in seinem "Besuch bei einer verbannten Dichterin" das schreckliche Ende von Mann und Sohn ausspart und es doch andeutet, wenn er in einem Vers nur die überlebende Tochter nennt, das ist ein Meisterstück poetischer Dezenz ohne Feigheit. Seine am Beginn eines der neuen Gedichte stehende Behauptung "Es gibt kein Brot an diesem Tisch. / Um diesen Tisch sitzen Dichter" hat Sartorius mit seiner Poesie widerlegt. Sie ernährt nicht nur ihren Mann, sondern stillt auch unseren Lesehunger. Heute feiert Joachim Sartorius seinen siebzigsten Geburtstag.
ANDREAS PLATTHAUS
Joachim Sartorius:
"Für nichts und wieder
alles". Gedichte.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016. 92 S., geb., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Seine Poesie bringt das exotischste Land ganz nah und holt das Exterritoriale der eigenen Vergangenheit zurück.« NZZ am Sonntag