Paul von Thurn und Taxis (1843-1879) stammt aus einem der angesehensten und reichsten Fürstenhäuser Bayerns, wird in jungen Jahren Flügeladjutant, intimer Freund und Berater König Ludwigs II. Sein steiler Aufstieg bis in höchste politische Kreise endet jedoch jäh: Ludwig kündigt ihm abrupt die Freundschaft und enthebt ihn seiner Stellung, die Familie Thurn und Taxis verstößt ihn als »schwarzes Schaf« aus der fürstlichen Dynastie, Richard Wagner und Cosima von Bülow demontieren ihn moralisch. Paul ist gezwungen, eine neue Identität anzunehmen. Unter dem Namen Paul von Fels heiratet er die Koloratursopranistin Elise Kreuzer, die aus einer jüdisch-christlichen Künstlerfamilie stammt, und strebt eine Theaterkarriere an. Fürst Paul von Thurn und Taxis hat bislang in der Literatur eine Existenz als Fußnote, Lexikonartikel oder bestenfalls Unterkapitel in Darstellungen über Ludwig II. geführt. Erstmals wird in dieser Biografie mithilfe zahlreicher unveröffentlichter Dokumente und Fotografien sein dramatisches Leben dargestellt, das vom Wunsch nach Eigenbestimmung geprägt war.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2018Ludwigs Geliebter
Eine Biografie beleuchtet das tragische Leben des Paul von Thurn und Taxis,
der zum engsten Vertrauten des Königs aufstieg und dann tief gefallen ist
VON HANS KRATZER
Regensburg – Mag er auch längst vergessen sein, so verdient Paul von Thurn und Taxis (1843-79) trotzdem unser Mitgefühl. Zweifellos war er ein unkonventioneller und freiheitsliebender Mensch, dem die ständische Gesellschaft seiner Zeit viel zu eng war. Das ist auch der Grund dafür, dass er noch heute als „schwarzes Schaf“ der fürstlichen Familie Thurn und Taxis gilt. Dort war man vermutlich ganz froh, dass er bislang in der Literatur nur eine Existenz als Fußnote, als Lexikonartikel oder bestenfalls als Beiwerk in Darstellungen König Ludwigs II. führte. Nach und nach aber rückt Paul von Thurn und Taxis deutlicher in den Vordergrund. Die Forschung beleuchtet immer mehr Details aus seinem unsteten und unglücklichen Leben.
Geboren in Schloss Donaustauf, wurde Paul von Thurn und Taxis bereits in jungen Jahren an den Münchner Hof berufen, wo er bald zum Flügeladjutanten und engsten Vertrauten des jungen Königs Ludwigs II. aufstieg. Manches spricht dafür, dass die beiden Männer mehr als nur eine Freundschaft verband. Schon vor Jahren hatte der Regensburger Autor Marcus Spangenberg in seiner Ludwig II.-Biografie aus einem Brief des Flügeladjutanten zitiert: „Unsere Freundschaft ist nun vollkommen anders. Vorher waren wir einfach nur jung, jetzt ist es eine Beziehung zwischen Männern. Du bist alles für mich.“
Weitere Aufschlüsse über diese Beziehung, die von 1863 bis 1866 gedauert hat, sind nun einer mit bisher unveröffentlichten Dokumente und Fotografien versehenen Biografie zu entnehmen, die Sylvia Alphéus, Urenkelin von Fürst Paul, und Lothar Jegensdorf verfasst haben. Abgedruckt sind beispielsweise sechs Briefe von Paul an Ludwig II., die jeweils per Bote von der Wohnung an der Türkenstraße in die Residenz befördert wurden. Sie gewähren ungewöhnliche Einblicke in dieses intime Verhältnis. „Auch ich werde nur glücklich sein, wenn ich weiß, daß ich für dich leben darf, dir treu bin und bleiben kann“, schreibt Paul von Thurn und Taxis, der den König geradezu hymnisch anredet: „Heißgeliebter, herzinniggeliebter Ludwig! …“
Der hierarchische Abstand scheint vorübergehend aufgehoben gewesen zu sein. Die Freunde begegnen sich auf Augenhöhe, gleichzeitig sind sie ungleich, denn als Adjutant war Paul Ludwigs Untergebener. Die Gemütslage von Ludwig II. tritt nicht so klar zutage, denn seine Briefe an Paul sind nicht erhalten. Dass auch Ludwig Gefühle zeigte, deuten die Tagebucheinträge an: „Schöne Stunden mit Friedrich (=Paul) verlebt.“ Und: „Mit meinem geliebten Friedrich auf der Insel. Gingen froh Arm in Arm.“ Paul wiederum umarmt Ludwig in Gedanken und drückt ihn an sein Herz, ihm „glühende Küsse“ schickend.
Ein sicherer Rückschluss von diesen Zeilen auf eine intime Praxis sei aber nicht möglich, schreiben die Autoren. Freundschaft habe im 19. Jahrhundert eine andere Bandbreite an zulässigen Verhaltensmöglichkeiten gehabt als heute: „Küssen, Umarmen und Händchenhalten wurden ebenso wie leidenschaftliche Liebesbekundungen und Treueschwüre unter Männern als normal angesehen.“ Es mag auch sein, dass der König seine Homosexualität nicht ausgelebt hat, waren doch die Ansprüche Ludwigs an sich selber und an das Königtum von Gottes Gnaden sehr hoch.
Ungeachtet dessen endete der steile Aufstieg des Paul von Thurn und Taxis abrupt: Er fiel bei Ludwig II. in Ungnade, er wurde seiner Stellung enthoben, die Familie verstieß ihn aus der fürstlichen Dynastie. Das klingt merkwürdig, immerhin hatte Paul das Regierungshandeln Ludwigs durchaus positiv beeinflusst. Als Indiz für den Sturz führen die Autoren an, Paul habe als Freund den Mut aufbringen müssen, sich auf Augenhöhe „zu überheben“. Ludwig war offenbar nicht fähig, damit differenziert genug umzugehen. Für Paul dürfte eine kritische Äußerung stets mit einem hohen Risiko verbunden gewesen sein. Eine dubiose Rolle spielte wohl auch das verdruckste Liebespaar Richard Wagner und Cosima von Bülow, das beim König gegen Paul von Thurn und Taxis intrigiert hat.
Das gerne vorgebrachte Argument, Pauls Beziehung zu der Sängerin Elise Kreuzer sei der Grund gewesen, lässt sich laut Alphéus und Jegensdorf durch keine Quelle belegen. Der verzweifelte Paul schrieb dem König: „Ich wollte dich nicht kränken. Vergib, sei mir wieder gut, sonst fürchte ich das Ärgste.“ Es half nichts. Nun riskierte Paul den Skandal, unter dem neuen Namen Paul von Fels gegen den Widerstand seiner Familie die jüdische Künstlerin Elise Kreuzer zu heiraten. Er musste auf sein Erbe verzichten, was ihm lebenslange Geldnöte bescherte. Recht bald erkrankte er an Tuberkulose, im März 1879 starb er, in Cannes wurde er beerdigt.
Mit seinem Wunsch nach Eigenbestimmung war Paul von Thurn und Taxis seiner Zeit voraus. „Seine Entscheidung wies in die Zukunft, ohne dass er sich dessen bewusst war“, bilanzieren die Autoren. In seinem Leben blitzt bereits der Abschied des Adels von der Macht auf. „Es markiert den konfliktreichen Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, der im 20. Jahrhundert mit der Abschaffung der Monarchie sein Ende finden sollte.“
Sylvia Alphéus, Lothar Jegensdorf: Fürst Paul von Thurn und Taxis, ein eigensinniges Leben. Allitera Verlag, 29 Euro.
Königliche Runde: Ludwig II. am Tisch, ganz rechts steht Paul von Thurn und Taxis.
Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg
Ordonanzoffizier Paul von Thurn und Taxis im Alter von 21 Jahren, aufgenommen 1864.
Foto: Privatarchiv Alphéus
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Eine Biografie beleuchtet das tragische Leben des Paul von Thurn und Taxis,
der zum engsten Vertrauten des Königs aufstieg und dann tief gefallen ist
VON HANS KRATZER
Regensburg – Mag er auch längst vergessen sein, so verdient Paul von Thurn und Taxis (1843-79) trotzdem unser Mitgefühl. Zweifellos war er ein unkonventioneller und freiheitsliebender Mensch, dem die ständische Gesellschaft seiner Zeit viel zu eng war. Das ist auch der Grund dafür, dass er noch heute als „schwarzes Schaf“ der fürstlichen Familie Thurn und Taxis gilt. Dort war man vermutlich ganz froh, dass er bislang in der Literatur nur eine Existenz als Fußnote, als Lexikonartikel oder bestenfalls als Beiwerk in Darstellungen König Ludwigs II. führte. Nach und nach aber rückt Paul von Thurn und Taxis deutlicher in den Vordergrund. Die Forschung beleuchtet immer mehr Details aus seinem unsteten und unglücklichen Leben.
Geboren in Schloss Donaustauf, wurde Paul von Thurn und Taxis bereits in jungen Jahren an den Münchner Hof berufen, wo er bald zum Flügeladjutanten und engsten Vertrauten des jungen Königs Ludwigs II. aufstieg. Manches spricht dafür, dass die beiden Männer mehr als nur eine Freundschaft verband. Schon vor Jahren hatte der Regensburger Autor Marcus Spangenberg in seiner Ludwig II.-Biografie aus einem Brief des Flügeladjutanten zitiert: „Unsere Freundschaft ist nun vollkommen anders. Vorher waren wir einfach nur jung, jetzt ist es eine Beziehung zwischen Männern. Du bist alles für mich.“
Weitere Aufschlüsse über diese Beziehung, die von 1863 bis 1866 gedauert hat, sind nun einer mit bisher unveröffentlichten Dokumente und Fotografien versehenen Biografie zu entnehmen, die Sylvia Alphéus, Urenkelin von Fürst Paul, und Lothar Jegensdorf verfasst haben. Abgedruckt sind beispielsweise sechs Briefe von Paul an Ludwig II., die jeweils per Bote von der Wohnung an der Türkenstraße in die Residenz befördert wurden. Sie gewähren ungewöhnliche Einblicke in dieses intime Verhältnis. „Auch ich werde nur glücklich sein, wenn ich weiß, daß ich für dich leben darf, dir treu bin und bleiben kann“, schreibt Paul von Thurn und Taxis, der den König geradezu hymnisch anredet: „Heißgeliebter, herzinniggeliebter Ludwig! …“
Der hierarchische Abstand scheint vorübergehend aufgehoben gewesen zu sein. Die Freunde begegnen sich auf Augenhöhe, gleichzeitig sind sie ungleich, denn als Adjutant war Paul Ludwigs Untergebener. Die Gemütslage von Ludwig II. tritt nicht so klar zutage, denn seine Briefe an Paul sind nicht erhalten. Dass auch Ludwig Gefühle zeigte, deuten die Tagebucheinträge an: „Schöne Stunden mit Friedrich (=Paul) verlebt.“ Und: „Mit meinem geliebten Friedrich auf der Insel. Gingen froh Arm in Arm.“ Paul wiederum umarmt Ludwig in Gedanken und drückt ihn an sein Herz, ihm „glühende Küsse“ schickend.
Ein sicherer Rückschluss von diesen Zeilen auf eine intime Praxis sei aber nicht möglich, schreiben die Autoren. Freundschaft habe im 19. Jahrhundert eine andere Bandbreite an zulässigen Verhaltensmöglichkeiten gehabt als heute: „Küssen, Umarmen und Händchenhalten wurden ebenso wie leidenschaftliche Liebesbekundungen und Treueschwüre unter Männern als normal angesehen.“ Es mag auch sein, dass der König seine Homosexualität nicht ausgelebt hat, waren doch die Ansprüche Ludwigs an sich selber und an das Königtum von Gottes Gnaden sehr hoch.
Ungeachtet dessen endete der steile Aufstieg des Paul von Thurn und Taxis abrupt: Er fiel bei Ludwig II. in Ungnade, er wurde seiner Stellung enthoben, die Familie verstieß ihn aus der fürstlichen Dynastie. Das klingt merkwürdig, immerhin hatte Paul das Regierungshandeln Ludwigs durchaus positiv beeinflusst. Als Indiz für den Sturz führen die Autoren an, Paul habe als Freund den Mut aufbringen müssen, sich auf Augenhöhe „zu überheben“. Ludwig war offenbar nicht fähig, damit differenziert genug umzugehen. Für Paul dürfte eine kritische Äußerung stets mit einem hohen Risiko verbunden gewesen sein. Eine dubiose Rolle spielte wohl auch das verdruckste Liebespaar Richard Wagner und Cosima von Bülow, das beim König gegen Paul von Thurn und Taxis intrigiert hat.
Das gerne vorgebrachte Argument, Pauls Beziehung zu der Sängerin Elise Kreuzer sei der Grund gewesen, lässt sich laut Alphéus und Jegensdorf durch keine Quelle belegen. Der verzweifelte Paul schrieb dem König: „Ich wollte dich nicht kränken. Vergib, sei mir wieder gut, sonst fürchte ich das Ärgste.“ Es half nichts. Nun riskierte Paul den Skandal, unter dem neuen Namen Paul von Fels gegen den Widerstand seiner Familie die jüdische Künstlerin Elise Kreuzer zu heiraten. Er musste auf sein Erbe verzichten, was ihm lebenslange Geldnöte bescherte. Recht bald erkrankte er an Tuberkulose, im März 1879 starb er, in Cannes wurde er beerdigt.
Mit seinem Wunsch nach Eigenbestimmung war Paul von Thurn und Taxis seiner Zeit voraus. „Seine Entscheidung wies in die Zukunft, ohne dass er sich dessen bewusst war“, bilanzieren die Autoren. In seinem Leben blitzt bereits der Abschied des Adels von der Macht auf. „Es markiert den konfliktreichen Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, der im 20. Jahrhundert mit der Abschaffung der Monarchie sein Ende finden sollte.“
Sylvia Alphéus, Lothar Jegensdorf: Fürst Paul von Thurn und Taxis, ein eigensinniges Leben. Allitera Verlag, 29 Euro.
Königliche Runde: Ludwig II. am Tisch, ganz rechts steht Paul von Thurn und Taxis.
Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg
Ordonanzoffizier Paul von Thurn und Taxis im Alter von 21 Jahren, aufgenommen 1864.
Foto: Privatarchiv Alphéus
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