Weltgeschichte erzählt am Schicksal ihrer Protagonisten.August 1939. Flirrende Hitze in Mitteleuropa. Das Korn wird gemäht. Ferienzeit. Es könnten unbeschwerte Tage sein, aber etwas Verstörendes liegt in der Luft. Die einen sagen, ein neuer Krieg stehe bevor. Die anderen schwören, der Frieden sei sicher. In diesem unruhigen August schaut die Welt auf den Obersalzberg. Hier verbringt Adolf Hitler seinen Sommer. Von hier aus wagt er ein riskantes Spiel. Hauke Friederichs erzählt die Geschichte jenes Sommers, in dem die Welt am 1. September 1939 um 4:45 Uhr ins Chaos gestoßen wurde. Aus dem Funkenflug entstand ein Weltenbrand, und nichts war mehr wie zuvor.Mit: Carl Jacob Burckhardt Wilhelm Canaris Winston Churchill Birger Dahlerus John Fitzgerald Kennedy Gustav Kleikamp Reinhard Heydrich Iwan Maiski Katia Mann Unity Mitford Sophie Scholl William Shirer Swetlana Iossifowna Stalina Ernst von Weizsäcker»Ein Geschehen, das wir bisher nur aus Schul- und Geschichtsbüchern kannten, [bekommt] auf einmal glühende Farben.« Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, über "Die Totengräber"»Ein spannendes Stück Geschichte, das oft bedrohlich aktuell wirkt und selten so nah an der Lebenswirklichkeit erzählt wurde.« Stefan Schmitz, Stern, über "Die Totengräber"
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2019Ein Unterstand für den Luftschutz passt in jeden Vorgarten
Deutscher und britischer Alltag im Sommer 1939: Frederick Taylor und Hauke Friederichs versammeln Zeugnisse der Gesellschaften vor dem Kriegsausbruch
In der Kontroverse über den Ursprung des Ersten Weltkriegs, die 2014 geführt wurde, stand die Befürchtung im Hintergrund, eine Dekonstruktion der besonderen Schuld der Mittelmächte könnte eine Generalprobe für den nächsten runden Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs sein, also auch für ihn mehrere Schuldige zu benennen. Eine Antwort darauf, ob diese Sorge berechtigt war, steht noch aus. Evident ist aber schon jetzt der Versuch, für den achtzigsten Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs an Buchformate anzuknüpfen, die vor fünf Jahren erfolgreich waren, etwa an dichte Beschreibungen des letzten Friedenssommers oder an Titel, die weitreichende Neudeutungen suggerieren wie "Der Krieg, den keiner wollte" mit seinem Verweis auf eine "andere Geschichte".
Wer hier ein Pendant zu den "Schlafwandlern" erhofft, wird gründlich enttäuscht werden: Der Originaltitel von Fredrick Taylors Buch, "1939: A People's History", verweist auf die Tradition einer Geschichte "von unten". Es geht um den Alltag der Bevölkerung in Großbritannien und in Deutschland und ihre Reaktionen auf die zwischen dem Münchener Abkommen im September 1938 und dem Kriegsausbruch im September 1939 medial kommunizierte Politik. Beides ist in einer Diktatur schwerer zu erheben als in einer liberalen Demokratie; Taylor gelingt es dennoch, für Großbritannien und Deutschland analoge Quellen zu finden.
Neben Zeitungen sind das die von "mass observation" erhobenen Stimmungsbilder der britischen Öffentlichkeit, Berichte der Exilorganisation der deutschen Sozialdemokratie sowie der nationalsozialistischen Geheimpolizei, edierte und unveröffentlichte Tagebücher und Erinnerungen sowie die einschlägige politik-, sozial- und konsumhistorische Forschung.
Taylor verweist einleitend auf Analogien zwischen den späten dreißiger Jahren und der Gegenwart: die Unübersichtlichkeit politischer Verhältnisse, die nur teilweise überwundene Wirtschaftskrise und damit verbundene abrupte politische Richtungswechsel wie den Brexit. Ausgangspunkt seiner historischen Erzählung ist die Kriegsfurcht im Herbst 1938 und die Erleichterung der Bevölkerung auf beiden Seiten darüber, dass der Krieg doch noch - auf Kosten der Tschechoslowakei - abgewendet werden konnte. Er verfolgt dann die Resonanz auf Ereignisse wie die Besetzung Prags, die Novemberpogrome, die IRA-Anschläge in Großbritannien, den wachsenden deutschen Druck auf Polen und das Publikwerden des Hitler-Stalin Pakts.
In systematischeren Exkursen geht es um die Auswirkungen der Kriegsvorbereitungen auf den Alltag, etwa das Einbuddeln von "Anderson shelters" gegen Luftangriffe in Vorgärten oder die Einführung einer militärischen Grundausbildung für junge Männer in Großbritannien, um Überschneidungen und Differenzen des Kinoprogramms, das in beiden Ländern nicht zuletzt durch amerikanische Filme bestimmt blieb, um die Nutzung des Fernsehens, um Motorisierung und Urlaubsreisen, besonders um den Abstand zwischen der relativ wohlhabenden Konsumgesellschaft Großbritanniens und den weitgehend leeren Wohlstandsversprechungen in Deutschland mit seinen nur scheinbar egalitären "Kraft durch Freude"-Reisen. Weitere wichtige Themen sind die immer weiter gehende Ausgrenzung von Juden aus der deutschen Gesellschaft und der Beginn des Nachdenkens über Atombomben in Deutschland und den Vereinigten Staaten.
Das gut zu lesende, an Anekdoten reiche Buch verbindet allgemeinhistorische, alltagshistorische und sozialhistorische Perspektiven. Es vertritt keineswegs die These, "keiner" habe den Krieg gewollt: Hitler und sein engster Zirkel hätten ihn allenfalls gerne etwas länger hinausgezögert. Für Deutschland liegt der Fokus allerdings stark auf Personen, die sich aktiv gegen die NS-Diktatur einsetzten oder zumindest punktuell Kritik übten. Dagegen treten diejenigen, die bereitwillig "dem Führer entgegenarbeiteten", einen Krieg für richtig oder unvermeidbar hielten, zurück - wozu beiträgt, dass als Endpunkt der Geschichte der September 1939 gewählt wird, als die großen Siege Hitlers noch ausstanden. Für Großbritannien betont das Buch Widerstände gegen den Krieg, etwa in der rechten Presse, die einer weiteren Entspannung das Wort redete und durchaus mit antisemitischen Kommentaren operierte, oder bei dem Massenpublikum, das Sir Oswald Mosley als britischer Faschistenführer im Sommer 1939 mobilisieren konnte - gewiss mit einigem Recht, vielleicht aber auch etwas zu sehr.
In Hauke Friederichs "Funkenflug" ist der gewählte Zeitraum noch deutlich enger, reicht vom 1. August bis zum 1. September 1939. Was machten Hitler, Göring, Goebbels, Himmler und Heydrich, aber auch andere gut bekannte Persönlichkeiten wie Stalin und seine Tochter, die Familie Thomas Manns, Unity Valkyrie Mitford (die Hitler vergötternde Schwägerin Oswald Mosleys), die Geschwister Scholl und ihr Freundeskreis, der schwedische Laiendiplomat Birger Dahlerus, Carl Jacob Burckhardt als Völkerbundskommissar in Danzig, John F. Kennedy als Student auf Europareise, Graf Ciano als Mussolinis Außenminister und so weiter in jenen Tagen? Trotz der beeindruckenden Bibliographie und Danksagungen ans Bundesarchiv sind echte Überraschungen bei diesem Personaltableau nicht zu erwarten. In einer fast artifiziell simplen Sprache und mit zahlreichen Wiederholungen, die es erlauben, an jedem Tag in die Geschichte einzusteigen, werden Handlungen der ausgewählten Personen im letzten Friedensmonat dargestellt. Meist geschieht das zuverlässig, manchmal stutzt man: Von Hitlers Berghof zu Hitlers Kehlsteinhaus, beide bei Berchtesgaden, sollen 6512 Kilometer Straße gebaut worden sein? Und Stalin hätte im orthodoxen Priesterseminar in Tiflis unter "Praktiken der Jesuiten" gelitten?
Jenseits solcher Petitessen gibt ein weiterer Punkt zu denken. Anders als bei Taylor, der explizit nur die deutsche und die britische Gesellschaft in den Blick nimmt, ist bei Friederichs nicht klar, warum etwa die französische Perspektive praktisch nicht präsent ist. Steckt dahinter die These, nur die Verhandlungen zwischen Berlin und London seien relevant, da potentiell ergebnisoffen gewesen, oder ein impliziter Vorgriff auf 1940, als Frankreich, aber nicht Großbritannien, weitgehend aus dem Krieg ausschied?
Der enge Zeitraum eines Monats hat eindeutig Vorteile, bringt aber auch ein Problem mit sich: Er suggeriert eine Unübersichtlichkeit der weltpolitischen Lage, die in den ausgehenden dreißiger Jahren - anders als vor 1914 - dann doch nicht gegeben war. Die Debatten um 1914 haben gezeigt, dass die ideologischen und lebenspraktischen Unterschiede zwischen den europäischen Reichen vor dem Ersten Weltkrieg so groß nicht waren. Das war zwischen den Diktaturen und den Demokratien der späten Zwischenkriegszeit völlig anders. Gewiss: Die Allianz zwischen Deutschland und der Sowjetunion gegen Polen markierte einen überraschenden Wendepunkt, und sie ließ kurzfristig eine analoge Allianz zwischen Mussolinis Italien und Großbritannien möglich erscheinen, wie ein ähnlicher Fokus auf das Jahr 1940 zeigen würde. Es ist aber kein Zufall, dass sich beide Bündnisperspektiven entweder gar nicht realisieren ließen oder nur kurz Bestand hatten. Insofern ist die historische Aussagekraft einer kurzen Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs eben doch begrenzt - es gab keine echten Alternativen zu dem militärischen Konflikt, für den die Auseinandersetzungen um Danzig, den "Korridor" und die Integrität Polens nur der Anlass, nicht die Ursache waren.
ANDREAS FAHRMEIR
Frederick Taylor: "Der Krieg, den keiner wollte". Briten und Deutsche: Eine andere Geschichte des Jahres 1939. Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Heide Lutosch. Siedler Verlag, München 2019. 432 S., geb., 30,- [Euro].
Hauke Friederichs:
"Funkenflug". August 1939: Der Sommer, bevor der Krieg begann.
Aufbau Verlag, Berlin 2019. 376 S., Abb., geb., 24,- [Euro].
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Deutscher und britischer Alltag im Sommer 1939: Frederick Taylor und Hauke Friederichs versammeln Zeugnisse der Gesellschaften vor dem Kriegsausbruch
In der Kontroverse über den Ursprung des Ersten Weltkriegs, die 2014 geführt wurde, stand die Befürchtung im Hintergrund, eine Dekonstruktion der besonderen Schuld der Mittelmächte könnte eine Generalprobe für den nächsten runden Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs sein, also auch für ihn mehrere Schuldige zu benennen. Eine Antwort darauf, ob diese Sorge berechtigt war, steht noch aus. Evident ist aber schon jetzt der Versuch, für den achtzigsten Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs an Buchformate anzuknüpfen, die vor fünf Jahren erfolgreich waren, etwa an dichte Beschreibungen des letzten Friedenssommers oder an Titel, die weitreichende Neudeutungen suggerieren wie "Der Krieg, den keiner wollte" mit seinem Verweis auf eine "andere Geschichte".
Wer hier ein Pendant zu den "Schlafwandlern" erhofft, wird gründlich enttäuscht werden: Der Originaltitel von Fredrick Taylors Buch, "1939: A People's History", verweist auf die Tradition einer Geschichte "von unten". Es geht um den Alltag der Bevölkerung in Großbritannien und in Deutschland und ihre Reaktionen auf die zwischen dem Münchener Abkommen im September 1938 und dem Kriegsausbruch im September 1939 medial kommunizierte Politik. Beides ist in einer Diktatur schwerer zu erheben als in einer liberalen Demokratie; Taylor gelingt es dennoch, für Großbritannien und Deutschland analoge Quellen zu finden.
Neben Zeitungen sind das die von "mass observation" erhobenen Stimmungsbilder der britischen Öffentlichkeit, Berichte der Exilorganisation der deutschen Sozialdemokratie sowie der nationalsozialistischen Geheimpolizei, edierte und unveröffentlichte Tagebücher und Erinnerungen sowie die einschlägige politik-, sozial- und konsumhistorische Forschung.
Taylor verweist einleitend auf Analogien zwischen den späten dreißiger Jahren und der Gegenwart: die Unübersichtlichkeit politischer Verhältnisse, die nur teilweise überwundene Wirtschaftskrise und damit verbundene abrupte politische Richtungswechsel wie den Brexit. Ausgangspunkt seiner historischen Erzählung ist die Kriegsfurcht im Herbst 1938 und die Erleichterung der Bevölkerung auf beiden Seiten darüber, dass der Krieg doch noch - auf Kosten der Tschechoslowakei - abgewendet werden konnte. Er verfolgt dann die Resonanz auf Ereignisse wie die Besetzung Prags, die Novemberpogrome, die IRA-Anschläge in Großbritannien, den wachsenden deutschen Druck auf Polen und das Publikwerden des Hitler-Stalin Pakts.
In systematischeren Exkursen geht es um die Auswirkungen der Kriegsvorbereitungen auf den Alltag, etwa das Einbuddeln von "Anderson shelters" gegen Luftangriffe in Vorgärten oder die Einführung einer militärischen Grundausbildung für junge Männer in Großbritannien, um Überschneidungen und Differenzen des Kinoprogramms, das in beiden Ländern nicht zuletzt durch amerikanische Filme bestimmt blieb, um die Nutzung des Fernsehens, um Motorisierung und Urlaubsreisen, besonders um den Abstand zwischen der relativ wohlhabenden Konsumgesellschaft Großbritanniens und den weitgehend leeren Wohlstandsversprechungen in Deutschland mit seinen nur scheinbar egalitären "Kraft durch Freude"-Reisen. Weitere wichtige Themen sind die immer weiter gehende Ausgrenzung von Juden aus der deutschen Gesellschaft und der Beginn des Nachdenkens über Atombomben in Deutschland und den Vereinigten Staaten.
Das gut zu lesende, an Anekdoten reiche Buch verbindet allgemeinhistorische, alltagshistorische und sozialhistorische Perspektiven. Es vertritt keineswegs die These, "keiner" habe den Krieg gewollt: Hitler und sein engster Zirkel hätten ihn allenfalls gerne etwas länger hinausgezögert. Für Deutschland liegt der Fokus allerdings stark auf Personen, die sich aktiv gegen die NS-Diktatur einsetzten oder zumindest punktuell Kritik übten. Dagegen treten diejenigen, die bereitwillig "dem Führer entgegenarbeiteten", einen Krieg für richtig oder unvermeidbar hielten, zurück - wozu beiträgt, dass als Endpunkt der Geschichte der September 1939 gewählt wird, als die großen Siege Hitlers noch ausstanden. Für Großbritannien betont das Buch Widerstände gegen den Krieg, etwa in der rechten Presse, die einer weiteren Entspannung das Wort redete und durchaus mit antisemitischen Kommentaren operierte, oder bei dem Massenpublikum, das Sir Oswald Mosley als britischer Faschistenführer im Sommer 1939 mobilisieren konnte - gewiss mit einigem Recht, vielleicht aber auch etwas zu sehr.
In Hauke Friederichs "Funkenflug" ist der gewählte Zeitraum noch deutlich enger, reicht vom 1. August bis zum 1. September 1939. Was machten Hitler, Göring, Goebbels, Himmler und Heydrich, aber auch andere gut bekannte Persönlichkeiten wie Stalin und seine Tochter, die Familie Thomas Manns, Unity Valkyrie Mitford (die Hitler vergötternde Schwägerin Oswald Mosleys), die Geschwister Scholl und ihr Freundeskreis, der schwedische Laiendiplomat Birger Dahlerus, Carl Jacob Burckhardt als Völkerbundskommissar in Danzig, John F. Kennedy als Student auf Europareise, Graf Ciano als Mussolinis Außenminister und so weiter in jenen Tagen? Trotz der beeindruckenden Bibliographie und Danksagungen ans Bundesarchiv sind echte Überraschungen bei diesem Personaltableau nicht zu erwarten. In einer fast artifiziell simplen Sprache und mit zahlreichen Wiederholungen, die es erlauben, an jedem Tag in die Geschichte einzusteigen, werden Handlungen der ausgewählten Personen im letzten Friedensmonat dargestellt. Meist geschieht das zuverlässig, manchmal stutzt man: Von Hitlers Berghof zu Hitlers Kehlsteinhaus, beide bei Berchtesgaden, sollen 6512 Kilometer Straße gebaut worden sein? Und Stalin hätte im orthodoxen Priesterseminar in Tiflis unter "Praktiken der Jesuiten" gelitten?
Jenseits solcher Petitessen gibt ein weiterer Punkt zu denken. Anders als bei Taylor, der explizit nur die deutsche und die britische Gesellschaft in den Blick nimmt, ist bei Friederichs nicht klar, warum etwa die französische Perspektive praktisch nicht präsent ist. Steckt dahinter die These, nur die Verhandlungen zwischen Berlin und London seien relevant, da potentiell ergebnisoffen gewesen, oder ein impliziter Vorgriff auf 1940, als Frankreich, aber nicht Großbritannien, weitgehend aus dem Krieg ausschied?
Der enge Zeitraum eines Monats hat eindeutig Vorteile, bringt aber auch ein Problem mit sich: Er suggeriert eine Unübersichtlichkeit der weltpolitischen Lage, die in den ausgehenden dreißiger Jahren - anders als vor 1914 - dann doch nicht gegeben war. Die Debatten um 1914 haben gezeigt, dass die ideologischen und lebenspraktischen Unterschiede zwischen den europäischen Reichen vor dem Ersten Weltkrieg so groß nicht waren. Das war zwischen den Diktaturen und den Demokratien der späten Zwischenkriegszeit völlig anders. Gewiss: Die Allianz zwischen Deutschland und der Sowjetunion gegen Polen markierte einen überraschenden Wendepunkt, und sie ließ kurzfristig eine analoge Allianz zwischen Mussolinis Italien und Großbritannien möglich erscheinen, wie ein ähnlicher Fokus auf das Jahr 1940 zeigen würde. Es ist aber kein Zufall, dass sich beide Bündnisperspektiven entweder gar nicht realisieren ließen oder nur kurz Bestand hatten. Insofern ist die historische Aussagekraft einer kurzen Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs eben doch begrenzt - es gab keine echten Alternativen zu dem militärischen Konflikt, für den die Auseinandersetzungen um Danzig, den "Korridor" und die Integrität Polens nur der Anlass, nicht die Ursache waren.
ANDREAS FAHRMEIR
Frederick Taylor: "Der Krieg, den keiner wollte". Briten und Deutsche: Eine andere Geschichte des Jahres 1939. Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Heide Lutosch. Siedler Verlag, München 2019. 432 S., geb., 30,- [Euro].
Hauke Friederichs:
"Funkenflug". August 1939: Der Sommer, bevor der Krieg begann.
Aufbau Verlag, Berlin 2019. 376 S., Abb., geb., 24,- [Euro].
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»Dank des tagebuchartigen Charakters liest sich das Buch wie ein spannender Countdown bis zum Krieg, unwillkürlich wird der Leser von der Hoffnung gepackt, dass das Unabwendbare doch noch abgewendet wird.« Der SPIEGEL 20190713