Die Schriftenreihe des Wirtschaftswissenschaftlichen Seminars Ottobeuren publiziert alle Referate, die auf den Wirtschaftswissenschaftlichen Seminaren in Ottobeuren vorgetragen werden. Ziel der Seminare ist es, in einem Kreis ausgewiesener Experten neue theoretische Ansätze vorzustellen, neue empirische Befunde vorzulegen und wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen zu erörtern.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2002Auch Glück spielt eine Rolle
Eine Untersuchung der Bestimmungsgründe von Fusionswellen
Wolfgang Franz/Hans Jürgen Ramser/Manfred Stadler (Herausgeber): Fusionen. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2002, 288 Seiten, 49 Euro.
Die Fusionitis ist auf der ganzen Welt ungebrochen. Die Zahl der Unternehmenszusammenschlüsse und Übernahmen lag im Jahr 2000 dreimal so hoch wie noch zehn Jahre zuvor. Das Transaktionsvolumen hat sich sogar verzwölffacht. Dabei ist nicht einmal die Hälfte der Fusionen erfolgreich. Warum lassen sich Manager und Anteilseigner dennoch immer wieder darauf ein? Wieso treten Fusionen in Wellen auf? Weshalb konzentrieren sich diese Wellen auf bestimmte Branchen? Wie beeinflussen Fusionen die Rentabilität der beteiligten und der nichtbeteiligten Unternehmen? Steigert eine strategische Außenhandelspolitik den Anreiz für Fusionen? Wie ist die im Zuge der Zusammenschlüsse zunehmende Konzentration zu beurteilen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Vielzahl von Wissenschaftlern in dem von Wolfgang Franz (Mannheim), Hans Jürgen Ramser (Konstanz) und Manfred Stadler (Tübingen) herausgegebenen Tagungsband.
Frederic Scherer (Harvard) macht den Auftakt, indem er alle Argumente aufzählt, die für Unternehmenszusammenschlüsse sprechen mögen: finanzielle Motive, strategische Gründe wie Synergien und Komplementaritäten, Suche nach Einfluß auf den Marktpreis durch eine Monopol- oder monopolähnliche Stellung und schließlich - schlichte Großmannssucht ("empire building motives"). Daß die Fusionswelle der sechziger Jahren vor allem auf Konglomerate zielte, erklärt er damit, daß das Wettbewerbsrecht horizontale und marktabriegelnde vertikale Fusionen erschwert hatte, so daß den Unternehmen auf der Suche nach externem Wachstum nur noch blieb, auf Komplementaritäten in fremden Branchen zu hoffen. "Die Konglomerate-Fusionswelle war ein Fiasko", schreibt Scherer. Doch diese Zeit sei dank einiger Lockerungen im Wettbewerbsrecht vorüber.
Die Akteure auf den Finanzmärkten würden aber dennoch immer wieder von den langfristigen Konsequenzen von Fusionen überrascht. Im allgemeinen lege der Aktienkurs des übernommenen Unternehmens zu, während die Aktionäre des Käuferunternehmens einen Abschlag hinnehmen müßten. Dies könnten sich die Manager des übernehmenden Unternehmens zunutze machen, indem sie einen Zusammenschluß just in der Phase der Überbewertung der Aktie ihres Unternehmens unterbrächten - und somit die Quelle dieser Überbewertung verschleierten. Scherer vergleicht Zusammenschlüsse mit dem Glücksspiel: "Fähigkeiten sind wichtig, aber das Glück spielt auch eine wichtige Rolle." Nur lägen die Folgen falscher Spielzüge nicht so schnell auf dem Tisch wie im Casino.
Jörg Kleinert und Henning Klodt (Kiel) kommen auf Basis einer eigens angelegten, umfangreichen Fusions-Datenbank ("Dome") zu dem Schluß, die verstärkte Fusionsaktivität seit Mitte der neunziger Jahre sei vor allem von Deregulierungen und von der Globalisierung angetrieben worden; dementsprechend ergäben sich auch sektorale Schwerpunkte, insbesondere in Netzwerkindustrien. Steffen Huck (Surrey) und Kai Konrad (FU Berlin) zeigen in einem Modell, wie Exportsubventionen den Anreiz für nationale Fusionen steigern können. Wernhard Möschel (Tübingen) warnt dennoch vor einer zentralisierten internationalen Fusionskontrolle.
Fallstudien reichern den Band an: Manfred Timmermann (Kreuzlingen) untersucht die Fusion Deutsche Bank/Bankers Trust, Malte Cherdron und Konrad Stahl (beide Mannheim) widmen sich den Fusionen in der Automobilindustrie. Carl Christian von Weizsäcker (Köln) widmet sich dem Konzept der "kollektiven Marktbeherrschung" aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das eine Dominanz mehrerer Anbieter beschreibt, zwischen denen kein wesentlicher Wettbewerb herrscht. Am Fall des Tankstellenmarkts weist Weizsäcker nach, daß dieses Konzept wenig hilfreich ist: weil es über die tatsächlichen Wettbewerbsbeziehungen auf dem Markt hinwegtäuscht - und weil es voraussetzt, "daß die Behörde weiß, was wesentlicher und was nicht wesentlicher Wettbewerb ist".
KAREN HORN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Untersuchung der Bestimmungsgründe von Fusionswellen
Wolfgang Franz/Hans Jürgen Ramser/Manfred Stadler (Herausgeber): Fusionen. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2002, 288 Seiten, 49 Euro.
Die Fusionitis ist auf der ganzen Welt ungebrochen. Die Zahl der Unternehmenszusammenschlüsse und Übernahmen lag im Jahr 2000 dreimal so hoch wie noch zehn Jahre zuvor. Das Transaktionsvolumen hat sich sogar verzwölffacht. Dabei ist nicht einmal die Hälfte der Fusionen erfolgreich. Warum lassen sich Manager und Anteilseigner dennoch immer wieder darauf ein? Wieso treten Fusionen in Wellen auf? Weshalb konzentrieren sich diese Wellen auf bestimmte Branchen? Wie beeinflussen Fusionen die Rentabilität der beteiligten und der nichtbeteiligten Unternehmen? Steigert eine strategische Außenhandelspolitik den Anreiz für Fusionen? Wie ist die im Zuge der Zusammenschlüsse zunehmende Konzentration zu beurteilen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Vielzahl von Wissenschaftlern in dem von Wolfgang Franz (Mannheim), Hans Jürgen Ramser (Konstanz) und Manfred Stadler (Tübingen) herausgegebenen Tagungsband.
Frederic Scherer (Harvard) macht den Auftakt, indem er alle Argumente aufzählt, die für Unternehmenszusammenschlüsse sprechen mögen: finanzielle Motive, strategische Gründe wie Synergien und Komplementaritäten, Suche nach Einfluß auf den Marktpreis durch eine Monopol- oder monopolähnliche Stellung und schließlich - schlichte Großmannssucht ("empire building motives"). Daß die Fusionswelle der sechziger Jahren vor allem auf Konglomerate zielte, erklärt er damit, daß das Wettbewerbsrecht horizontale und marktabriegelnde vertikale Fusionen erschwert hatte, so daß den Unternehmen auf der Suche nach externem Wachstum nur noch blieb, auf Komplementaritäten in fremden Branchen zu hoffen. "Die Konglomerate-Fusionswelle war ein Fiasko", schreibt Scherer. Doch diese Zeit sei dank einiger Lockerungen im Wettbewerbsrecht vorüber.
Die Akteure auf den Finanzmärkten würden aber dennoch immer wieder von den langfristigen Konsequenzen von Fusionen überrascht. Im allgemeinen lege der Aktienkurs des übernommenen Unternehmens zu, während die Aktionäre des Käuferunternehmens einen Abschlag hinnehmen müßten. Dies könnten sich die Manager des übernehmenden Unternehmens zunutze machen, indem sie einen Zusammenschluß just in der Phase der Überbewertung der Aktie ihres Unternehmens unterbrächten - und somit die Quelle dieser Überbewertung verschleierten. Scherer vergleicht Zusammenschlüsse mit dem Glücksspiel: "Fähigkeiten sind wichtig, aber das Glück spielt auch eine wichtige Rolle." Nur lägen die Folgen falscher Spielzüge nicht so schnell auf dem Tisch wie im Casino.
Jörg Kleinert und Henning Klodt (Kiel) kommen auf Basis einer eigens angelegten, umfangreichen Fusions-Datenbank ("Dome") zu dem Schluß, die verstärkte Fusionsaktivität seit Mitte der neunziger Jahre sei vor allem von Deregulierungen und von der Globalisierung angetrieben worden; dementsprechend ergäben sich auch sektorale Schwerpunkte, insbesondere in Netzwerkindustrien. Steffen Huck (Surrey) und Kai Konrad (FU Berlin) zeigen in einem Modell, wie Exportsubventionen den Anreiz für nationale Fusionen steigern können. Wernhard Möschel (Tübingen) warnt dennoch vor einer zentralisierten internationalen Fusionskontrolle.
Fallstudien reichern den Band an: Manfred Timmermann (Kreuzlingen) untersucht die Fusion Deutsche Bank/Bankers Trust, Malte Cherdron und Konrad Stahl (beide Mannheim) widmen sich den Fusionen in der Automobilindustrie. Carl Christian von Weizsäcker (Köln) widmet sich dem Konzept der "kollektiven Marktbeherrschung" aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das eine Dominanz mehrerer Anbieter beschreibt, zwischen denen kein wesentlicher Wettbewerb herrscht. Am Fall des Tankstellenmarkts weist Weizsäcker nach, daß dieses Konzept wenig hilfreich ist: weil es über die tatsächlichen Wettbewerbsbeziehungen auf dem Markt hinwegtäuscht - und weil es voraussetzt, "daß die Behörde weiß, was wesentlicher und was nicht wesentlicher Wettbewerb ist".
KAREN HORN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Passend zur derzeitigen "Fusionitis" wurde von den Wissenschaftlern Wolfgang Franz, Hans Jürgen Ramser und Manfred Stadler ein Tagungsband herausgegeben. Karen Horn fällt zwar kein explizites Urteil zum Buch, scheint aber dennoch recht angetan, lässt sie sich doch ausführlich zum inhaltlichen Ablauf aus. Die Beleuchtung der Beweggründe für und des Sinngehalts von Fusionen sieht die Rezensentin durch überzeugende Fallstudien "bereichert".
© Perlentaucher Medien GmbH
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