Produktdetails
- Verlag: Agon
- Seitenzahl: 199
- Deutsch
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 333g
- ISBN-13: 9783897841741
- ISBN-10: 3897841746
- Artikelnr.: 09572330
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2002Die Geburt einer Unterhaltungsindustrie
Historiker haben sich dem Thema Fußball erst neuerdings angenähert, insofern stellt Erik Eggers' Buch "Fußball in der Weimarer Republik" eine Pionierarbeit dar. Die sehr detailreiche, teils überraschende Ergebnisse präsentierende Arbeit basiert auf einer Studie an der Universität Köln und schildert das Entstehen "einer Unterhaltungsindustrie, die Sensationen und Rekorde produzierte und dem breiten Publikum (Ersatz-)Helden bescherte".
In den zwanziger Jahren wurde der Fußball, ehedem Betätigungsfeld privilegierter Schichten, später der Angestellten, zum Volkssport. Der Autor führt an, daß neben vermehrter Freizeit (Acht-Stunden-Tag) "die Suche nach neuen Formen der Identität" dafür verantwortlich war. Vom Boom profitierte der Deutsche Fußball-Bund (DFB), dessen Mitgliederzahl 1914 bei 190 000 lag, Anfang 1921 aber bereits bei 750 000. Allerdings hatte die Dachorganisation damals keine dominierende Stellung, die Regionalverbände sprachen ein gewichtiges Wort mit, weshalb die Nationalmannschaft nach dem Proporz-System aufgestellt wurde.
Ein Grund für die Anziehungskraft des an sich nationalistisch-konservativen DFB war, daß er seine politische Neutralität im Gegensatz zum Arbeitersport, der zudem unter der Abspaltung des kommunistischen "Rotsport" 1928 litt, betonte. Auch hatte der Arbeiter-Turn- und -Sportbund (ATSB) sich spät entschlossen, dem Fußball Raum zu geben. Dennoch bot der Arbeitersport den bürgerlichen Klubs ein Reservoir an guten Spielern - Erwin Seeler, Vater von "Uns Uwe", von Lorbeer Rothenburgsort in Hamburg zum bürgerlichen SC Victoria "geködert", ist ein Beispiel. Es ist erfreulich, daß der Autor auch die fußballerischen Aktivitäten weiterer Organisationen registriert, darunter die konfessionellen Sportverbände Deutsche Jugendkraft und Eichenkreuz sowie die Deutsche Turnerschaft, die 1924 bis 1931 die "reinliche Scheidung" vom DFB vollzog; unter anderem verließ damals Schwarz-Weiß Essen die Deutsche Turnerschaft.
Der DFB, von manchen als "Geldscheffelmühle" kritisiert, profitierte am Zuschauersport und stockte, da an den Einnahmen beteiligt, die Teilnehmerzahl an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft auf (siehe heute Champions League und WM). An die Einführung einer "Reichsliga" mit allen Stars, längst auch interessant für Medien (es existierten 300 bis 500 Sportzeitungen) und Werbung, war gedacht. Allerdings zeitigte die Wachstumsbranche auch Probleme: "Der größte Konflikt" war nach Eggers die Amateurfrage, unter den üblichen Verdächtigen waren Schalke 04 und Hertha BSC Berlin. Sperren trafen aber auch einen Nationaltorhüter, den "schönen Willibald" Kreß, und bekanntermaßen Josef Herberger. Die Spielweise war rauh und derb, weshalb der Fußball-Westen eine "entkrampfte" zweijährige Saison debattierte. Von den Zuschauer-Ausschreitungen jener Tage auf Gewaltbereitschaft zu schließen, erscheint aber zweifelhaft: Meist war mangelhafte Organisation bei Großereignissen der Anlaß.
Ausführlich widmet sich Eggers der "Außenpolitik" des Deutschen Fußball-Bundes, teils gefördert mit Geldern des Auswärtigen Amtes. Hier wäre eine ausführlichere Betrachtung der internationalen Beziehungen des Arbeitersports angebracht gewesen, der nach dem 1. Weltkrieg im Gegensatz zum DFB zügig den Spielverkehr mit den einstigen Kriegsgegnern aufnahm und 1927 die für die Zeit damals sensationellen "Russenspiele" zustande brachte. Schade, daß die Druckqualität einer Reihe von Abbildungen, die gelegentlich ungeschickt beschnitten sind, zu wünschen übrigläßt.
Erik Eggers mahnt im Fazit seiner verdienstvollen Dokumentation eine wissenschaftliche Untersuchung des Fußballs in der NS-Zeit an, die der DFB inzwischen in Auftrag gegeben hat. Der Historiker-Kollege dürfte günstigere Arbeitsbedingungen vorfinden als Eggers selbst: Dem verweigerte der DFB nämlich die Einsicht in unveröffentlichte Materialien aus seinem Archiv.
WERNER SKRENTNY
Besprochenes Buch: Erik Eggers: "Fußball in der Weimarer Republik". Agon Sportverlag, Kassel, 280 S., 79 Abb., 31,10 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Historiker haben sich dem Thema Fußball erst neuerdings angenähert, insofern stellt Erik Eggers' Buch "Fußball in der Weimarer Republik" eine Pionierarbeit dar. Die sehr detailreiche, teils überraschende Ergebnisse präsentierende Arbeit basiert auf einer Studie an der Universität Köln und schildert das Entstehen "einer Unterhaltungsindustrie, die Sensationen und Rekorde produzierte und dem breiten Publikum (Ersatz-)Helden bescherte".
In den zwanziger Jahren wurde der Fußball, ehedem Betätigungsfeld privilegierter Schichten, später der Angestellten, zum Volkssport. Der Autor führt an, daß neben vermehrter Freizeit (Acht-Stunden-Tag) "die Suche nach neuen Formen der Identität" dafür verantwortlich war. Vom Boom profitierte der Deutsche Fußball-Bund (DFB), dessen Mitgliederzahl 1914 bei 190 000 lag, Anfang 1921 aber bereits bei 750 000. Allerdings hatte die Dachorganisation damals keine dominierende Stellung, die Regionalverbände sprachen ein gewichtiges Wort mit, weshalb die Nationalmannschaft nach dem Proporz-System aufgestellt wurde.
Ein Grund für die Anziehungskraft des an sich nationalistisch-konservativen DFB war, daß er seine politische Neutralität im Gegensatz zum Arbeitersport, der zudem unter der Abspaltung des kommunistischen "Rotsport" 1928 litt, betonte. Auch hatte der Arbeiter-Turn- und -Sportbund (ATSB) sich spät entschlossen, dem Fußball Raum zu geben. Dennoch bot der Arbeitersport den bürgerlichen Klubs ein Reservoir an guten Spielern - Erwin Seeler, Vater von "Uns Uwe", von Lorbeer Rothenburgsort in Hamburg zum bürgerlichen SC Victoria "geködert", ist ein Beispiel. Es ist erfreulich, daß der Autor auch die fußballerischen Aktivitäten weiterer Organisationen registriert, darunter die konfessionellen Sportverbände Deutsche Jugendkraft und Eichenkreuz sowie die Deutsche Turnerschaft, die 1924 bis 1931 die "reinliche Scheidung" vom DFB vollzog; unter anderem verließ damals Schwarz-Weiß Essen die Deutsche Turnerschaft.
Der DFB, von manchen als "Geldscheffelmühle" kritisiert, profitierte am Zuschauersport und stockte, da an den Einnahmen beteiligt, die Teilnehmerzahl an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft auf (siehe heute Champions League und WM). An die Einführung einer "Reichsliga" mit allen Stars, längst auch interessant für Medien (es existierten 300 bis 500 Sportzeitungen) und Werbung, war gedacht. Allerdings zeitigte die Wachstumsbranche auch Probleme: "Der größte Konflikt" war nach Eggers die Amateurfrage, unter den üblichen Verdächtigen waren Schalke 04 und Hertha BSC Berlin. Sperren trafen aber auch einen Nationaltorhüter, den "schönen Willibald" Kreß, und bekanntermaßen Josef Herberger. Die Spielweise war rauh und derb, weshalb der Fußball-Westen eine "entkrampfte" zweijährige Saison debattierte. Von den Zuschauer-Ausschreitungen jener Tage auf Gewaltbereitschaft zu schließen, erscheint aber zweifelhaft: Meist war mangelhafte Organisation bei Großereignissen der Anlaß.
Ausführlich widmet sich Eggers der "Außenpolitik" des Deutschen Fußball-Bundes, teils gefördert mit Geldern des Auswärtigen Amtes. Hier wäre eine ausführlichere Betrachtung der internationalen Beziehungen des Arbeitersports angebracht gewesen, der nach dem 1. Weltkrieg im Gegensatz zum DFB zügig den Spielverkehr mit den einstigen Kriegsgegnern aufnahm und 1927 die für die Zeit damals sensationellen "Russenspiele" zustande brachte. Schade, daß die Druckqualität einer Reihe von Abbildungen, die gelegentlich ungeschickt beschnitten sind, zu wünschen übrigläßt.
Erik Eggers mahnt im Fazit seiner verdienstvollen Dokumentation eine wissenschaftliche Untersuchung des Fußballs in der NS-Zeit an, die der DFB inzwischen in Auftrag gegeben hat. Der Historiker-Kollege dürfte günstigere Arbeitsbedingungen vorfinden als Eggers selbst: Dem verweigerte der DFB nämlich die Einsicht in unveröffentlichte Materialien aus seinem Archiv.
WERNER SKRENTNY
Besprochenes Buch: Erik Eggers: "Fußball in der Weimarer Republik". Agon Sportverlag, Kassel, 280 S., 79 Abb., 31,10 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main