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Ólafur und Gudný hausen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Kellerloch in Reykjavik. Sie haben zehn Kinder und kommen nur knapp über die Runden. Ólafur ist Seemann, dem Alkohol nicht abgeneigt, Gudný verdient in der Fischfabrik etwas dazu. Aber sie kann nicht verhindern, dass ihre Kinder in Pflegefamilien übers ganze Land verteilt werden. Doch Gudný bewahrt sich ihren Stolz, trägt die Nationaltracht und zupft sich die Augenbrauen. Getreu ihrem Wahlspruch "Man braucht immer weniger, als einem fehlt" und mit Hilfe unzähliger Tassen Kaffee, den sie Lebensgras nennt, meistert sie das meist…mehr

Produktbeschreibung
Ólafur und Gudný hausen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Kellerloch in Reykjavik. Sie haben zehn Kinder und kommen nur knapp über die Runden. Ólafur ist Seemann, dem Alkohol nicht abgeneigt, Gudný verdient in der Fischfabrik etwas dazu. Aber sie kann nicht verhindern, dass ihre Kinder in Pflegefamilien übers ganze Land verteilt werden. Doch Gudný bewahrt sich ihren Stolz, trägt die Nationaltracht und zupft sich die Augenbrauen. Getreu ihrem Wahlspruch "Man braucht immer weniger, als einem fehlt" und mit Hilfe unzähliger Tassen Kaffee, den sie Lebensgras nennt, meistert sie das meist harte Leben. Der renommierte isländische Schriftsteller Gudmundsson hat eine zärtliche Hommage an seine Großeltern geschrieben - voller Witz, Melancholie und Lebensweisheit
Autorenporträt
Einar Gudmundsson 1954 in Island geboren, lebt der preisgekrönte Autor zahlreicher Gedichtbände und Romane mit seiner Familie immer noch im Reich der Geysire und Vulkane.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2002

Island, karge Heimat
Im Bann der Großmutter: Einar Már Gudmundssons Familiensaga

Es ist ein großes Panorama, das der isländische Autor Einar Már Gudmundsson in seinem Roman entwirft. Daß es sich dabei um die Geschichte seiner eigenen Familie handelt, kann man nicht nur daraus schließen, daß er das Buch seiner Großmutter widmete. In einer so weitverzweigten, aus tausend Kleinigkeiten zusammengesetzten Geschichte kennt sich so präzise nur aus, wer mit ihr aufgewachsen ist und ihre Einzelheiten unzählige Male gehört hat. Für den Leser ist die Sache schon schwieriger. Er sieht sich einer erstaunlich umfangreichen Sippe gegenüber, deren Vertreter nicht ohne weiteres auseinanderzuhalten sind. Aber da hat der Verlag vorgesorgt: Über das vordere Deckelinnere plus Vorsatzblatt breitet sich ein feinverästelter Stammbaum, der jede im Buch vorkommende oder auch nur erwähnte Person aufführt und obendrein noch kleine Erklärungen gibt.

Die Abstammungsgeschichte reicht ziemlich weit zurück, schätzungsweise bis ins frühe neunzehnte Jahrhundert. Die Romanhandlung setzt aber erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ein. Der Autor, 1954 geboren, konzentriert sich auf die Menschen, die er noch gekannt hat, oder jene, die er kannte, ihm etwas bedeutet haben. Er berichtet von Lebensumständen, deren Überlieferungsspanne vergleichsweise kurz war. Es sind recht trübselige Umstände, es geht um eine arme Familie - Island war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts für viele Bewohner eine karge Heimat, ein Land der Not.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Großmutter, die im Roman den Namen Gudný Gudmundsdottir trägt und den Beinamen "die Starke". Aber alle Stärke ändert nichts daran, daß ihr alkoholfreudiger Mann Ólafur die Familie nicht ernähren kann und daß sie selbst es trotz aller Plackerei nicht schafft, ihren zehn Kindern mehr als ein feuchtes Kellerloch als Zuhause zu bieten. Die Fürsorge greift ein, Kind nach Kind wandert in eine Pflegefamilie, was sich in einigen Fällen als Segen, zumeist aber als Schock für die jungen Seelen erweist. Am Ende finden alle zur Mutter zurück - die Starke hat es fertiggebracht, die Nabelschnur niemals abreißen zu lassen.

Die isländischen Daseinsverhältnisse sind nicht Gudmundssons Gegenstand, sie sind der Lebenshintergrund seiner Figuren. Und nur weil er stets bis ins Detail äußerst sorgfältig arbeitet, kann man, wenn man mag, seine anrührende Familienstory auch als Aufarbeitung einer Geschichtsepoche lesen. In diesem Buch ist alles Allgemeine stets abhängig vom Besonderen. Das soll heißen: Wo immer die Figuren ins politische Weltgeschehen verstrickt werden, resultiert diese Verstrickung aus ihren persönlichen Erlebnissen. Ein Beispiel dafür ist der Großmutter-Sohn und Erzähler-Onkel Ragmar. Er hatte das Pech, von hochmütigen, kaltherzigen Großbauern in Pflege genommen zu werden. In seiner Kindheit lernte er, nicht nur seine persönlichen Peiniger zu verabscheuen, sondern alle, die aufgrund einer sozialen Vorzugsstellung anderen in den Nacken traten. Ragnar wird Kommunist und versucht als Brigadekämpfer in Spanien die Welt zu verbessern.

Das ist weder ihm noch seinen Genossen gelungen. Schließlich sammeln sich die Geschwister, jeder zu seiner Zeit und aus unterschiedlichen Motiven, wieder im Umkreis der starken Mutter, nicht erfolgreicher und nicht viel klüger als zuvor, aber jeder auf seine Weise gereift und nicht ohne Zuversicht. Niemand weiß, ob dieses Zukunftsgefühl sich jemals realisieren wird. Aber darauf kommt es nicht so sehr an. Gudný, der Starken, ist wenig im Leben gelungen, das der Familienchronik als Schmuck dienen könnte. Eines aber doch: Sie hat ihren Kindern zu vermitteln gewußt, daß sie wert sind, geliebt zu werden. Für Gudný wiegt das jeden Reichtum, jede politische Macht auf.

SABINE BRANDT.

Einar Már Gudmundsson: "Fußspuren am Himmel". Roman. Aus dem Isländischen übersetzt von Angelika Gundlach. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2001. 236 S., geb., 17,90 .

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"Gudmundsson zeigt, dass er sowohl über die Urteilskraft als auch über die imaginative, erfindungsreiche Kühnheit eines großen Schriftstellers verfügt." The Times Literary Supplement