Ja, Panik, die mittlerweile in Berlin ansässige österreichische Gruppe, feiert im Herbst dieses Jahres ihren 10. Geburtstag. Aus diesem Anlass haben sich die Mitglieder in einem einmonatigen Experiment gegenseitig ihre Version der Bandgeschichte erzählt.Der Schlagzeuger Sebastian Janata und der Bassist Stefan Pabst begaben sich in die Ja, Panik-Archive in Wien und Berlin. Die Keyboarderin Laura Landergott interviewte die für die Bandgeschichte prägenden Persönlichkeiten. Die Resultate dieser Recherchen unterzog Songwriter Spechtl täglich einer strengen Prüfung. So entsteht aus dem E-Mail-Verkehr eine Geschichte der Gruppe, die Geschichte einer vollendeten Zukunft, in der am Ende nicht Ja, Panik im Mittelpunkt steht, sondern die Erinnerung selbst.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2017Die Band Ja, Panik blickt zurück voraus
Am Ende ihrer längsten Platte, am Ende ihres längsten Lieds ließ die Band Ja, Panik sechs Minuten lang Stille folgen. "DMD KIU LIDT" hieß dieses Lied, genau wie die Platte, und aufschlüsseln kann man das als "Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit". Das Lied war ein vierzehnminütiger Wahnsinnsmonolog, in dem Sänger Andreas Spechtl in seiner charakteristischen Weise zwischen Deutsch und Englisch wechselte und schließlich versprach, es kämen noch ein paar Strophen, "an denen mir mehr als an allen anderen liegt". Doch dann kam nur Stille.
Zum zehnjährigen Bestehen blickt die österreichische Band in dem Buch "Futur II" zurück auf ihre Geschichte: von den Anfängen im Burgenland über die Wiener und Berliner Jahre bis zur ungewissen Gegenwart, in der Spechtl nach zweihundertfünfundsechzig Konzerten und fünf Alben schreibt, vielleicht gebe es diese Gruppe gar nicht mehr. Wie sich Ja, Panik für ihren reflektierten Indie-Pop bisweilen fremde Song- und Plattentitel borgten, um neue Lieder damit zu benennen, so greift das Buch die üblichen popbiographischen Ansätze auf und verwebt sie mit Parodie und Fiktion zum Werk eigener Art. Für den archivarischen Zugang steht Bassist Stefan Pabst, der alles auswertet, was die Band in Berlin aufbewahrt hat. Schlagzeuger Sebastian Janata soll eigentlich die Wiener Bestände sichten, was wegen allerlei Ablenkungen und Ungeschicken aber nie gelingt. Seine Beiträge folgen dem Muster von Memoiren hedonistischer Musiker, die erzählen, wen sie kennen und was sie sich gönnen. Keyboarderin Laura Landergott arbeitet journalistisch und fragt frühere Bandmitglieder und andere Weggefährten nach deren Erinnerungen. Das Buch entstand über achtundzwanzig Tage hinweg als Chronik dieser Recherchen, kommentiert von Spechtl, der den kritischen Poptheoretiker gibt, wenn er auf den Medienwandel oder die wirtschaftlichen Bedingungen des Musikmachens eingeht.
Das Ziel der Rückschau sieht Spechtl darin, durch die Erinnerung "eine Zukunft zu verorten, die wir uns die letzten beiden Jahre so schwer ausmalen konnten". Am Ende verliert sich der Bassist im Bandarchiv, der Schlagzeuger wird von mysteriösen Mächten entführt, der Sänger antwortet nicht, die Keyboarderin erkennt: "Ich allein bin jetzt Ja, Panik." Als biographisches Puzzle könnte "Futur II" zum "Citizen Kane" der Bandporträts werden.
grae.
Die Gruppe Ja, Panik: "Futur II". Verbrecher Verlag, Berlin 2016. 268 S., Abb., br., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Am Ende ihrer längsten Platte, am Ende ihres längsten Lieds ließ die Band Ja, Panik sechs Minuten lang Stille folgen. "DMD KIU LIDT" hieß dieses Lied, genau wie die Platte, und aufschlüsseln kann man das als "Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit". Das Lied war ein vierzehnminütiger Wahnsinnsmonolog, in dem Sänger Andreas Spechtl in seiner charakteristischen Weise zwischen Deutsch und Englisch wechselte und schließlich versprach, es kämen noch ein paar Strophen, "an denen mir mehr als an allen anderen liegt". Doch dann kam nur Stille.
Zum zehnjährigen Bestehen blickt die österreichische Band in dem Buch "Futur II" zurück auf ihre Geschichte: von den Anfängen im Burgenland über die Wiener und Berliner Jahre bis zur ungewissen Gegenwart, in der Spechtl nach zweihundertfünfundsechzig Konzerten und fünf Alben schreibt, vielleicht gebe es diese Gruppe gar nicht mehr. Wie sich Ja, Panik für ihren reflektierten Indie-Pop bisweilen fremde Song- und Plattentitel borgten, um neue Lieder damit zu benennen, so greift das Buch die üblichen popbiographischen Ansätze auf und verwebt sie mit Parodie und Fiktion zum Werk eigener Art. Für den archivarischen Zugang steht Bassist Stefan Pabst, der alles auswertet, was die Band in Berlin aufbewahrt hat. Schlagzeuger Sebastian Janata soll eigentlich die Wiener Bestände sichten, was wegen allerlei Ablenkungen und Ungeschicken aber nie gelingt. Seine Beiträge folgen dem Muster von Memoiren hedonistischer Musiker, die erzählen, wen sie kennen und was sie sich gönnen. Keyboarderin Laura Landergott arbeitet journalistisch und fragt frühere Bandmitglieder und andere Weggefährten nach deren Erinnerungen. Das Buch entstand über achtundzwanzig Tage hinweg als Chronik dieser Recherchen, kommentiert von Spechtl, der den kritischen Poptheoretiker gibt, wenn er auf den Medienwandel oder die wirtschaftlichen Bedingungen des Musikmachens eingeht.
Das Ziel der Rückschau sieht Spechtl darin, durch die Erinnerung "eine Zukunft zu verorten, die wir uns die letzten beiden Jahre so schwer ausmalen konnten". Am Ende verliert sich der Bassist im Bandarchiv, der Schlagzeuger wird von mysteriösen Mächten entführt, der Sänger antwortet nicht, die Keyboarderin erkennt: "Ich allein bin jetzt Ja, Panik." Als biographisches Puzzle könnte "Futur II" zum "Citizen Kane" der Bandporträts werden.
grae.
Die Gruppe Ja, Panik: "Futur II". Verbrecher Verlag, Berlin 2016. 268 S., Abb., br., 16,- [Euro].
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