In seinem neuen Gedichtband ist Carl-Christian Elze zu Fuß und in der Luft unterwegs, durch lachs-belegte abendwolkenbrötchen und dunkelblaues veilchenfleisch, per Flugzeug und im Leichenwagen, auf verstörend bunten Spaziergängen zu Rohrverlegungen und Kühen am Elektrozaun. Er begibt sich unter Zootiere und Menschenhirne und auch in die Hölle, streicht sanft an Knorpelkanten entlang, bereist New York und Masuren, rast über die zärtliche deutsche autobahn und experimentiert in Hochgebirgsgedichten mit dem Echo. Still blickt er über den Schnee hin, besucht Benn in der Bozener Straße und hat wie immer einen Hund dabei.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2009Wenn Kühe küssen
Dass ein Poet angibt, als Leichenbestatter gearbeitet zu haben, will uns nicht mehr so recht erschrecken. So halten wir uns daran, dass der 1974 in Berlin geborene Carl-Christian Elze Biologie studiert und in Zoologischen Gärten gearbeitet hat. Er kennt die hygienischen Zustände in einer Zoohandlung: "das weibchen tot, voll kot / im pelz." Lieber jedoch schreibt er vom Wandern in den Schweizer Bergen. Da ist er am glücklichsten, als Mensch wie Poet. Da spielt er seine Lust an der Idylle aus, da wird er zum Bukoliker. Nur wenig Ironie klingt an, wenn er den lagernden wiederkäuenden Kühen huldigt. Können Kühe küssen? Bei Elze schon. Er liebt den "kuss der kuh! dies wunder- / magenhorn gefüllte laben." Weniger glücklich ist er, wenn er seine Idyllik auf die Fliegerei überträgt. Hier verfällt er, der immerhin auf Flugplätzen gearbeitet hat, in den Kinderton: "kleines flugzeug flieg, flugzeug flieg, / hast kein bömbchen, das ist lieb." Das ist harmlos gewordene antimilitärische Agitprop. Einmal möchte Elze richtig provozieren: "natürlich hat der zimmermann sein glied / in maria eingeführt." Das ist eher geschmacklos als blasphemisch. Lassen wir uns lieber von Elzes Kühen küssen. (Carl-Christian Elze: "gänge". Gedichte. Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 2009. 88 S. br. 12,- [Euro].) H.H.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dass ein Poet angibt, als Leichenbestatter gearbeitet zu haben, will uns nicht mehr so recht erschrecken. So halten wir uns daran, dass der 1974 in Berlin geborene Carl-Christian Elze Biologie studiert und in Zoologischen Gärten gearbeitet hat. Er kennt die hygienischen Zustände in einer Zoohandlung: "das weibchen tot, voll kot / im pelz." Lieber jedoch schreibt er vom Wandern in den Schweizer Bergen. Da ist er am glücklichsten, als Mensch wie Poet. Da spielt er seine Lust an der Idylle aus, da wird er zum Bukoliker. Nur wenig Ironie klingt an, wenn er den lagernden wiederkäuenden Kühen huldigt. Können Kühe küssen? Bei Elze schon. Er liebt den "kuss der kuh! dies wunder- / magenhorn gefüllte laben." Weniger glücklich ist er, wenn er seine Idyllik auf die Fliegerei überträgt. Hier verfällt er, der immerhin auf Flugplätzen gearbeitet hat, in den Kinderton: "kleines flugzeug flieg, flugzeug flieg, / hast kein bömbchen, das ist lieb." Das ist harmlos gewordene antimilitärische Agitprop. Einmal möchte Elze richtig provozieren: "natürlich hat der zimmermann sein glied / in maria eingeführt." Das ist eher geschmacklos als blasphemisch. Lassen wir uns lieber von Elzes Kühen küssen. (Carl-Christian Elze: "gänge". Gedichte. Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 2009. 88 S. br. 12,- [Euro].) H.H.
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