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Feininger, Jawlensky, Kandinsky, Klee - diese Maler der Klassischen Moderne verdanken Emmy Esther Scheyer (1889-1945) viel. Selbst eine begabte Malerin, entflammt sie geradezu für die Kunst von Jawlensky, der sie Galka nennt. 1924 gründet sie mit ihm und seinen Bauhauskollegen die "Blaue Vier", um sie in Amerika mit Ausstellungen und Vorträgen bekannt zu machen. "Es ist lebensbejahend, Pläne zu machen, wird es dann nichts, kommt was anderes. Aber Luftschlösser retten vor dem Untergang, der Mutlosigkeit heißt und Sünde ist", schreibt die "Ministerin" ihren "vier blauen Königen". Außerdem…mehr

Produktbeschreibung
Feininger, Jawlensky, Kandinsky, Klee - diese Maler der Klassischen Moderne verdanken Emmy Esther Scheyer (1889-1945) viel. Selbst eine begabte Malerin, entflammt sie geradezu für die Kunst von Jawlensky, der sie Galka nennt. 1924 gründet sie mit ihm und seinen Bauhauskollegen die "Blaue Vier", um sie in Amerika mit Ausstellungen und Vorträgen bekannt zu machen. "Es ist lebensbejahend, Pläne zu machen, wird es dann nichts, kommt was anderes. Aber Luftschlösser retten vor dem Untergang, der Mutlosigkeit heißt und Sünde ist", schreibt die "Ministerin" ihren "vier blauen Königen". Außerdem verhilft sie Kindern und Jugendlichen zur eigenen Kreativität. Ihr filmreifes Leben endet in Hollywood.Mit 300 Abbildungen, Briefen, Ausschnitten aus Tagebüchern und Aussagen von Zeitgenossen zeichnet Gilbert Holzgang das Porträt der leidenschaftlichen Pionierin, Kunstvermittlerin und Netzwerkerin. Für seine Forschungen und Theaterstücke wurde er mit dem niedersächsischen Verdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2023

Auf Mission

Galka Scheyer ist eine noch kaum besungene Heldin der Kunstgeschichte. Das wird sich nun ändern: erst mit einem neuen Buch und dann mit einer Ausstellung.

Von Andreas Platthaus

Im Blue Heights Drive, hoch über Los Angeles in den Santa Monica Mountains, wurde Kunstgeschichte geschrieben, aber die zahlreichen Touristen kommen hierher nicht wegen des Hauses Nummer 1880, das Schauplatz dieser Ereignisse war, sondern weil eine Kurve früher die Außenaufnahmen für die in mehreren Staffeln verfügbare amerikanische Krimiserie "Bosch" gedreht wurden: Hausnummer 1870 gibt die Fassade für Harry Boschs Domizil ab. Und so hat Galka Scheyer ein weiteres Mal das Nachsehen. Die 1945 hier gestorbene Kunstvermittlerin ist in ihrer Profession ebenso vergessen bei den Besuchern der Straße.

Dabei war sie auf beiden Feldern Pionierin. Ihr Haus, gebaut 1934 von niemand Geringerem als Richard Neutra, war eines der ersten, die hier errichtet wurden, und sie behauptete, auch den Namen der Straße bestimmt zu haben, als Hommage an eine Künstlergruppe, deren Werke sie in dem zum Haus gehörenden Galerieraum ausstellte und verkaufen wollte: The Blue Four. Auch die kennt heute kaum mehr jemand. Aber die einzelnen Mitglieder der Gruppe sind weltberühmt: Alexej von Jawlensky, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger. Letzterer wird gerade in der Frankfurter Schirn mit einer Retrospektive geehrt, in der Galka Scheyer zumindest Erwähnung findet. Und im Städtischen Museum Braunschweig läuft noch bis Anfang Januar die Ausstellung "Lette Valeska - Eine Braunschweiger Fotografin in Hollywood". In der spielt Galka Scheyer immerhin eine wichtige Nebenrolle, denn die beiden Frauen waren seit gemeinsamen Jugendtagen Freundinnen, trafen sich später in Los Angeles wieder, und Valeska kam oft zu Besuch in Scheyers Haus.

Doch wer wirklich etwas wissen will zu Galka Scheyer, der muss entweder auf die nächste große Ausstellung des Städtischen Museums Braunschweig warten, die sich vom 23. Februar 2024 an Galka Scheyer und ihrer Künstlergruppe widmen wird, oder jetzt schon ein Buch lesen, das der Theatermacher Gilbert Holzgang gerade veröffentlicht hat. Das heißt "Galka Scheyer - Ein Leben für Kunst und Kreativität" (Michael Imhof Verlag, 345 S., 300 Abb., geb., 49,95 Euro), ist aber viel mehr als eine Biographie, nämlich auch eine akribische Recherche zur Kunstszene in Braunschweig zu Scheyers Lebzeiten und zum gesamten Umkreis der 1889 dort geborenen Frau. Und dieser Umkreis war groß, nicht nur, weil er zwei Kontinente umfasste.

Emmy Esther Scheyer begann selbst als Malerin (meist unter dem Pseudonym Renée), war aber als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Industriellenfamilie finanzieller Sorgen ledig und war deshalb nicht auf Verkäufe angewiesen. Stattdessen lebte sie an wechselnden Orten in Europa, 1915 auch im damals deutsch besetzten Brüssel zusammen mit Valeska, ehe sie 1916 nach Zürich ging, wo sie den als Russen dorthin ausgewiesenen Jawlensky kennenlernte, dessen Muse sie wurde - und nach dem Ersten Weltkrieg auch seine Agentin in Deutschland. Die eigene Malerei konnte sie 1919 ein einziges Mal ausstellen, in ihrer Heimatstadt, danach trat sie damit nie mehr an die Öffentlichkeit. Galka Scheyer verschrieb sich ganz dem Dienst am Werk des von ihr bewunderten Jawlensky.

Es gab nicht viele Frauen im Kunstbetrieb der Weimarer Republik, und Scheyer polarisierte mit ihren höchst engagierten Vorträgen, die der Malerei spirituelle Bedeutung zusprachen. Sie selbst verstand sich wechselweise als Prophetin und Ministerin Jawlenskys und weitete ihre Missionstätigkeit nach Bekanntwerden mit weiteren Künstlern auch auf deren Arbeiten aus, darunter erst Klee, dann Feininger und schließlich auch Kandinsky. Ihren neuen Vornamen Galka verdankte sie Jawlensky, der sie mit dieser russischen Bezeichnung der Dohle bedachte, weil Scheyers Stimme so durchdringend war. Die Zeugnisse von missgünstigen, auch stark antisemitisch geprägten Charakterisierungen Galka Scheyers aus ihrer Zeit als Jawlenskys Managerin (wie man heute sagen würde), die Holzgang zusammengetragen hat, sind Legion.

Bis zu diesem Wendepunkt in ihrem Leben sind die Quellen zu ihr selbst äußerst spärlich; Holzgang muss da oft vermuten oder postulieren. Mit Jawlensky aber unterhielt Scheyer dann eine rege Korrespondenz, und nach ihrer Übersiedelung in die Vereinigten Staaten im Jahr 1924 dehnte sich diese auf die weiteren drei Mitglieder der "Blue Four" aus. Die Gruppenbildung hatte Scheyer gewünscht, weil sie sich damit in Amerika bei der Vermarktung mehr Aufmerksamkeit erhoffte als mit den Namen von vier dort komplett unbekannten Künstlern. Vom steten Auf und Ab in der Beziehung der als Händlerin weitgehend erfolglosen, aber umso mehr von der Bedeutung ihrer Mission überzeugten Scheyer mit ihrem Quartett lebt das Buch. Wie auch vom dokumentierten Unverständnis der Braunschweiger Familie für die Extravaganzen der ständig finanzbedürftigen Galka.

Aber Scheyer verdankt sich die Etablierung der deutschen Moderne an der amerikanischen Westküste, und die ein Leben lang Unverheiratete und Kinderlose entfaltete ein engagiertes Kunstvermittlungsprogramm für Kinder, das seiner Zeit voraus war - "Kinder liebe ich zu bilden, da wo Köstliches vorhanden, tut meine Seele sich ausleben", hatte sie 1917 notiert. Bevor sie mit nur 56 Jahren an Krebs starb, hatte sie das Gros ihrer Tagebücher verbrannt, aber diesen Satz daraus wollte sie nicht untergehen sehen. Drei der "Blue Four" waren ihr in den Tod vorausgegangen. Deren Namen sind in der Kunstgeschichte unsterblich, der von Galka Scheyer hätte es auch verdient. Holzgangs Buch und die kommende Ausstellung sollten die Basis dafür schaffen.

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