Ein High-Tech-Hochhaus in Los Angeles wird zur tödlichen Falle, als der Zentralcomputer plötzlich verrückt spielt. Mit dem ersten Toten beginnt für den Stararchitekten Ray Richardson ein wahrer Alptraum, mit jedem weiteren Toten steigert sich der Horror.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.1996Hier denkt die Maschine selbst
Wie Philip Kerr sich die vollautomatische Empfangsdame vorstellt
Es soll Menschen geben, die immer noch Unbehagen empfinden, wenn ein Anrufbeantworter ihr "Gespräch" am anderen Ende der Leitung entgegennimmt. Was soll in ihnen erst vorgehen, wenn die Technologie so weit fortgeschritten sein wird, daß an Stelle wirklicher Empfangsdamen makellos computergesteuerte Hologramme ebenso makelloser Covergirls am Eingang vollautomatisierter Bürogebäude ihre Besucher begrüßen? Bereit zu jeder unverbindlichen Freundlichkeit; programmiert, auf jede Anfrage, aber auf keinerlei Annäherung einzugehen. Und immer höflich: ",Einen schönen Tag noch', sagte Kelly (stellvertretend für die ganze Spezies) und lächelte dabei immer noch wie eine Stewardeß, wenn die Schwimmwesten vorgeführt werden."
Wie sich die Menschen in einer solchen Welt zurechtfinden, davon handelt der neue Roman Philip Kerrs. Sein letzter, "Das Wittgensteinprogramm", wurde als bester internationaler Kriminalroman ausgezeichnet. "A Philosophical Investigation" lautet dessen Titel im Original. Und philosophisch trägt sich auch der neue. Wenn nämlich Computer in der Lage sind, intelligent reagierende Wesen hervorzubringen, können sie dann nicht vielleicht denken? Wenn sie aber denken können, könnten sie sich dann nicht auch selbständig machen? Und wenn sie sich verselbständigen, muß man dann nicht zugeben, daß sie leben?
Damit jedoch aus so abstrakten Grundfragen ein Thriller werden kann, bedarf es noch einer zünftigen Handlung. Also erfindet Kerr einen Superarchitekten, der skrupellos (und darum erfolgreich) an den "intelligenten Gebäuden" der Zukunft baut, zur Zeit - die Handlung spielt im Los Angeles des kommenden Jahres - an einem fünfundzwanzigstöckigen Bürohochhaus, dessen Zentralrechner allein 40 Millionen Dollar kostet. Besagte Empfangsdame, das gesamte Sicherheitssystem, von der automatischen Türverriegelung bis hin zur Identitätskontrolle per "Stimmabdruck", Fahrstühle, Beleuchtung, Klimaanlage, Toilettenspülung: alles computergesteuert. Und, man ahnt es schon: alles eine Falle. Zumal, wenn Gebäude und Computer die Zukunft gehört, weil es sich bei diesem um ein "SRS" handelt, ein selbstreproduzierendes System, das fortlaufend einen klügeren Nachfolger seiner selbst gebiert.
"O schöne neue Welt, die solche Häuser trägt", heißt es im ersten Drittel des Buches noch, wenn auch bereits so ironisch wie allzuleicht als Zitat erkennbar. Bis dahin hat sich auch nicht mehr ereignet als ein zweifelhafter plötzlicher Tod und ein undurchsichtiger Mord. Als sich dann jedoch die ganze Mannschaft des Architekturbüros sowie die ermittelnden Polizisten mit einem Mal in jenem Hochhaus eingeschlossen finden, ist der Kriminalfall schon gelöst. An die Stelle der Verbrecherjagd tritt die Flucht vor der mörderischen Maschine.
Nichts Neues im amerikanischen Westen also. Ob die Grundmauer, ob die Fassade, beides Abklatsch. Bezeichnend ist nur, daß Kerr das Ganze als Computerspiel präsentiert. Nicht die sogenannten Denkmaschinen, sondern "Ballermannspiele, Verliese und Drachen und so" behalten das letzte Wort. Mager und einfallslos dagegen bleibt das Gegenidyll. Ein bißchen Liebe, ein bißchen Sex und der Traum von einem "Irgendwo, wo das Leben noch einfach war, wo das einzige intelligente Gebäude die Stadtbücherei war". Muß deshalb gleich in einer solchen auch dieser Roman bald zu finden sein? BERNHARD DOTZLER
Philip Kerr: "Game Over". Thriller. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Weber-Schäfer. Wunderlich Verlag, Reinbek 1996. 495 S., geb., 42,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie Philip Kerr sich die vollautomatische Empfangsdame vorstellt
Es soll Menschen geben, die immer noch Unbehagen empfinden, wenn ein Anrufbeantworter ihr "Gespräch" am anderen Ende der Leitung entgegennimmt. Was soll in ihnen erst vorgehen, wenn die Technologie so weit fortgeschritten sein wird, daß an Stelle wirklicher Empfangsdamen makellos computergesteuerte Hologramme ebenso makelloser Covergirls am Eingang vollautomatisierter Bürogebäude ihre Besucher begrüßen? Bereit zu jeder unverbindlichen Freundlichkeit; programmiert, auf jede Anfrage, aber auf keinerlei Annäherung einzugehen. Und immer höflich: ",Einen schönen Tag noch', sagte Kelly (stellvertretend für die ganze Spezies) und lächelte dabei immer noch wie eine Stewardeß, wenn die Schwimmwesten vorgeführt werden."
Wie sich die Menschen in einer solchen Welt zurechtfinden, davon handelt der neue Roman Philip Kerrs. Sein letzter, "Das Wittgensteinprogramm", wurde als bester internationaler Kriminalroman ausgezeichnet. "A Philosophical Investigation" lautet dessen Titel im Original. Und philosophisch trägt sich auch der neue. Wenn nämlich Computer in der Lage sind, intelligent reagierende Wesen hervorzubringen, können sie dann nicht vielleicht denken? Wenn sie aber denken können, könnten sie sich dann nicht auch selbständig machen? Und wenn sie sich verselbständigen, muß man dann nicht zugeben, daß sie leben?
Damit jedoch aus so abstrakten Grundfragen ein Thriller werden kann, bedarf es noch einer zünftigen Handlung. Also erfindet Kerr einen Superarchitekten, der skrupellos (und darum erfolgreich) an den "intelligenten Gebäuden" der Zukunft baut, zur Zeit - die Handlung spielt im Los Angeles des kommenden Jahres - an einem fünfundzwanzigstöckigen Bürohochhaus, dessen Zentralrechner allein 40 Millionen Dollar kostet. Besagte Empfangsdame, das gesamte Sicherheitssystem, von der automatischen Türverriegelung bis hin zur Identitätskontrolle per "Stimmabdruck", Fahrstühle, Beleuchtung, Klimaanlage, Toilettenspülung: alles computergesteuert. Und, man ahnt es schon: alles eine Falle. Zumal, wenn Gebäude und Computer die Zukunft gehört, weil es sich bei diesem um ein "SRS" handelt, ein selbstreproduzierendes System, das fortlaufend einen klügeren Nachfolger seiner selbst gebiert.
"O schöne neue Welt, die solche Häuser trägt", heißt es im ersten Drittel des Buches noch, wenn auch bereits so ironisch wie allzuleicht als Zitat erkennbar. Bis dahin hat sich auch nicht mehr ereignet als ein zweifelhafter plötzlicher Tod und ein undurchsichtiger Mord. Als sich dann jedoch die ganze Mannschaft des Architekturbüros sowie die ermittelnden Polizisten mit einem Mal in jenem Hochhaus eingeschlossen finden, ist der Kriminalfall schon gelöst. An die Stelle der Verbrecherjagd tritt die Flucht vor der mörderischen Maschine.
Nichts Neues im amerikanischen Westen also. Ob die Grundmauer, ob die Fassade, beides Abklatsch. Bezeichnend ist nur, daß Kerr das Ganze als Computerspiel präsentiert. Nicht die sogenannten Denkmaschinen, sondern "Ballermannspiele, Verliese und Drachen und so" behalten das letzte Wort. Mager und einfallslos dagegen bleibt das Gegenidyll. Ein bißchen Liebe, ein bißchen Sex und der Traum von einem "Irgendwo, wo das Leben noch einfach war, wo das einzige intelligente Gebäude die Stadtbücherei war". Muß deshalb gleich in einer solchen auch dieser Roman bald zu finden sein? BERNHARD DOTZLER
Philip Kerr: "Game Over". Thriller. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Weber-Schäfer. Wunderlich Verlag, Reinbek 1996. 495 S., geb., 42,- DM.
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Philip Kerr schreibt mit böser Ironie und perfekter sprachlicher Raffinesse. NDR