Genießen Sie neben einem informativen Text 350 kunstvolle Fotos, die ein Jahrhundert deutscher Garten- und Landschaftsarchitektur dokumentieren. Der Band gliedert das Jahrhundert in fünf Abschnitte, zu denen kurz die geschichtlichen Hintergründe erläutert werden. Dann werden die herausragenden Werke der Gartenkunst ausführlich vorgestellt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2000Die leidenschaftlichen Gärtner
Was zwischen den Ruinen des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland blühte
Im Berliner Garten von Max Liebermann gab es eine Szene voller Poesie: Durch einen Birkenhain führt ein gerader Weg. Bäume und Weg scheinen in Gedanken zu sein, denn sie achten nicht aufeinander: Bäume stehen auch auf dem Weg. Wohin dieser führt, ist unbekannt; dem Gehenden verstellen die Bäume den Blick auf das Ende. So verliert er sich in der Unendlichkeit. Das Ungewisse des Ausgangs lockt, denn weißer Weg und weiße Birken verbinden sich zu einem Ensemble verträumter Heiterkeit. Für Günter Mader ist die Verbindung von Hain und Weg "eine Idee", die sich jeder Gartengestalter "merken sollte". Das Unpoetische des Kommentars sagt viel über das Buch aus, in dem der Karlsruher Dozent für Freiraumplanung und Landschaftsplanung eine Geschichte der deutschen Gartenkunst im zwanzigsten Jahrhundert zu schreiben versucht.
Mader bekennt sich ausdrücklich zur persönlichen Auswahl der von ihm porträtierten Anlagen, die aber auf Grund der Fülle der Beispiele dennoch zu einer repräsentativen geworden ist. Beginnend bei Gärten, die von aus dem Kreis des Deutschen Werkbundes stammenden Architekten wie Peter Behrens und Hermann Muthesius gestaltet wurden, führt sein Weg durch Privatgärten, Parks, gestaltete Landschaften und Gartenschauen der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, der Nachkriegszeit, der siebziger, achtziger und neunziger Jahre. Immer handelt es sich um Monografien, die anhand einer bestimmten Anlage die Charakteristika eines bestimmten Gartengestalters herausarbeiten. Die knapp-präzise, immer auch nüchtern-elegante Form, in der Mader dies tut, nimmt für ihn ein. Sein Ansatz ist kein ideologischer; er verdammt nicht und bejubelt nicht, sondern schildert, sieht etwa auch bei den Gartengestaltern des Nationalsozialismus die schöpferische Potenz, ohne den weltanschaulichen Hintergrund außer Acht zu lassen.
So entstehen scharf umrissene Porträts von Künstlern, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Fritz Schumacher, Harry Maasz, Karl Foerster, Hermann Mattern, Egon Eiermann, Heinz Bienefeld und viele andere. Nur im den neunziger Jahren gewidmeten Abschnitt verzichtet er auf solch personalisierte Darstellung, weil die Zeit noch nicht reif ist für die Bewertung von Lebenswerken. Hier stehen die Grünanlagen öffentlicher Gebäude wie etwa der Leipziger Messe im Vordergrund. Mit dem esoterisch anmutenden Erdzeichen am neuen Münchner Flughafen beschließt Günter Mader seinen Überblick.
Zweifellos hat der ausgezeichnet bebildete Band Handbuchqualität; wer sich über einzelne Gärten, Parks oder Persönlichkeiten informieren möchte, wird bestens bedient. Allein zu einer Geschichte der Gartenkunst fügt sich das Ganze nicht. Mader ist kein Historiker, sondern ein Planer: daher wohl die chronologische, nicht systematische Ordnung. Eine solche aber vermisst man schmerzlich, zumal Mader auch mit Querverweisen äußerst sparsam umgeht. Das Bild der Zeit im Spiegel ihrer Gärten erschließt sich langsam und bruchstückhaft. Für den wichtigen Abschnitt über das Dritte Reich ist das am meisten zu bedauern, da man auf Grund des nazistischen Heimat-, Blut- und-Boden-Vokabulars auf ein besonderes Interesse jener Zeit am Gartenbau schließen könnte.
Das Bild, das Mader nicht zeichnet, aber immerhin, wenn man alles zusammenliest, indirekt vermittelt, ist vielschichtig und uneinheitlich. Gartenkunst, so scheint es, war für das Regime etwas, womit es nicht so recht etwas anzufangen wusste. Die Forderung nach - so könnte man es nennen - agrikultureller Autarkie jeder deutschen Familie durch Gemüseaufzucht im eigenen Garten begründet noch keine Gartenkunst; übrigens kommt man um die Feststellung, dass es hier eine Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Ökobewegung gibt, nicht herum. Umgekehrt macht das Motto "Es wird durchgeblüht" aus dem Gartengestalter Karl Foerster noch keinen Nazi, auch wenn das nach "Ab zwölf Uhr mittags wird zurückgeschossen" klingt. (Schöner wäre nur noch gewesen: "Wollt ihr den totalen Rosenkrieg?")
Die Biografie des 1902 geborenen Hermann Mattern liefert ein Beispiel für das eigentümlich schillernde Verhältnis zwischen Gartengestalter und Naziregime. Mattern war vor der Machtergreifung Gasthörer am Bauhaus und wurde im Dritten Reich "Landschaftsanwalt" beim Bau der Reichsautobahnen. In dieser Funktion hatte er für eine möglichst umweltverträgliche, landschaftsschonende Einbindung der Straßen in die Landschaft zu sorgen - eine durch und durch moderne Aufgabe. Für die Reichsgartenschau 1939 in Stuttgart gestaltete er einen Park in den besten Traditionen des Landschaftsgartens, der ohne herrische Geste auskommt. Nach dem Krieg wurde er mit der gärtnerischen Gestaltung des Bonner Regierungsviertels - der Parkanlagen um Villa Hammerschmidt, Palais Schaumburg und das Bundeshaus - beauftragt. Schließlich wurde er 1955 zum Mitbegründer der "documenta" in Kassel. Es scheint, dass die Gartenkunst - nicht der Gartenbau - im Dritten Reich gewisse Freiheiten besaß, weil sie mit Ideologie nicht in den Griff zu bekommen war - einerseits haftete dem "formalen" Garten, der zur Herrschaftsgeste fähig gewesen wäre, etwas "Widernatürliches" an, andererseits konnte der Landschaftsgarten als naturnah und quasi urwüchsig, zudem als Volkspark interpretiert werden und doch die Kunstform bleiben, die er seit Jahrhunderten gewesen war. Hermann Mattern arbeitete deshalb gewissermaßen an einem windstillen Ort.
Das alles sagt Günter Mader nicht; man reimt es sich so zusammen. Ein kunsthistorischer Zugriff, der es dem Autor erlaubt hätte, nach den Gründen zu fragen, hätte dieses Buch nicht nur erheblich spannender und aufschlussreicher gemacht; er hätte auch die Gartenkunst dahin geholt, wo sie hingehört: in den Kanon der von der Wissenschaft reflektierten, gleichberechtigten Künste.
MICHAEL GASSMANN
Günter Mader: "Gartenkunst des 20. Jahrhunderts". Garten und Landschaftsarchitektur in Deutschland. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999. 260 S., 374 Abb., geb., 180,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was zwischen den Ruinen des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland blühte
Im Berliner Garten von Max Liebermann gab es eine Szene voller Poesie: Durch einen Birkenhain führt ein gerader Weg. Bäume und Weg scheinen in Gedanken zu sein, denn sie achten nicht aufeinander: Bäume stehen auch auf dem Weg. Wohin dieser führt, ist unbekannt; dem Gehenden verstellen die Bäume den Blick auf das Ende. So verliert er sich in der Unendlichkeit. Das Ungewisse des Ausgangs lockt, denn weißer Weg und weiße Birken verbinden sich zu einem Ensemble verträumter Heiterkeit. Für Günter Mader ist die Verbindung von Hain und Weg "eine Idee", die sich jeder Gartengestalter "merken sollte". Das Unpoetische des Kommentars sagt viel über das Buch aus, in dem der Karlsruher Dozent für Freiraumplanung und Landschaftsplanung eine Geschichte der deutschen Gartenkunst im zwanzigsten Jahrhundert zu schreiben versucht.
Mader bekennt sich ausdrücklich zur persönlichen Auswahl der von ihm porträtierten Anlagen, die aber auf Grund der Fülle der Beispiele dennoch zu einer repräsentativen geworden ist. Beginnend bei Gärten, die von aus dem Kreis des Deutschen Werkbundes stammenden Architekten wie Peter Behrens und Hermann Muthesius gestaltet wurden, führt sein Weg durch Privatgärten, Parks, gestaltete Landschaften und Gartenschauen der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, der Nachkriegszeit, der siebziger, achtziger und neunziger Jahre. Immer handelt es sich um Monografien, die anhand einer bestimmten Anlage die Charakteristika eines bestimmten Gartengestalters herausarbeiten. Die knapp-präzise, immer auch nüchtern-elegante Form, in der Mader dies tut, nimmt für ihn ein. Sein Ansatz ist kein ideologischer; er verdammt nicht und bejubelt nicht, sondern schildert, sieht etwa auch bei den Gartengestaltern des Nationalsozialismus die schöpferische Potenz, ohne den weltanschaulichen Hintergrund außer Acht zu lassen.
So entstehen scharf umrissene Porträts von Künstlern, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Fritz Schumacher, Harry Maasz, Karl Foerster, Hermann Mattern, Egon Eiermann, Heinz Bienefeld und viele andere. Nur im den neunziger Jahren gewidmeten Abschnitt verzichtet er auf solch personalisierte Darstellung, weil die Zeit noch nicht reif ist für die Bewertung von Lebenswerken. Hier stehen die Grünanlagen öffentlicher Gebäude wie etwa der Leipziger Messe im Vordergrund. Mit dem esoterisch anmutenden Erdzeichen am neuen Münchner Flughafen beschließt Günter Mader seinen Überblick.
Zweifellos hat der ausgezeichnet bebildete Band Handbuchqualität; wer sich über einzelne Gärten, Parks oder Persönlichkeiten informieren möchte, wird bestens bedient. Allein zu einer Geschichte der Gartenkunst fügt sich das Ganze nicht. Mader ist kein Historiker, sondern ein Planer: daher wohl die chronologische, nicht systematische Ordnung. Eine solche aber vermisst man schmerzlich, zumal Mader auch mit Querverweisen äußerst sparsam umgeht. Das Bild der Zeit im Spiegel ihrer Gärten erschließt sich langsam und bruchstückhaft. Für den wichtigen Abschnitt über das Dritte Reich ist das am meisten zu bedauern, da man auf Grund des nazistischen Heimat-, Blut- und-Boden-Vokabulars auf ein besonderes Interesse jener Zeit am Gartenbau schließen könnte.
Das Bild, das Mader nicht zeichnet, aber immerhin, wenn man alles zusammenliest, indirekt vermittelt, ist vielschichtig und uneinheitlich. Gartenkunst, so scheint es, war für das Regime etwas, womit es nicht so recht etwas anzufangen wusste. Die Forderung nach - so könnte man es nennen - agrikultureller Autarkie jeder deutschen Familie durch Gemüseaufzucht im eigenen Garten begründet noch keine Gartenkunst; übrigens kommt man um die Feststellung, dass es hier eine Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Ökobewegung gibt, nicht herum. Umgekehrt macht das Motto "Es wird durchgeblüht" aus dem Gartengestalter Karl Foerster noch keinen Nazi, auch wenn das nach "Ab zwölf Uhr mittags wird zurückgeschossen" klingt. (Schöner wäre nur noch gewesen: "Wollt ihr den totalen Rosenkrieg?")
Die Biografie des 1902 geborenen Hermann Mattern liefert ein Beispiel für das eigentümlich schillernde Verhältnis zwischen Gartengestalter und Naziregime. Mattern war vor der Machtergreifung Gasthörer am Bauhaus und wurde im Dritten Reich "Landschaftsanwalt" beim Bau der Reichsautobahnen. In dieser Funktion hatte er für eine möglichst umweltverträgliche, landschaftsschonende Einbindung der Straßen in die Landschaft zu sorgen - eine durch und durch moderne Aufgabe. Für die Reichsgartenschau 1939 in Stuttgart gestaltete er einen Park in den besten Traditionen des Landschaftsgartens, der ohne herrische Geste auskommt. Nach dem Krieg wurde er mit der gärtnerischen Gestaltung des Bonner Regierungsviertels - der Parkanlagen um Villa Hammerschmidt, Palais Schaumburg und das Bundeshaus - beauftragt. Schließlich wurde er 1955 zum Mitbegründer der "documenta" in Kassel. Es scheint, dass die Gartenkunst - nicht der Gartenbau - im Dritten Reich gewisse Freiheiten besaß, weil sie mit Ideologie nicht in den Griff zu bekommen war - einerseits haftete dem "formalen" Garten, der zur Herrschaftsgeste fähig gewesen wäre, etwas "Widernatürliches" an, andererseits konnte der Landschaftsgarten als naturnah und quasi urwüchsig, zudem als Volkspark interpretiert werden und doch die Kunstform bleiben, die er seit Jahrhunderten gewesen war. Hermann Mattern arbeitete deshalb gewissermaßen an einem windstillen Ort.
Das alles sagt Günter Mader nicht; man reimt es sich so zusammen. Ein kunsthistorischer Zugriff, der es dem Autor erlaubt hätte, nach den Gründen zu fragen, hätte dieses Buch nicht nur erheblich spannender und aufschlussreicher gemacht; er hätte auch die Gartenkunst dahin geholt, wo sie hingehört: in den Kanon der von der Wissenschaft reflektierten, gleichberechtigten Künste.
MICHAEL GASSMANN
Günter Mader: "Gartenkunst des 20. Jahrhunderts". Garten und Landschaftsarchitektur in Deutschland. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999. 260 S., 374 Abb., geb., 180,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Michael Gassmann ist nicht überzeugt von der Untersuchung der Gartenkunst des 20. Jahrhunderts. Zwar lobt er den "knapp-präzisen " Stil und die Zurückhaltung des Autors, ideologische Urteilen zu fällen. Außerdem gebe das Werk mit Sicherheit ein gutes Handbuch ab, weil es "scharf umrissene Porträt" von verschiedenen Gartenbauern biete und gut über einzelne Parks und Gärten informiere, so der Rezensent anerkennend. Doch blieben die Einzeluntersuchungen Stückwerk, weil der Autor keine systematische Ordnung in seine Überlegungen gebracht habe. Außerdem seien Querverweise zu sparsam gegeben. Insgesamt hätte das Buch "erheblich spannender und aufschlussreicher" sein können, wie der Rezensent bedauernd resümiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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