Freunde und Verehrer des Dichters sagen, Max Gold habe die Bildlegende zur Kunstform erhoben. Ist das die reine Wahrheit oder nur holes Promotionsgeklingel? Anhand von Max Golds erstem Bilderbuch läßt sich diese Frage einigermaßen leicht beantworten. Man gebe dem Mann zumindest eine Chance!
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Also, der Mann hat den skurrilen Blick. Lars Weisbrod stellt das mal klar. Aber auch die in diesem Band abgebildeten Dinge sind ein wenig skurril, oder? Entscheidend aber ist für den Rezensenten doch, dass die natürlich allseits bekannte Kunst des Max Goldt hier noch einmal recht deutlich wird. Als Kunst der Abschweifung, als elegantester Nonsens. Sogar bei ganz und gar witzlosen Bildern gelingt ihm das, staunt Weisbrod. Dass es sich bei den versammelten Bildtexten um Bildlegenden handelt, wie gesagt wird, möchte er übrigens bezweifeln. Eher, so erklärt er, haben wir es bei dieser Titanic-Kolumnen-Auswahl mit einem Genre zu tun, das wir aus dem Internet kennen: Kurzprosa zu Abfotografiertem. Nur dass der Band eben viel goldtiger ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2010Zauber des seitlich dran Vorbeigehens
Max Goldt liest im Frankfurter Mousonturm
Eigentlich ist es genau wie jedes Jahr. Schließlich kommt Max Goldt in schöner Regelmäßigkeit zur traditionellen Weihnachts- oder auch wie jetzt zur "Post-Weihnachtslesung" in den Frankfurter Mousonturm, hat wie stets ein neues Buch dabei und liest halt so Geschichten vor. Oder was man so Geschichten nennt und sei es aus Verlegenheit. Denn Goldts Texte sind alles andere als klassische Kurzprosa, Shortstorys oder Novellen. Sie fangen einfach so an, sagen wir mit Helmut Schmidt, führen über die verblüffende "DDR-Ähnlichkeit" amerikanischer Absteigen und das Privatfernsehen zu Helmut Kohl und in ein echtes Rock-'n'-Roll-Hotel nur, um mit einer einigermaßen verkorksten Pointe bei dem verstorbenen Tierfilmer Heinz Sielmann, den eigenen Füßen und dem Kätzchen des Elektrogitarristen im Zimmer nebenan zu landen.
Voilà, eine "relativ bestrickende kleine Geschichte". Und der Auftakt zu einer Lesung, die selbst jene zahlreichen Fans im Publikum, die alle seine Bücher, Platten, Comics kennen und wie der Autor selbst Jahr für Jahr zur Weihnachtszeit im Mousonturm sich einfinden, vermutlich immer wieder überrascht. Und andere, die in der Pause ihre jeweiligen Lieblingstexte memorieren, womöglich fast ein wenig traurig macht. Denn nicht nur, dass Goldt seit "Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz" über "Die Radiotrinkerin" und "Die Krapfen auf dem Sims" bis zur aktuellen "Gattin aus Holzabfällen" Buch um Buch "Für Nächte am offenen Fenster" publiziert, wie ein weiterer Titel lautet.
Er schreibt auch ältere Texte wie "Auch Tote dürfen meine Füße filmen" (aus "Ä") schon mal derart radikal um, dass wenig mehr bleibt als die titelgebende Passage. Dabei resultiert Goldts Komik nicht aus der Schilderung lustiger Begebenheiten, Absurditäten oder der Konstruktion witziger Pointen. Im Grunde ist genau das Gegenteil der Fall. Das gilt selbst für die "Mit Text versehenen Bilder" aus der "Gattin", deren meist gänzlich banale Bildvorlagen - gefundene Fotos, Werbeplakate oder Zeichnungen - man nun im Mousonturm nicht einmal sehen konnte, sondern sich nach der Beschreibung des Autors ganz einfach selbst ausmalte. Das mag ungewöhnlich für ein Bilderbuch erscheinen, wenigstens gewagt für eine öffentliche Lesung und zeigt doch nur, was Goldts Komik immer schon im Innersten zusammenhält.
Denn erst der Text, die Sprache und die mit ihren Mitteln evozierten Bilder zeigen hinter den austauschbaren Fotos eine Welt. Und mit einem Mal funkelt vor dem Auge des Betrachters beides seltsam komisch. Was freilich für die "Gattin" gilt, gilt für Goldts bilderlose Prosa gleichermaßen. Wenn er etwa in "Das süße Nichts oder Ich weiß noch, über was wir gestern geredet haben" die Gesprächsthemen einer weinseligen Nacht im Wortlaut rekonstruiert - von der merkwürdig zunehmenden Größe von Pfeffermühlen in Privathaushalten über Loriot und die "auf möglichst große Trommeln" schlagende Dummheit junger Studenten bis zu Fragen der mittlerweile als "Lingerie" veredelten Unterwäsche für den nicht mehr ganz so jungen Mann -, dann ist das im Grunde eher banal.
Und in etwa so belanglos, wie es die eigenen Erinnerungen an dergleichen alkoholselige Gesprächsabende unter Freunden sind. Nur ungleich präziser. Doch in Goldts stilistisch einfach großartiger Verbindung von Beiläufigem, Klugem und Spekulativem, einer dezenten, nie aufdringlichen kulturkritischen Haltung und keineswegs zuletzt in all den gezielt gesetzten "blöden Ausdrücken in einem Ozean von Gescheitheit" offenbart sich noch stets ein Verhältnis zur Welt und zu den Dingen, wie man es programmatisch einem weiteren seiner wunderbaren Titel zu entnehmen geneigt ist: "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens". In Goldts Texten kann man ihn spüren. Als komisch erweist sich die Welt dann schon von ganz allein.
CHRISTOPH SCHÜTTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Max Goldt liest im Frankfurter Mousonturm
Eigentlich ist es genau wie jedes Jahr. Schließlich kommt Max Goldt in schöner Regelmäßigkeit zur traditionellen Weihnachts- oder auch wie jetzt zur "Post-Weihnachtslesung" in den Frankfurter Mousonturm, hat wie stets ein neues Buch dabei und liest halt so Geschichten vor. Oder was man so Geschichten nennt und sei es aus Verlegenheit. Denn Goldts Texte sind alles andere als klassische Kurzprosa, Shortstorys oder Novellen. Sie fangen einfach so an, sagen wir mit Helmut Schmidt, führen über die verblüffende "DDR-Ähnlichkeit" amerikanischer Absteigen und das Privatfernsehen zu Helmut Kohl und in ein echtes Rock-'n'-Roll-Hotel nur, um mit einer einigermaßen verkorksten Pointe bei dem verstorbenen Tierfilmer Heinz Sielmann, den eigenen Füßen und dem Kätzchen des Elektrogitarristen im Zimmer nebenan zu landen.
Voilà, eine "relativ bestrickende kleine Geschichte". Und der Auftakt zu einer Lesung, die selbst jene zahlreichen Fans im Publikum, die alle seine Bücher, Platten, Comics kennen und wie der Autor selbst Jahr für Jahr zur Weihnachtszeit im Mousonturm sich einfinden, vermutlich immer wieder überrascht. Und andere, die in der Pause ihre jeweiligen Lieblingstexte memorieren, womöglich fast ein wenig traurig macht. Denn nicht nur, dass Goldt seit "Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz" über "Die Radiotrinkerin" und "Die Krapfen auf dem Sims" bis zur aktuellen "Gattin aus Holzabfällen" Buch um Buch "Für Nächte am offenen Fenster" publiziert, wie ein weiterer Titel lautet.
Er schreibt auch ältere Texte wie "Auch Tote dürfen meine Füße filmen" (aus "Ä") schon mal derart radikal um, dass wenig mehr bleibt als die titelgebende Passage. Dabei resultiert Goldts Komik nicht aus der Schilderung lustiger Begebenheiten, Absurditäten oder der Konstruktion witziger Pointen. Im Grunde ist genau das Gegenteil der Fall. Das gilt selbst für die "Mit Text versehenen Bilder" aus der "Gattin", deren meist gänzlich banale Bildvorlagen - gefundene Fotos, Werbeplakate oder Zeichnungen - man nun im Mousonturm nicht einmal sehen konnte, sondern sich nach der Beschreibung des Autors ganz einfach selbst ausmalte. Das mag ungewöhnlich für ein Bilderbuch erscheinen, wenigstens gewagt für eine öffentliche Lesung und zeigt doch nur, was Goldts Komik immer schon im Innersten zusammenhält.
Denn erst der Text, die Sprache und die mit ihren Mitteln evozierten Bilder zeigen hinter den austauschbaren Fotos eine Welt. Und mit einem Mal funkelt vor dem Auge des Betrachters beides seltsam komisch. Was freilich für die "Gattin" gilt, gilt für Goldts bilderlose Prosa gleichermaßen. Wenn er etwa in "Das süße Nichts oder Ich weiß noch, über was wir gestern geredet haben" die Gesprächsthemen einer weinseligen Nacht im Wortlaut rekonstruiert - von der merkwürdig zunehmenden Größe von Pfeffermühlen in Privathaushalten über Loriot und die "auf möglichst große Trommeln" schlagende Dummheit junger Studenten bis zu Fragen der mittlerweile als "Lingerie" veredelten Unterwäsche für den nicht mehr ganz so jungen Mann -, dann ist das im Grunde eher banal.
Und in etwa so belanglos, wie es die eigenen Erinnerungen an dergleichen alkoholselige Gesprächsabende unter Freunden sind. Nur ungleich präziser. Doch in Goldts stilistisch einfach großartiger Verbindung von Beiläufigem, Klugem und Spekulativem, einer dezenten, nie aufdringlichen kulturkritischen Haltung und keineswegs zuletzt in all den gezielt gesetzten "blöden Ausdrücken in einem Ozean von Gescheitheit" offenbart sich noch stets ein Verhältnis zur Welt und zu den Dingen, wie man es programmatisch einem weiteren seiner wunderbaren Titel zu entnehmen geneigt ist: "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens". In Goldts Texten kann man ihn spüren. Als komisch erweist sich die Welt dann schon von ganz allein.
CHRISTOPH SCHÜTTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Also, der Mann hat den skurrilen Blick. Lars Weisbrod stellt das mal klar. Aber auch die in diesem Band abgebildeten Dinge sind ein wenig skurril, oder? Entscheidend aber ist für den Rezensenten doch, dass die natürlich allseits bekannte Kunst des Max Goldt hier noch einmal recht deutlich wird. Als Kunst der Abschweifung, als elegantester Nonsens. Sogar bei ganz und gar witzlosen Bildern gelingt ihm das, staunt Weisbrod. Dass es sich bei den versammelten Bildtexten um Bildlegenden handelt, wie gesagt wird, möchte er übrigens bezweifeln. Eher, so erklärt er, haben wir es bei dieser Titanic-Kolumnen-Auswahl mit einem Genre zu tun, das wir aus dem Internet kennen: Kurzprosa zu Abfotografiertem. Nur dass der Band eben viel goldtiger ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH