Trevors erzählerisches Werk ist so umfangreich wie vielschichtig. Hanns Zischler kennt und verehrt den großen irischen Schriftsteller seit Langem und hat die schönsten Erzählungen in diesem Band zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen.Oft erzählt Trevor Begebenheiten aus dem Leben ganz normaler Menschen: von Einsamkeit und verpassten Chancen, von der Allmacht des Schicksals und dem kleinen Glück. Der große irische Schriftsteller, der schon lange als der "unangefochtene Meister der Short Story" gilt (Frankfurter Allgemeine Zeitung), liebt die leisen Töne; er hat die Gabe, mit einigen wenigen Strichen große Geschichten zu entwerfen. Trevors Erzählungen sind nicht allein deshalb immer wieder beglückend, weil aus ihnen Lebensweisheit und Klugheit spricht, sondern weil sie zutiefst menschlich sind.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2008Prosaische Utopie
Er sei ein Story-Schreiber, der gelegentlich Romane verfasse, auf keinen Fall umgekehrt, sagte William Trevor einmal über sich selbst. Was ihn an den Kurzgeschichten am meisten reize, sei, dass er sie beim Schreiben mit einem Blick umfassen könne. Mit "Geborgtes Glück" erscheint ein kleiner Band mit vier bislang nicht ins Deutsche übersetzten Kurzgeschichten, die Trevor, der Bildhauer war, bevor er zur Schriftstellerei fand, teilweise bereits in den siebziger Jahren verfasst hat. In diesen Erzählungen gibt es keine farblosen Protagonisten, nicht einmal unbedeutende Randfiguren, sondern ausschließlich unverwechselbare Unikate. Dennoch sind es keine Heroen, über die Trevor schreibt, sondern die "kleinen Leute", die auf verschiedene Weise ihrem unspektakulären Alltag entfliehen. In der verarmten irischen Provinz spielt die Erzählung "Die Handtasche von Colette Nervi". Im Zentrum steht die durch Kinderlähmung verkrüppelte Dolores, die fürchtet, dass ihr die körperliche Nähe zu einem Mann für immer verwehrt bleibt. Ebenso wie Trevor wird sie zur genauen Beobachterin ihrer Umwelt. So entdeckt sie auch, dass sie von dem Bauernsohn, der sie endlich heiratet, mit Diebesgut beschenkt wird. Sie entschließt sich zu schweigen. Ähnlich wie der britische Tourist Normanton in der Erzählung "In Isfahan". Auch er kann sich nicht zur Offenheit überwinden. Von der Britin, die er auf einer Stadtrundfahrt in Persien kennenlernt und die ihn trotz mangelnder äußerlicher Attraktivität tief beeindruckt, bleibt ihm nur die Erinnerung. Es gibt bei Trevor keine plötzlichen Wendungen - erst recht nicht zum Guten. Genau dadurch überrumpelt er den Leser. (William Trevor: "Geborgtes Glück". Die schönsten Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Hans Christian Oeser und Thomas Gunkel. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008. 128 S., geb., 12,- [Euro].) amue
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Er sei ein Story-Schreiber, der gelegentlich Romane verfasse, auf keinen Fall umgekehrt, sagte William Trevor einmal über sich selbst. Was ihn an den Kurzgeschichten am meisten reize, sei, dass er sie beim Schreiben mit einem Blick umfassen könne. Mit "Geborgtes Glück" erscheint ein kleiner Band mit vier bislang nicht ins Deutsche übersetzten Kurzgeschichten, die Trevor, der Bildhauer war, bevor er zur Schriftstellerei fand, teilweise bereits in den siebziger Jahren verfasst hat. In diesen Erzählungen gibt es keine farblosen Protagonisten, nicht einmal unbedeutende Randfiguren, sondern ausschließlich unverwechselbare Unikate. Dennoch sind es keine Heroen, über die Trevor schreibt, sondern die "kleinen Leute", die auf verschiedene Weise ihrem unspektakulären Alltag entfliehen. In der verarmten irischen Provinz spielt die Erzählung "Die Handtasche von Colette Nervi". Im Zentrum steht die durch Kinderlähmung verkrüppelte Dolores, die fürchtet, dass ihr die körperliche Nähe zu einem Mann für immer verwehrt bleibt. Ebenso wie Trevor wird sie zur genauen Beobachterin ihrer Umwelt. So entdeckt sie auch, dass sie von dem Bauernsohn, der sie endlich heiratet, mit Diebesgut beschenkt wird. Sie entschließt sich zu schweigen. Ähnlich wie der britische Tourist Normanton in der Erzählung "In Isfahan". Auch er kann sich nicht zur Offenheit überwinden. Von der Britin, die er auf einer Stadtrundfahrt in Persien kennenlernt und die ihn trotz mangelnder äußerlicher Attraktivität tief beeindruckt, bleibt ihm nur die Erinnerung. Es gibt bei Trevor keine plötzlichen Wendungen - erst recht nicht zum Guten. Genau dadurch überrumpelt er den Leser. (William Trevor: "Geborgtes Glück". Die schönsten Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Hans Christian Oeser und Thomas Gunkel. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008. 128 S., geb., 12,- [Euro].) amue
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ulrich Baron begrüßt diesen Band mit Erzählungen, der zum achtzigsten Geburtstag des irischen Schriftstellers William Trevor erschienen ist. Allerdings kommt er nicht umhin, den äußerst knappen Umfang des Buchs zu registrieren, das auf 111 Seiten die "schönsten Erzählungen" des Autors präsentieren will. Ein Vorhaben, das ihm angesichts der Fülle von Trevors Werken ein wenig "verwegen" anmutet. Andererseits scheint ihm diese "asketische" Auswahl doch auch dem Geist dieses Schriftstellers zu entsprechen, den er als "Meister der Aussparung" würdigt. Hanns Zischlers Einschätzung im "luziden" Nachwort, dem literarischen Werk Trevors sei dessen "langjährige Arbeit als Bildhauer" zugute gekommen, kann er nur zustimmen. Dies zeigt sich für ihn in den vorliegenden Erzählungen, in denen es Trevor stets gelingt, einen Punkt zu finden, von dem aus das Leben seiner Protagonisten überschaubar, aber keineswegs erfreulich erscheint.
© Perlentaucher Medien GmbH
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