Die Flamen, das sind überzeugte Weltbürger und geborene Gastgeber. Siggi Weidemann steckt uns an mit seiner Liebe zu Flandern, einst reichstes Land Europas, wo sich französische Lebensart und flämischer Geschäftssinn ideal vereinen, das beschwingt, barock und fröhlich daherkommt - kurz: mediterran. Er nimmt uns mit in die Schaltstelle Europas, nach Brüssel, die Mode-, Art-nouveau- und Comicstadt, und zu den drei schönen Schwestern Brügge, Gent und Antwerpen; zu den Seebädern der Belle Époque an die Nordseeküste und zum Arkadien von Pieter Brueghel; in die Heimat der Beethovens und von Hieronymus Bosch. Er geht der Wirkung des Trappistenbiers, dem Sprachenstreit und dem langen Ringen der Flamen um Identität nach. Und er zeigt uns das größte Diamantenzentrum der Welt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2008Gottesglaube mit Speck im Mund
Von Brüssel und Flandern handelt das intelligente und vergnügt geschriebene Buch - und fast mehr noch von einem, der vor einem Vierteljahrhundert auszog, das platte Land nördlich der alten römischen Heerstraße von Köln nach Brüssel zu erkunden. Er kam, sah und berichtet seither regelmäßig in Zeitschriften, Zeitungen, Büchern von einem fidel verlotterten, dabei hochzivilisierten Volk, das es laut eines Bonmots von Jules Destrée gar nicht gibt. "Sire, il n'y a pas de Belges", schrieb der Sozialist 1912 an seine Majestät Albert I. Denn von den Belgiern war seit Cäsars "De bello Gallico" bis hin zur Staatsgründung 1830 knapp zweitausend Jahre nicht mehr die Rede. Von den Flamen schon, die alle Welt als schmausende, poussierende, feiernde Bonvivants und Schlaraffenlandbewohner kennt, und sei es von den Gemälden eines Bruegel oder Jordaens. Die Realität, so erfahren wir im Kapitel "Gottesglaube mit Speck im Mund", hält den Bildern freilich stand, mehr noch: Sie bietet ihnen noch Jahrhunderte später Paroli. Stolz berichtet Siggi Weidemann, dass in seinem geliebten Flandern von allen einschlägigen Restaurantführern so viele Sterne, Kochlöffel, Hauben pro Kopf der Bevölkerung verteilt werden wie sonst nirgendwo auf der Welt. So erklärt er uns auch, weshalb die Flamen Belgiens mit denen der Niederlande so wenig gemein haben. Als ob wir es nicht geahnt hätten: Erstere speisen auf unvergleichlich höherem Niveau. Er führt uns ein in die hippe Modemetropole Antwerpen, zeigt die zutiefst menschliche Seite der Eurokratenfestung Brüssel, staunt selbst nach Dutzenden von Besuchen über den Kunstreichtum von Gent. Er zieht seinen Hut vor dem genialen Schachzug, mit dem Brügge die der Stadt anhaftende Melancholie in einen wirtschaftlichen Standortfaktor ummünzte. Kurzum, dies ist das Buch eines erfahrenen Liebhabers, der des Objekts seiner Begierde nicht müde wird.
ksi.
"Gebrauchsanweisung für Brüssel und Flandern" von Siggi Weidemann. Piper Verlag, München 2007. 195 Seiten. Broschiert, 12,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von Brüssel und Flandern handelt das intelligente und vergnügt geschriebene Buch - und fast mehr noch von einem, der vor einem Vierteljahrhundert auszog, das platte Land nördlich der alten römischen Heerstraße von Köln nach Brüssel zu erkunden. Er kam, sah und berichtet seither regelmäßig in Zeitschriften, Zeitungen, Büchern von einem fidel verlotterten, dabei hochzivilisierten Volk, das es laut eines Bonmots von Jules Destrée gar nicht gibt. "Sire, il n'y a pas de Belges", schrieb der Sozialist 1912 an seine Majestät Albert I. Denn von den Belgiern war seit Cäsars "De bello Gallico" bis hin zur Staatsgründung 1830 knapp zweitausend Jahre nicht mehr die Rede. Von den Flamen schon, die alle Welt als schmausende, poussierende, feiernde Bonvivants und Schlaraffenlandbewohner kennt, und sei es von den Gemälden eines Bruegel oder Jordaens. Die Realität, so erfahren wir im Kapitel "Gottesglaube mit Speck im Mund", hält den Bildern freilich stand, mehr noch: Sie bietet ihnen noch Jahrhunderte später Paroli. Stolz berichtet Siggi Weidemann, dass in seinem geliebten Flandern von allen einschlägigen Restaurantführern so viele Sterne, Kochlöffel, Hauben pro Kopf der Bevölkerung verteilt werden wie sonst nirgendwo auf der Welt. So erklärt er uns auch, weshalb die Flamen Belgiens mit denen der Niederlande so wenig gemein haben. Als ob wir es nicht geahnt hätten: Erstere speisen auf unvergleichlich höherem Niveau. Er führt uns ein in die hippe Modemetropole Antwerpen, zeigt die zutiefst menschliche Seite der Eurokratenfestung Brüssel, staunt selbst nach Dutzenden von Besuchen über den Kunstreichtum von Gent. Er zieht seinen Hut vor dem genialen Schachzug, mit dem Brügge die der Stadt anhaftende Melancholie in einen wirtschaftlichen Standortfaktor ummünzte. Kurzum, dies ist das Buch eines erfahrenen Liebhabers, der des Objekts seiner Begierde nicht müde wird.
ksi.
"Gebrauchsanweisung für Brüssel und Flandern" von Siggi Weidemann. Piper Verlag, München 2007. 195 Seiten. Broschiert, 12,90 Euro.
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