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Thomas Glavinic kam als 13-Jähriger zum ersten Mal mit Kung Fu in Berührung: Als er Bruce-Lee-Filme sah, war er von dessen Kunstfertigkeit begeistert. Er schrieb sich prompt in Karate ein; mit sechzehn probierte er Taek-Won-Do; später widmete er sich nach einer kurzen Judophase und ein paar Boxeinheiten dem Jiu-Jitsu, bis er schließlich beim Wing Tsun landete: einer Kampfkunst, die der Legende nach von einer chinesischen Nonne erfunden wurde und höchst effektiv ist. Glavinic' Erfahrungsbericht ist ein unterhaltsamer Überblick über Selbstverteidigungssysteme und ihre Anwendung im Alltag.…mehr

Produktbeschreibung
Thomas Glavinic kam als 13-Jähriger zum ersten Mal mit Kung Fu in Berührung: Als er Bruce-Lee-Filme sah, war er von dessen Kunstfertigkeit begeistert. Er schrieb sich prompt in Karate ein; mit sechzehn probierte er Taek-Won-Do; später widmete er sich nach einer kurzen Judophase und ein paar Boxeinheiten dem Jiu-Jitsu, bis er schließlich beim Wing Tsun landete: einer Kampfkunst, die der Legende nach von einer chinesischen Nonne erfunden wurde und höchst effektiv ist. Glavinic' Erfahrungsbericht ist ein unterhaltsamer Überblick über Selbstverteidigungssysteme und ihre Anwendung im Alltag. Pointiert und kenntnisreich schildert er, wie man Gefahren elegant aus dem Weg geht. Dass oft genug verbale Gegenwehr schon ausreicht. Und wo die Grenzen zwischen Kampfsport und Kampfkunst liegen.
Autorenporträt
Glavinic, Thomas
Thomas Glavinic wurde 1972 in Graz geboren. 1998 erschien sein Debüt »Carl Haffners Liebe zum Unentschieden«. Es folgten u.a. die Bücher »Die Arbeit der Nacht« (2006), »Das bin doch ich« (2007), das auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand, »Das Leben der Wünsche« (2009) und »Das größere Wunder« (2013). Seine Romane »Der Kameramörder« (2001) und »Wie man leben soll« (2004) wurden fürs Kino verfilmt. Thomas Glavinic erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, zuletzt den Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Seine Romane sind in 25 Sprachen übersetzt, mehrere wurden für die Bühne adaptiert. Er lebt in Wien und Rom. 2016 erschien sein Roman »Der Jonas-Komplex«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.10.2017

Immer
gut drauf
Thomas Glavinic denkt über
Selbstverteidigung nach
Old Shatterhands Markenzeichen ist es, seine Gegner mit einem einzigen Schlag gegen die Schläfe umzuhauen. Ob das realistisch ist? Das war Karl May vermutlich egal, Hauptsache sein Protagonist ist ein Held. Doch einem medial versierten Leser wie dem österreichischen Schriftsteller Thomas Glavinic stellt sich durchaus die Frage, ob ein normaler Mensch wirklich über eine solche heldenhafte Schmetterhand verfügen könnte. Ebenso, ob es möglich wäre, wie Bud Spencer mit Dampfhammerfäusten Gegner um Gegner in den Boden zu stampfen. Im Gegenzug wird sich möglicherweise der Leser der „Gebrauchsanweisung für Selbstverteidigung“ fragen, was Thomas Glavinic mit dem darin verhandelten Gegenstand verbindet und weshalb er nun anstelle eines neuen Romans einen Ratgeber geschrieben hat. Wer den oft polternden und immer wieder autobiografisch arbeitenden Glavinic kennt, wird schon vermuten, dass viel von ihm selbst die Rede sein wird. So setzt er seine Verwunderung über Old Shatterhand und Bud Spencer an den Beginn seiner lebenslangen Begeisterung für Kampfkünste. Er reflektiert seine Entwicklung vom zweifelnden Karl-May-Fan bis hin zum Wing-Tsun-Schüler – dieses Selbstverteidigungssystem trainiert er seit Jahren mehrmals die Woche. Das waren Glavinics kampfkünstlerische Lehr- und Wanderjahre, wenn man so will. Da ist von seinem Eingriff in den eskalierenden Beziehungsstreit eines befreundeten Paares zu lesen und von einer Fluchtfahrt, die er als Taxifahrer antreten musste, als er von einem Fahrgast mitten in eine Kneipenschlägerei gerufen wurde, um ihn dort herauszuholen.
Anhand dieser Anekdoten trägt er ihm wichtig Erkenntnisse zusammen, die dem ungeschulten Selbstverteidiger die Grundlagen des „street smart“, also des vorausschauenden Durch-die-Welt-Wandelns vermitteln sollen. Er rät etwa, in Konflikten nie auf den Boden zu starren, um nicht unsicher zu wirken und das Selbstbewusstsein zu schulen, um Angreifern souverän entgegentreten zu können. Das leuchtet ein, wenngleich diese Tipps und die Hinweise zu deren Umsetzung nicht sonderlich neu oder besonders wissenschaftlich unterfüttert sind.
Die Welt besteht für Glavinic schwarz-weiß-malerisch aus Tätern und Opfern und er will den Opfern helfen, zumindest die Möglichkeit zu haben, in Konfliktsituationen zum Täter werden zu können, um sich selbst und andere zu schützen. Er nennt die Täter Lianenschwinger und begegnet ihnen ähnlich kraftmeierisch wie sie den Drangsalierten „Du Opfer!“ entgegenbrüllen: „Täter zu sein bedeutet, kein Opfer zu sein. Solche Menschen sind Opfer, denen ihr Opferdasein unerträglich geworden ist, die jedoch lediglich eine destruktive Art gefunden haben, mit ihm umzugehen.“
Glavinic beteuert, keine Küchenpsychologie betreiben zu wollen, tut aber genau das. Mit großem Genuss drischt er verbal auf lianenschwingende Schläger ein und rät dennoch, immer zuerst zu versuchen, mit Worten zu schlichten, bevor man zuschlägt. Dann solle man aber immer der Erste sein, da ein gezielter Hieb eine Auseinandersetzung sofort beenden könne.
Was in seinem Roman „Wie man leben soll“ noch gut funktionierte, gerät im Format der Gebrauchsanweisung in Schieflage: Im Roman ließ er Karl Kostrum noch mit Ratgeberbüchern durch seine übergewichtige Jugend stolpern. Dieser hielt seine eigenen Lebensunweisheiten zum Vergnügen der Leserschaft in pubertierenden Merksätzen fest: „Wenn zwei Menschen kämpfen, geht es immer darum, wer von ihnen wütender ist. Der wird gewinnen, dessen Wut größer ist.“ In der Gebrauchsanweisung nun, kondensiert Glavinic seine Kampfsporterfahrung im selben Stil. Das führt wie bei Karl zu einer Vielzahl von pointierten und twitterfähigen Aphorismen, die er seinen Anekdoten als zusammenfassende Sinnsprüche anheftet. „Das Gesicht zu wahren bedeutet in erster Linie, es sich nicht demolieren zu lassen.“
Das liest sich vergnüglich, keine Frage, doch nutzt sich derlei Wortjongliererei über die Strecke ab und gerinnt teilweise zu polternden Kalauern. Das ist durchaus auch dem Format geschuldet, denn der Band ist in der erfolgreichen Reihe „Gebrauchsanweisung für“ des Piper Verlags erschienen, in der bisher hauptsächlich Reiseziele und Events wie das Oktoberfest für Neulinge erklärt werden. Für derlei Freizeitvergnügen geht die Rechnung der autobiografisch angehauchten Ratgeber von bekannten Autoren auch tadellos auf. Ebenso leuchtet ein, weshalb Glavinic als Kampfsportler einen Band zur Selbstverteidigung beitragen sollte. Doch genau dieses Thema ist es, weshalb die Gebrauchsanweisung zwischen fröhlich dahergeplapperten Storys von an den Falschen geratenen U-Bahn-Schlägern und plattitüdenhaften Standardratschlägen stecken bleibt. Für einen tatsächlichen Erkenntnisgewinn kratzt der Band inhaltlich zu sehr an der Oberfläche, für einen reinen Anekdotenband ist das Thema dann doch zu ernst, um fröhlich über einige der Geschichten hinwegzulesen.
SOFIA GLASL
Thomas Glavinic: Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung. Piper Verlag, München 2017. 224 Seiten, 15 Euro.
Ein gut gezielter Hieb kann
eine Auseinandersetzung
sofort beenden
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"Auch Literatur greift ihre Leser manchmal an - im Fall Glavinics nicht auf das Schlechteste.", Dresdner Neueste Nachrichten, 29.01.2018