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Produktdetails
  • Edition libri rari
  • Verlag: Schäfer im Vincentz Network
  • Repr. d. Ausg. v. 1904.
  • Seitenzahl: 113
  • Abmessung: 310mm
  • Gewicht: 1080g
  • ISBN-13: 9783887463960
  • Artikelnr.: 08006827
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2003

Auf Biegen oder Brechen
Leichte Laufsessel für den Salon: Die Erfolgsgeschichte der Gebrüder Thonet

VON DANIELA GREGORI

Über Clemens Fürst Metternich, den "Kutscher Europas" während des Wiener Kongresses, mag man vieles meinen, doch als er einem Tischlermeister aus Boppard - beeindruckt von dessen Erzeugnissen - bei einer Gewerbemesse im Jahr 1841 riet, nach Wien zu kommen, und ihm versicherte, man werde am Hof ein gutes Wort für ihn einlegen, hatte dies weniger mit Diplomatie zu tun denn mit einer intuitiven Weitsicht.

Ohnedies durch ein Patentverfahren hoch verschuldet, erhoffte sich Michael Thonet von dem 1842 vollzogenen Wechsel von der rheinischen Provinz in die Residenzstadt Kundschaft aus den Reihen einer wohlhabenden Bürgerschicht und aus Adelskreisen. Während Thonet in Boppard noch mit gebogenem Schichtholz experimentiert hatte, entstanden in Wien bereits erste Möbel aus verleimten Stabbündeln. Und als sich der innovative Tischler 1853 gemeinsam mit seinen fünf Söhnen selbständig machte, standen seine leichten "Laufsessel" bereits in den Salons der Liechtensteins und in den Domizilen der Habsburgs in Prag. Dafür hatte Thonet bei der ersten Weltausstellung im Londoner Kristallpalast die höchste Auszeichnung erhalten.

Unter massivem Druck der Konkurrenz und nach dem Motto "Auf Biegen oder Brechen" experimentierten die Thonets weiter, so daß 1856 bereits die Technik des Massivbiegens patentrechtlich geschützt werden konnte. Jene Möbel gingen jedoch nicht mehr in Wien, sondern im mährischen Koritschan in Produktion und bildeten somit den Endpunkt der technischen Entwicklung von Möbeln aus gebogenem Holz.

Anläßlich des hundertfünfzigjährigen Jubiläums der Firmengründung der Gebrüder Thonet hat sich das Kaiserliche Hofmobiliendepot in Wien in einer Ausstellung samt Begleitbuch - unter der Leitung von Eva B. Ottilinger - zur Aufgabe gemacht, die "Geschichte der Bugholzmöbelindustrie von einem Wiener Blickpunkt aus erneut zu beleuchten". Neben Ottilingers ausführlicher und reichillustrierter Geschichte der Bugholzmöbel im allgemeinen und der Firma Thonet im speziellen, deren Bogen von den Anfängen bis in die Gegenwart reicht, schildert der Thonet-Sammler Helmut W. Lang höchst heiter seine nicht minder von wissenschaftlicher Akribie begleitete Besessenheit vom Besitzen. Was das Werk jedoch zu einer unverzichtbaren Datierungs- und Erkennungshilfe macht für Sammler, Liebhaber und solche, die es noch werden wollen, sind eine Aufstellung aller Etiketten, Stempel und Signaturen aus Thonet-Möbeln des Sammlers Peter W. Ellenberg sowie der Nachdruck des Warenkatalogs der Gebrüder Thonet aus dem Jahr 1885.

Nach Auskunft des Kunsthändlers Patrick Kovacs, der sich unter anderem auf den Handel mit historischen Bugholzmöbeln spezialisiert hat, ist man bei Thonet schon mit fünfzig Euro seriös dabei: Dafür erhält man zum Beispiel den berühmten Stuhl Modell "Nr. 14" - der freilich rund fünfzig Millionen Male hergestellt wurde. Das Modell Nr. 13, entworfen im Jahr 1865 und seinerzeit zum Beispiel im Offizierskasino am Wiener Schwarzenbergplatz in Verwendung, wird mit 6500 Euro beziffert. Der in sich geschraubte Demonstrationsstuhl für die Wiener Weltausstellung 1873 hingegen schlägt mit 15 000 Euro zu Buch. Ein Paar Bopparder Sessel erzielte im vorigen Mai im Dorotheum sogar den rekordverdächtigen Preis von 30 000 Euro.

"Gebrüder Thonet - Möbel aus gebogenem Holz". Hrsg. von Eva B. Ottilinger (Museen des Mobiliendepots, Band 16). Böhlau Verlag, Wien 2003. 160 S., zahlr. Abb., brosch., 29,90 [Euro].

Die Ausstellung dauert bis 6. Januar 2004.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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