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Richard von Weizsäcker hat nicht nur mit seinen großen Reden Wirkung erzielt. Auch mit seinen Tischreden zu Ehren herausragender Staatsbürger hat er es immer verstanden, eigene Akzente zu setzen. Dieser Band würdigt in zwanzig biographischen Miniaturen bedeutende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Politik und Publizistik, aus dem kirchlichen und künstlerischen Leben. Die Einladungen - übrigens ein Novum in der Villa Hammerschmidt - machen deutlich, daß der Präsident deren Wirken für das Gemeinwesen nicht nur hervorheben wollte; die demokratische Bürgergesellschaft selbst…mehr

Produktbeschreibung
Richard von Weizsäcker hat nicht nur mit seinen großen Reden Wirkung erzielt. Auch mit seinen Tischreden zu Ehren herausragender Staatsbürger hat er es immer verstanden, eigene Akzente zu setzen. Dieser Band würdigt in zwanzig biographischen Miniaturen bedeutende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Politik und Publizistik, aus dem kirchlichen und künstlerischen Leben. Die Einladungen - übrigens ein Novum in der Villa Hammerschmidt - machen deutlich, daß der Präsident deren Wirken für das Gemeinwesen nicht nur hervorheben wollte; die demokratische Bürgergesellschaft selbst sollte dadurch im Bewußtsein der Öffentlichkeit gestärkt werden.
Autorenporträt
Richard von Weizsäcker wurde 1920 in Stuttgart geboren. Nach einer erfolgreichen Karriere in der Industrie war er von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 1988 bis 1994 Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Er war der deutsche Bundespräsident, der das höchste Maß an Popularität in der Bevölkerung und auch innerhalb der politischen Elite genoss. Richard von Weizsäcker war Autor zahlreicher Bestseller. Er verstarb im Januar 2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2009

Zum Ruhme des Wirtsgastes
Tafelrunden als Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland

Wir wissen nicht genau, was Bundeskanzlerin Merkel anlässlich der Geburtstagsfeier für Josef Ackermann im Kanzleramt zum Jubilar sagte. Vielleicht fing sie so an: "Dankbar verbunden sind wir Ihnen dafür, dass Sie uns in den Stand setzen, diesen illustren Kreis von Gästen herzlich willkommen zu heißen, der zu Ihren Ehren hier versammelt ist . . . aus der unmittelbaren Nachbarschaft . . . bis über den Ozean." So jedenfalls begrüßte Bundespräsident Richard von Weizsäcker einen berühmten Vorgänger Ackermanns: Hermann Josef Abs.

Der legendäre Deutsche-Bank-Chef und multiple Aufsichtsrat war am 16. Oktober 1991 anlässlich seines 90. Geburtstages in die Villa Hammerschmidt geladen worden. Und selbstverständlich durfte er dazu Gäste einladen. Das ist geradezu Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland, wie sich aus einem kleinen Büchlein Weizsäckers ergibt, in dem er 1995 seine Reden dieser Geburtstagsfeiern auf Staatskosten samt Gästelisten wiedergab. Im Vorwort schwärmt das Staatsoberhaupt, seine Frau und er hätten sich "eine Art Gastmahl ausgedacht, die sich zu einer unserer schönsten Pflichten entwickelte". Wenn es demnach zu einem "herausragenden und im Alter vorgerückten Lebensjubiläum einer Persönlichkeit kam, die für unser Land von außergewöhnlicher Bedeutung geworden war, dann richteten wir eine Geburtstagstafel zu ihrem Ruhme, mit ihren Familien und mit Freunden und Kollegen nach ihrer Wahl".

Dieser Punkt ist offenbar für das Gelingen eines solchen Mahls ganz entscheidend - man kennt das von Kindergeburtstagen: "Indem nun die Geburtstagskinder den Hauptteil der Gästeliste bestimmten, machten sie uns Gastgeber selbst zu Gästen ihres Lebenskreises." Wieder bekommt man ein Gespür für das Besondere solcher Festessen im Präsidentenalltag, denn Weizsäcker fährt fort: "Das war für uns etwas Wunderbares. Und so sollte es ja auch sein."

Von den Kosten, aber auch von den einzelnen kulinarischen Genüssen der Empfänge ist nicht die Rede, wohl aber von der Bedeutung der Wörter "Wirt" und "Gast". Im Lateinischen und Spanischen etwa blieben beide Bedeutungen in einem Wort verbunden. "Des Wirtes Wunsch ist es, den Gast aufzufordern, bei ihm selbst Wirt, nicht mehr Gast zu sein. Er soll sich nicht als Fremder fühlen, sondern wie zu Hause. Er wird, wie der Einladende, zum Wirtsgast." Wer will da noch über Spesen richten?

Wir wissen bisher noch nicht, wie Angela Merkel das Essen zu Ehren von Josef Ackermann in Erinnerung behalten wird. Für das Ehepaar Weizsäcker jedenfalls waren diese Geburtstagsfeiern "unvergessliche Stunden". Die intensive Beschäftigung mit dem Lebensweg der Jubilare "trug allein schon ihren Lohn in sich selbst". Und dann erst das Kennenlernen interessanter Leute: So wie Kanzlerin Merkel jetzt sagte: "Ich bin jemand, der immer versucht, auch Gruppen, die normalerweise nicht zusammenkommen, zusammenzubringen", so äußerte sich schon Weizsäcker etwa von der Begegnung mit "beinahe der gesamten Gruppe 47" anlässlich des 80. Geburtstages von Hans Werner Richter. Und zum Geburtstag des Kölner Kardinals Höffner lernten die Weizsäckers "praktisch alle katholischen Oberhirten unserer Nachbarländer kennen". Bernhard Minettis Jubiläum wurde mit den "Großen unserer deutschsprachigen Bühnen" gefeiert. Präsidial getafelt wurde auch etwa mit Max Schmeling, Wolfgang Wagner, Teddy Kollek und Weizsäckers Bruder Carl Friedrich.

Und mit wem speiste man zu Abs' 90. Geburtstag 1991? Bundeskanzler Kohl und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau führen die Gästeliste an. Neben Volker Hauff und Georg Leber dann führende Wirtschafts- und Bankenvertreter: Hilmar Kopper, Hans Merkle, Karl Otto Pöhl, Edzard Reuter, die Bischöfe Kunst und Lehmann. Dabei ist auch der Pianist Peter Serkin aus New York; insgesamt 28 Gäste waren in die Villa Hammerschmidt geladen.

Petra Roth war damals noch nicht dabei. Doch wurde Abs von Weizsäcker gelobt, der dem Frankfurter Städel zu seinem Elsheimer Altar verholfen hat. Der Bankier wird gelobt als jemand, der "wie kaum ein Zweiter die Ambivalenz der menschlichen Natur" kenne. Die zentrale politische Frage heute sei die Nähe zwischen Frau Merkel und Ackermann, heben jetzt Linkspartei und Grüne hervor. Auch dazu hatte Weizsäcker schon einen Satz parat. Zu Ackermanns Vorgänger sprach der Bundespräsident, es sei die souveräne Unabhängigkeit, die sein Wesen stets gekennzeichnet habe. Niemand könne sich Abs' "gewinnender Liebenswürdigkeit" entziehen, doch die Achtung vor dem Menschen verbiete es ihm, dem anderen eine Vertrautheit aufzudrängen. "Sie wissen, dass es zur Humanität gehört, Distanz zu wahren."

Für Weizsäcker waren die "Tafelrunden" ein "unvergleichlicher Erfahrungsschatz". Das dürfte Bundeskanzlerin Merkel ähnlich sehen. Ob sie auch "als Dank an diese Zeitgenossen" ihre Ansprachen in einem Buch versammelt, erscheint momentan unwahrscheinlich.

REINHARD MÜLLER

Richard von Weizsäcker. Geburtstagsfeiern. Manesse Verlag, Zürich 1995. 157 Seiten, 18,80 Mark (antiquarisch).

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