Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2007„Der Diwan” des Hafis’ in der Übersetzung von Hammer-Purgstall
Poetische Inventur des Orients
Am 24. Oktober 2007 wurde in Weimar die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek nach ihrer Restaurierung wiedereröffnet. Schon in diesem Frühjahr begann die SZ-Edition „Bibliotheca Anna Amalia”. Die zwölf ausgewählten Bände aus den historischen Beständen der Bibliothek werden jeweils durch ein Nachwort und einen Anhang erschlossen. In dieser Woche erscheint „Der Diwan” des persischen Dichters Hafis in der Übersetzung von Joseph von Hammer-Purgstall. Wir bringen einen Auszug aus dem von Stefan Weidner verfassten Nachwort. SZ
Hammer-Purgstall war noch keine dreißig, als ihm der alte Herder, entscheidende Figur bei der literarischen Entdeckung des Orients, 1803 die Ehre schönster Vorschusslorbeeren zuteilwerden ließ: „Entziehe nie das Verhängnis, das die Dinge wunderbar leitet, unserem Europa die beiden Handhaben der östlichen und südlichen Welt, die persische und die arabische Sprache. Blühe die Hoffnung auf, die wir an Hammer, einem glücklichen jungen Mann voll Sprachkenntnis und Gaben, aus Orient erwarten!” Hammer-Purgstall enttäuschte diese Hoffnungen nicht.
Der europäischen Leserschaft unerschlossen, lagen dem Sprachkundigen damals (aber ist es heute so anders?) ganze Nationalliteraturen zu Füßen. Wo anfangen, wo aufhören? Kein penibles Faktenwissen fesselte, wie heute, die Erfindungsgabe, kein Terrorpopanz erstickte die Einbildungskraft schon im Kindbett. Man darf vermuten, dass Hammer-Purgstall seinen Hafis in der 1812/13 erstmals erschienenen Übersetzung bisweilen aus dem Stegreif nachgedichtet hat. Getreu dem Wort von Friedrich Schlegel fand Hammer-Purgstall „im Orient das höchste Romantische” und begriff Hafis als Ausdruck höchster romantischer Poesie, modern gesprochen, als l’art pour l’art. Den persischen Dichter hat er auf die Frequenz getunt, die das deutsche Poetenohr damals wahrnehmen konnte. Genau das ist es, was das Wunder der Rezeption ermöglicht hat, welcher wir Goethes „Der west-östliche Divan” verdanken.
Man muss Hafis lesen, wie Goethe ihn gelesen hat, um die islamische Welt in ihrem ganzen Potential wiederzufinden. Dieser Hafis-Orient, der persisch-arabische Poesie-Orient, existiert nach wie vor. Er ist aber ein von allen Seiten, nicht zuletzt von vielen Muslimen selbst übertönter. Anders als koranschwingende Demagogen und Selbstmordattentäter ist dieser geistige Islam in den Massenmedien nicht sichtbar. Wir brauchen dazu die Literatur, das Buch. Es ist ein universalisierbarer Islam, der sich christliche, spätantike, zoroastrische, indische Motive einverleibt hat, sie als Teil des eigenen Erbes begreift. Eben dieses Erbe einer sich aus universalen Quellen speisenden islamischen Spiritualität finden wir bei Hafis.
Der Dichter Hafis, Holzstich nach C. Roehling Foto: akg/pa
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Poetische Inventur des Orients
Am 24. Oktober 2007 wurde in Weimar die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek nach ihrer Restaurierung wiedereröffnet. Schon in diesem Frühjahr begann die SZ-Edition „Bibliotheca Anna Amalia”. Die zwölf ausgewählten Bände aus den historischen Beständen der Bibliothek werden jeweils durch ein Nachwort und einen Anhang erschlossen. In dieser Woche erscheint „Der Diwan” des persischen Dichters Hafis in der Übersetzung von Joseph von Hammer-Purgstall. Wir bringen einen Auszug aus dem von Stefan Weidner verfassten Nachwort. SZ
Hammer-Purgstall war noch keine dreißig, als ihm der alte Herder, entscheidende Figur bei der literarischen Entdeckung des Orients, 1803 die Ehre schönster Vorschusslorbeeren zuteilwerden ließ: „Entziehe nie das Verhängnis, das die Dinge wunderbar leitet, unserem Europa die beiden Handhaben der östlichen und südlichen Welt, die persische und die arabische Sprache. Blühe die Hoffnung auf, die wir an Hammer, einem glücklichen jungen Mann voll Sprachkenntnis und Gaben, aus Orient erwarten!” Hammer-Purgstall enttäuschte diese Hoffnungen nicht.
Der europäischen Leserschaft unerschlossen, lagen dem Sprachkundigen damals (aber ist es heute so anders?) ganze Nationalliteraturen zu Füßen. Wo anfangen, wo aufhören? Kein penibles Faktenwissen fesselte, wie heute, die Erfindungsgabe, kein Terrorpopanz erstickte die Einbildungskraft schon im Kindbett. Man darf vermuten, dass Hammer-Purgstall seinen Hafis in der 1812/13 erstmals erschienenen Übersetzung bisweilen aus dem Stegreif nachgedichtet hat. Getreu dem Wort von Friedrich Schlegel fand Hammer-Purgstall „im Orient das höchste Romantische” und begriff Hafis als Ausdruck höchster romantischer Poesie, modern gesprochen, als l’art pour l’art. Den persischen Dichter hat er auf die Frequenz getunt, die das deutsche Poetenohr damals wahrnehmen konnte. Genau das ist es, was das Wunder der Rezeption ermöglicht hat, welcher wir Goethes „Der west-östliche Divan” verdanken.
Man muss Hafis lesen, wie Goethe ihn gelesen hat, um die islamische Welt in ihrem ganzen Potential wiederzufinden. Dieser Hafis-Orient, der persisch-arabische Poesie-Orient, existiert nach wie vor. Er ist aber ein von allen Seiten, nicht zuletzt von vielen Muslimen selbst übertönter. Anders als koranschwingende Demagogen und Selbstmordattentäter ist dieser geistige Islam in den Massenmedien nicht sichtbar. Wir brauchen dazu die Literatur, das Buch. Es ist ein universalisierbarer Islam, der sich christliche, spätantike, zoroastrische, indische Motive einverleibt hat, sie als Teil des eigenen Erbes begreift. Eben dieses Erbe einer sich aus universalen Quellen speisenden islamischen Spiritualität finden wir bei Hafis.
Der Dichter Hafis, Holzstich nach C. Roehling Foto: akg/pa
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Lyrikfreunde werden das Bändchen "Gedichte aus dem Diwan" des persischen Dichters Hafis besonders freudig begrüßen, ausgewählt und herausgegeben von Johann Christoph Bürgel. In einem informativen Essay stellt Bürgel Leben und Werk des persischen Dichters vor und nimmt zu der schwierigen Übersetzung Stellung. Esslinger Zeitung