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Herzberg schreibt über alltägliche Dinge und die großen Themen des Lebens in dem ihr eigenen, scheinbar leichtfüßigen, oft äußerst verkürzten bis hin zu elliptischen Stil. Häufig bilden Wortspiele den Ausgangspunkt eines Gedichts, oder eine Beobachtung im Alltag. Das Große und das Kleine sind bei ihr nicht voneinander zu trennen, wie sie selbst in ihrem Gedicht "Drunter und Drüber" schreibt. Ihr Werk wurde mit den höchsten Preisen ausgezeichnet, darunter dem Horst-Bienek-Preis für Lyrik 2022.

Produktbeschreibung
Herzberg schreibt über alltägliche Dinge und die großen Themen des Lebens in dem ihr eigenen, scheinbar leichtfüßigen, oft äußerst verkürzten bis hin zu elliptischen Stil. Häufig bilden Wortspiele den Ausgangspunkt eines Gedichts, oder eine Beobachtung im Alltag. Das Große und das Kleine sind bei ihr nicht voneinander zu trennen, wie sie selbst in ihrem Gedicht "Drunter und Drüber" schreibt. Ihr Werk wurde mit den höchsten Preisen ausgezeichnet, darunter dem Horst-Bienek-Preis für Lyrik 2022.
Autorenporträt
Judith Herzberg, *1934 in Amsterdam, ist eine der bekanntesten Lyrikerinnen und Bühnenautorinnen der Niederlande. Ihr erster Gedichtband Zeepost erschien 1963. Ihm folgten im Lauf der Jahrzehnte fast zwei Dutzend mehr. In Deutschland ist sie bisher vor allem durch ihre Theaterstücke bekannt, zuletzt Die Träume der Abwesenden, in dem drei ihrer Stücke zu einem großen jüdischen Familienepos zusammengefasst sind.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Für Rezensentin Beate Tröger ist dieser Gedichtband der niederländischen Lyrikerin Judith Herzberg eine intensive, wuchtige  Erfahrung: Herzberg schreibt ohne Dünkel, einfach, aber doch  besonders, wenn sie alltägliche Worte leicht verändert wieder ins  Bewusstsein bringt. So "fröhlicht" sie etwa eine Gans auf einer Wiese und sie labt sich an  der "schlichten Schönheit schmuckloser Parks", staunt Tröger. Auch von der jüdischen Herkunft der Autorin kann die Kritikerin lesen, von  einem Land, das nach der Erfahrung des Nationalsozialismus "nur in der Erinnerung sich gleich geblieben" ist. Ein Band, der aus einem langen  Leben und einem genauen Blick schöpft, da kann sie es auch verschmerzen, dass es keine einordnenden Paratexte gibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2024

Im Bann des Unaussprechlichen

Man denkt nicht zuletzt an das tragische Schicksal der Anne Frank, wenn man über Judith Herzberg schreibt. Die hochbetagte jüdische Schriftstellerin, hier vor allem als Dramatikerin an renommierten Bühnen gefeiert sowie für ihren Einsatz für die in Auschwitz ermordete jüdische Malerin Charlotte Salomon gewürdigt, wurde 1934 in Amsterdam geboren und hat die Zeit der deutschen Okkupation der Niederlande mit ihren beiden Geschwistern auf dem Land verbracht, wo sie voneinander getrennt an wechselnden Orten versteckt wurden. Ihre Eltern, Abel Jacob Herzberg und Theodora Loeb-Herzberg, haben das KZ Bergen-Belsen überlebt und wurden dann aus dem sogenannten "Verlorenen Transport", der sich auf dem Weg nach Theresienstadt befand, von der Roten Armee befreit - der Vater avancierte nach dem Krieg seinerseits zu einem bedeutenden Schriftsteller.

Dieses traumatische, für ein ganzes Zeitalter jüdischen Lebens in den Niederlanden stehende Familienereignis wurde ein Grundpfeiler von Herzbergs Literatur und ist es bis in die Gedichte ihrer neuen, die letzten 25 Jahre umfassenden Auswahl geblieben. Die Autorin, die perfekt deutsch spricht, wird Christiane Kuby sicher bei deren Übersetzung unterstützt haben. Die ist ausgezeichnet.

"Wir waren Stümpfe, Rumpf / ohne Glieder, wir lagen im Schlamm / bei einem in Trümmer gelegten Rijksmuseum / und erkannten einander nur noch / an unseren Stimmen" - es kann ein nie Realität gewordener, aber im Bereich des Möglichen liegender Albtraum sein, der die Erinnerung an die Schoa heraufbeschwört, das Zurückblicken auf die unmittelbare Nachkriegszeit, als das Mädchen elf wurde und das Wort "Überleben" noch nicht zum Vokabular seiner Umwelt gehörte, oder die "Suche nach / einem anderen Wort für / Massenmord". Über den Gedichten schwebt stets das Unaussprechliche des Menschheitsverbrechens, was am deutlichsten wird, wenn Herzberg überhaupt nichts mehr veranschaulicht und es kurz und knapp bei dem Hinweis auf die "bekannte Tragödie" belässt.

Überhaupt lebt Herzberg in ihrem poetischen Sprechen von der Reduktion auf das Nötigste und Wesentliche, ein faltender Stil, der sich gerade bei harten Bildfügungen anbietet: "Es gibt auch solche / die würden nie ein Foto falten / doch auf einmal, und mit Wonne, / dem Nachbarn mit der Axt / den Schädel spalten." Und so schreibt Herzberg ihre Kurzgedichte, als schriebe sie, wie früher, "lange Briefe": "mit sorgsam überlegten Worten / die wir meinten". Es ist ein Schreiben mit einem Fühler für die feinen Unterschiede, etwa zwischen den Adjektiven "behutsam" und "besonnen"; ein Schreiben, das "schönen Wörtern" wie "laben", die wir haben "links liegen, schleifen lassen", nachtrauert; schließlich ein gegenüber Metaphern skeptisches schnörkelloses Schreiben: "es klingt einfach / zu sehr nach / Metapher", kommentiert das lyrische Subjekt die Behauptung, ein schief stehender Baum fiele im Sturm nicht leicht um. Es geht Herzberg also auch um das Hand- und Fingerwerk der Poesie, für das sie in der Musik, bei zwei weltbekannten Gitarristen, eine Analogie findet: "Julian Bream der / mit dem Fernglas / zu Gitarrenkonzerten ging / um dort Segovias / Fingerspiel zu sehen."

Und Herzberg bleibt auch dort kurz und bündig, wo sie ihre Naturverbundenheit in den Vordergrund rückt, Kurzporträts zum Beispiel von Arie Aroch oder Samuel Agnon entwirft oder Dialogfetzen und seltsame Szenen des Alltags wiedergibt - wie jenen woyzeckschen Auftritt einer "schmutzigen Frau" in der Lobby eines teuren Hotels. Als ihr verweigert wird, das Klo zu benutzen, und ihr, mit Büchner gesprochen, "die Natur kommt", geschieht etwas, was einem Protest gleichkommt: "sie spreizt ein wenig die Beine und pinkelt auf den bunten hochflorigen Teppich, der sofort alles absorbiert, als wäre er es gewöhnt".

Was Christoph Meckel, Herzbergs unwesentlich jüngerer deutscher Schriftstellernachbar, anlässlich ihrer Entgegennahme des Joost-van-Vondel-Preises 1980 in der "circensischen Poesie" seiner Kollegin sah, gilt auch für vorliegende Auswahl: "In ihr", so der Laudator damals, "ist alles da und fest verschmolzen; Spiel, Ironie und Schmerz, Zartheit und Härte, Unerbittlichkeit, Kritik und Charme, Sehnsucht, Verzweiflung und Protest, Skepsis, Naivität und genaues Denken, gewöhnliche Erfahrung und reine Vision und schließlich, was man 'das Politische' nennt."

Nur dass dieses unvergleichliche Gemisch, mit dem Meckel die Autorin in die Nähe von Kirke, jener Zauberin der griechischen Mythologie, rückt, seitdem um eine Fundamentalerkenntnis reicher geworden ist: Wer einen Gegenstand thematisiert, verliert auch ein wenig das Interesse daran. Das wäre ein Schreiben als Therapie: "lieber eine halbe Stunde deine Augen / als tausend Wunder bis in alle Ewigkeit, / doch noch während ich es sage, / meine ich es schon nicht mehr ernst. // Jetzt wäre also das Trauern dran / die Kleider zerreißen und schreien vor Schmerz / denn dass es mir weniger ausmacht / ist schlimmer als ewiger Kummer."

Judith Herzberg wird Anfang November neunzig. Höchste Zeit, ihre herausragende und in den Niederlanden vielfach ausgezeichnete Poesie näher kennenzulernen. ALEXANDRU BULUCZ

Judith Herzberg:

"Gedichte aus den Jahren 1999 - 2024".

Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby. Edition Rugerup, Berlin 2024.

155 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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