Mindestens 780 muslimische Männer waren im extraterritorialen Gefangenenlager der USA in Guantánamo inhaftiert: Bauern und Händler, Ärzte und Entwicklungshelfer, Geflüchtete und Reisende, Taliban- und al-Quaida-Angehörige. Ohne Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren wurden sie über Jahre gefoltert. Mit Guantánamo ging es nicht um Gerechtigkeit oder Geheimdienstinformationen, sondern um eine Bildpolitik der Macht und Herrschaft der Vereinigten Staaten. Weniger bekannt ist jedoch, wie die Gefangenen Widerstand leisteten und zu überleben versuchten: Sie lehrten einander Sprachen und Bräuche, traten in Hungerstreik und wählten Vertreter, sie malten in den Sand oder sangen zusammen. Und sie schrieben Gedichte. Diese kleinsten Einheiten des schöpferischen Widerstands stehen bis heute unter Verschluss, als wäre Poesie etwas, das noch den mächtigsten Staat zu Fall bringen kann. Bekannt ist nur diese Auswahl von zweiundzwanzig Gedichten, die nach einer Übertragung ins Englische nun erstmals auf Deutsch vorliegen. Ihrer Entstehung, Überlieferung und historischen Verortung in einer langen Tradition poetischen Widerstands geht Sebastian Köthes Nachwort nach, das dazu einlädt, diese Texte gleichzeitig als Zeitdokumente und als Zeugnisse der Menschlichkeit ihrer Verfasser zu lesen.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Schockierend, berührend und radikal findet Rezensent Björn Hayer die "Gedichte aus Guantánamo", die in den USA ein großer Erfolg waren und nun auch auf Deutsch erscheinen. Sie sind von Insassen eines der berühmt-berüchtigsten Gefängnisse überhaupt verfasst worden, erfahren wir, und zeigen die brutalen, unmenschlichen Umstände, gegen die die Inhaftierten, viele von ihnen nachweislich unschuldig, als eine Art des wenigstens psychischen Entkommens angeschrieben haben. Sprachlich findet der Rezensent diese Lyrik weniger großartig, aber die "Dringlichkeit", die aus den Texten spricht und ihr emotionaler Ausdruck überzeugen ihn zu einer Empfehlung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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