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Der Peter-Huchel-Preis, einer der renommiertesten Lyrikpreise, ging 2005 an Nicolas Born. Die Jury würdigte das Werk, das neben sämtlichen zu Lebzeiten publizierten Gedichten zahlreiche unveröffentlichte aus dem Nachlass enthält, als ´´herausragende Neuerscheinung des Jahres 2004´´. Born habe Gedichte von ´´extremer Sprachempfindlichkeit und Magie´´ geschrieben und in seltener Intensität die Vorstellung vom Glanz des einfachen und direkten Ausdrucks verwirklicht, ohne außer Acht zu lassen, was er zum Werk Ernst Meisters festgehalten hatte: ´Ein Gedicht muss dunkle Stellen haben´´.
Sein
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Produktbeschreibung
Der Peter-Huchel-Preis, einer der renommiertesten Lyrikpreise, ging 2005 an Nicolas Born. Die Jury würdigte das Werk, das neben sämtlichen zu Lebzeiten publizierten Gedichten zahlreiche unveröffentlichte aus dem Nachlass enthält, als ´´herausragende Neuerscheinung des Jahres 2004´´. Born habe Gedichte von ´´extremer Sprachempfindlichkeit und Magie´´ geschrieben und in seltener Intensität die Vorstellung vom Glanz des einfachen und direkten Ausdrucks verwirklicht, ohne außer Acht zu lassen, was er zum Werk Ernst Meisters festgehalten hatte: ´Ein Gedicht muss dunkle Stellen haben´´.

Sein Werk, so die Jury weiter, weise Nicolas Born als ´´tonsetzende Figur´´ unter den Dichtern der siebziger Jahre aus. Auch heute noch besäßen seine Gedichte ´´außergewöhnliche Leuchtkraft´´.

Autorenporträt
Nicolas Born wurde 1937 in Duisburg geboren, wuchs am Niederrhein auf und war zunächst im Ruhrgebiet als Chemiegraph tätig, bis er nach der Einladung ins Literarische Colloquium 1963 und einem ersten Förderpreis als freier Schriftsteller nach Berlin ging. Nach der Anerkennung durch Auslandsstipendien und literarische Preise erreichte Born mit seinem dritten Gedichtband 'Das Auge des Entdeckers' (1972) und dem Roman 'Die erdabgewandte Seite der Geschichte' (1976) auch ein breiteres Publikum. Kurz vor seinem Tod im Dezember 1979 erschien der später vielfach übersetzte und verfilmte Roman 'Die Fälschung'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2005

Aufgeblättertes Herz
Einer wie keiner: Die gesammelten Gedichte von Nicolas Born

Du lernst jemanden kennen, und plötzlich ist es da: dieses nicht erklärbare Gefühl, man kennt sich schon ein Leben lang. Du könntest die Sätze des anderen zu Ende führen oder sie beginnen, bevor er sie beginnt, kennst sein Lächeln, die Geste, wenn er nachdenkt, den tiefen Blick, die Falte auf der Stirn, die Art, wie er das Streichholz in die Hand nimmt und am Rand des Heftchens entzündet. Du kennst den Klang seiner Worte, die Melodie seiner Argumente, das unvermittelte Schweigen, die unterdrückte Wut, den versteckten Witz. Man ist schon zu alt, hat nicht mehr die Zeit, ein ganzes Leben nachzuholen, aber man muß es gar nicht, es ist da, alles. Die Zeit war auf der Überholspur, und wir in ihrem Windschatten.

Der 1979 verstorbene Nicolas Born, dessen zu Lebzeiten veröffentlichte und im Nachlaß gefundene Gedichte nun in einem wunderbaren Band versammelt sind, ist ein Autor, mit dem man sofort befreundet ist. Und wie das so ist mit Freunden: Man liebt sie, kann oft nicht einmal erklären, warum. Man geht mit ihnen ihre Wege, wie wirr sie auch sind, reist mit ihnen durch die Wüsten Amerikas und liegt mit ihnen am Pflasterstrand, empfindet eine Zärtlichkeit selbst für ihre Fehler. "Sollen dich meine schönen Verse immer / an meine häßlichen erinnern?" Nein, das sollen und werden sie nicht, nur die Schönheit der überraschend unangestrengten Verse brennt sich in die Erinnerung, nur ihr folgt die Spitze des Bleistifts, wenn er sie unterstreicht.

Natürlich gibt es auch Irritationen, man lebt sich auseinander, findet wieder zueinander, streitet sich, wirft sich die Wahrheit wie eine Flasche Bier an den Kopf und trinkt dann wieder zusammen, als wäre nichts geschehen. Selbst den diebischen Griff in Brechts große Manteltasche verzeiht man gerne, wenn er sich als "Selbstbildnis" tarnt: "Ich Zigarettenraucher halb schon Asche / Kaffeetrinker mit den älteren Damen / die mir halfen / wegen meiner sympathischen Fresse und / die Rücksichtslosigkeit mit der / ich höflich bin." Die ersten Gedichte sondieren noch die "Marktlage", so der Titel des ersten Bandes, suchen ihren eigenen Ton, sind in ihrer Lässigkeit noch etwas bemüht, wollen alles so, als ob nichts wäre, spannen ihre Muskeln für die Schlagworte der Zeit: Papst, Krupp, Starfighter, Nato. Aber dennoch entwickeln sie schon ein Sensorium für die Zeit, die schleichende Veränderung der Sprache durch ihre Kommerzialisierung, den Wechsel der Utopien und Wunschträume in die Versprechungen der Werbung: "Stunden verwend ich auf mich / Tage auf das Mobiliar / ich esse Obst und bleibe gesund. / Selten mach ich die Liebe, selten bin ich Dieb im Discount. / Wöchentlich spare ich eine Rasur / mit der blauen Gillette."

Diese Gedichte sind ein Inventar der alten Bundesrepublik, ihrer Gegenstände, ihrer Ängste, ihrer Eitelkeiten und Selbstüberschätzungen, des anfänglich erstickenden Konservatismus und der Rebellion, sie erzählen von beschädigten und befreiten Biographien, von Nachrufen auf eine Arbeitswelt und ihre einfachen Menschen, die heute zugleich ein Nachruf auf die Arbeit sind, die fehlt wie den Menschen die Hoffnung darauf. Sie erzählen von als Parasiten denunzierten Künstlern, ihren Nöten, ihren privaten Widersprüchen, erzählen davon, daß alles nicht zusammengeht, die Politik und die Familie, das wilde Dichterleben und das Windelnwechseln, die bürgerliche Sicherheit und das sich Vergeuden in den Abenteuern, die an jeder Ecke lauern und in der Weite der Welt, deren Grenzen sich mit dem Erfolg dem suchenden Dichter immer mehr öffnen: "Wir sind keine Pferdediebe allerdings Deutsche / unsere Höflichkeit ist die Höflichkeit von Ausländern / wir werden schneller / wir meinen wir sausen / eingepackt in süße Luft / und in eine Musik die nie aufhört / altern wir ganz langsam / vielen Dank Pentagon / für diesen statistischen Verzögerungseffekt." Die Reise in die Vereinigten Staaten hat seinen Gedichten einen neuen Sound und Beat gegeben, ohne daß er, trotz aller Bewunderung, ein Beatnik geworden wäre; vielmehr konnte er Hölderlin und Ginsberg zusammendenken und auf eine Zeile bringen. Nomaden reisen niemals ohne Grund.

So begleitet man in dem Band Nicolas Born Gedicht für Gedicht durch sein Leben, blättert in seinem Kopf, schlägt sein Herz um, hört auf seine Stimme, wenn sie flüstert, wenn sie schreit, will ihn in den Arm nehmen oder ermutigen, teilt seinen Haß und seine Freuden, und immer lacht man mit ihm und ist überwältigt von seiner Selbstironie: "Ich, einer wie alle, verletzt von Angst / komme täglich unverletzt / aus dem Kugelhagel heraus."

Mit Freunden hat man zusammen Geheimnisse, die man mit niemand sonst teilt, versteht Andeutungen, die den anderen ein Rätsel sind. Und immer wieder geht es um die Liebe, die Enttäuschung, das Glück, das doch so nah war, zum Greifen nah: "In Köln-Knapsack küßte ich eine Frau / (. . .) / Wir verabredeten uns auf einen Zufall. / So bald komme ich nicht mehr nach / Köln-Knappsack." Und dann geht es auch um die Eifersucht, wenn plötzlich ein anderer Mensch näher dem Herzschlag ist als der Freund, wenn eine Fremdheit sich einschleicht, die nicht aus dem gemeinsam Erfahrenen erklärbar ist. Oder man hat verschiedene Ansichten, politisch, ästhetisch, im Leben. Aber so ist das mit Freundschaft, man verzeiht, drückt ein Auge zu, unterdrückt den Widerspruch, hat Geduld. Da ist etwas, das ist unverwundbar, etwas, das einem niemand mehr nehmen kann. Und weil die Freundschaft dies alles ist und mehr, müssen die Freunde auch ins Gedicht: "Piwitt fragt mich ob er hier vorkommt / ja sage ich aber nur als Name / er ist zufrieden und bricht auf / zu einer Wanderung."

Nicolas Born bricht das Gedicht auf ins Persönliche, nimmt ihm seine sakrale Aura, ersetzt das auratische "Es", das spricht, durch ein simples "Ich", er zeigt, wie ein Gedicht gemacht wird und was er macht, während er ein Gedicht schreibt: "Und hier schiebt sich zart und ungerecht / ein Rumpsteak ins Gedicht / das man irgendeinem namenlosen Tier / irgendwo in der Welt weggeschnitten hat." Vor allem aber zeigt er, was es ihn kostet, das Gedichtemachen, oder was es nach Meinung seiner Zeitgenossen kosten sollte: "Auch ich könnte mitten in einer Gedichtzeile / wegbleiben / nichts trennt mich vom Sozialismus / aber mein Stoffwechsel dreht mich um / wird der Kaffee drei- bis fünfmal so teuer / wenn wir die Gerechtigkeit haben / ist es eine Tragödie wenn ich so lange / bei dir bin / wenn ich diesen Tisch verrücke / Ist das dann / ein Vorgang in Worten."

Bei allem Alltagszauber ist Born stets sprachreflexiv, erörtert bis an die eigenen Schreibblockaden die Grenzen des Gedichts: "Wenn ich vor mir selbst bestehen will / mache ich immer etwas anderes, hol Kohlen / aus dem Keller / oder verbrenne einen Satz von dem ich tagelang meine / er hätte gehalten." Wir sind bei ihm immer "Im Inneren der Gedichte", dort erkennt er: "Du kannst nicht davon leben / mit der Wirklichkeit zu konkurrieren / noch kannst du von der Wirklichkeit leben / aber du kannst einen Eingriff überleben / und alles zurück kriegen / und durch Das Leben gehen / durch schnell verfallende Bilder / das warst du."

Diese "verfallenden Bilder" sind auch die Bilder des Film, wie überhaupt das Kino für Born eine ästhetisch zentrale Rolle spielt, seine Schnitte, Rückblenden, schnellen Wechsel, die neuen Erzählformen, die fremden Welten. Er ging mit seinen Frauen ins Kino - "NACH DIESER ERSTEN ZEILE / bin ich erst mal ins Kino gegangen" - und ging mit dem Kino in seine Gedichte: "Ich taste mich ab / ich bin zweifellos in einem Film / ich bin voll / synchronisiert." Er beobachtet eine Frau in einem Bahnhof und plötzlich erscheint sie ihm "wie die Rückblende in einem Zufallsfilm / den noch keiner gesehen hat". Genau so ergeht es einem beim Lesen, man denkt, man kennt das alles schon, selbst die Zufälle, aber man hat es so noch nicht gesehen und blendet sich ein in dieses Leben.

Man ist dankbar für diese Rückblende auf einen Dichter, dessen Gedichte fast verschwunden waren und so ein Gewinn sind für das Jetzt, das Erinnern in die Zukunft aus dem Wissen um das Geschehene, die Geschichte und ihre Geschichten. Die Tochter Katharina Born hat diesen fast siebenhundert Seiten starken Band mit viel Liebe, Einfühlvermögen, umfassenden Textnachweisen und -varianten, und einem sehr persönlichen biographischen Essay herausgegeben, hat nicht ohne gemischte Gefühle und auch mit etwas Angst den alten Schrank geöffnet, der den Nachlaß ihres Vaters hütete.

Man ist am Anfang etwas erschrocken, braucht die ganze Hand, um diesen Gedichtband zu umfassen, aber er umfaßt ja auch ein ganzes Dichterleben. 1979 starb Nicolas Born an Krebs. Ende November 1977 schreibt er in dem Gedicht "Ein paar Notizen aus dem Elbholz": "Wenn ich sterbe will ich allein sein / nicht mich berühren, nichts verwischen / kein Wort / es soll alles echt aussehen." Es ist nichts verwischt, nichts vergessen. Seine Gedichte sind echt, so echt wie die Freundschaft und so lebendig wie die Erinnerung an einen Freund, der uns zu früh verlassen hat. ",leben' ist auch so ein Wort / das sich langsam dreht / als wäre wirklich alles ganz einfach / und es ist einfach / ein ganzes Stück Welt in sich zu spüren."

Nicolas Born: "Gedichte". Herausgegeben von Katharina Born. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 666 S., 16 Abb., geb., 34,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "wunderbar" feiert der rezensierende Schriftsteller Albert Ostermaier diesen Band mit Nicolas Borns gesammelten Gedichten, die für ihn zum "Inventar der alten Bundesrepublik" gehören mit ihren Ängsten, Eitelkeiten und Größenphantasien. Während des Lesens begleitet er Born Gedicht für Gedicht durch dessen Leben, überwältigt von der Kunst und der Selbstironie des Autors. Bei allem Alltagszauber bleibt Born für Ostermaier trotzdem "stets  sprachreflexiv". Er erörtere bis an die eigenen Schreibblockladen die Grenzen der Lyrik. Auch an Borns Tochter Katharina geht ein dickes Lob für diese liebevolle und kenntnisreiche Edition. Die Textnachweise und -varianten schätzt er ebenso wie ihren sehr persönlichen biografischen Essay.

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