Oft reichte ein kritisches Wort, ein »verdächtiger « Lebenslauf oder die Denunziation des Nachbarn: Immer wieder wurden zunächst in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR missliebige Personen kurzerhand festgenommen und ohne rechtsstaatliches Verfahren inhaftiert. Die Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen war das zentrale Stasi-Untersuchungsgefängnis der DDR. In diesem Buch schildern zahlreiche Gefangene die entwürdigenden Haftbedingungen, die zermürbenden Verhöre und den psychischen Druck, dem man als Häftling ausgeliefert war.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2008Wehrlos
Stasi-Häftlinge berichten
Am Beispiel der erst sowjetischen, dann deutschen Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen führt das Buch plastisch vor Augen, was es bedeutete, der gezielten Willkür kommunistischer Sicherheitsorgane ausgesetzt gewesen zu sein. Die Auszüge aus meist schon veröffentlichten Berichten sind chronologisch nach Jahrzehnten geordnet, so dass deutlich wird, wie sich die Methoden änderten und was an ihnen gleich geblieben war. Gleich geblieben war das Abgeschnittensein von der Außenwelt, das wehrlos machte, bis hin zu der Tatsache, dass zunächst überhaupt kein Tageslicht hereinkam, später eines, das durch Glasziegel gefiltert war, so dass nichts von der Außenwelt gesehen werden konnte. Ändern taten sich im Lauf der Zeit die Vernehmungen von physischer Gewalt und hemmungslosem Anbrüllen hin zu feineren Methoden wie weiterhin monatelange Verhöre unter hermetischer Isolation, entwürdigende Behandlung, Schlafentzug, Hinweise auf Familienangehörige, denen man schaden könne, ja in einem Fall sogar medikamentöse Manipulation durch sogenannte Ärzte. Man lernte so etwas auf einer MfS-Hochschule in Potsdam. Niemand - auch außerhalb der vorliegenden Berichte - hat erlebt, dass ein MfS-Offizier anderen Sinnes geworden wäre, wie es ein - an sich erfreulicherweise - Oscar-preisgekrönter Spielfilm darstellt.
Hervorzuheben ist die Erstveröffentlichung der anrührenden Briefe des Schauspielers Heinrich George an seine Frau Bertha Drews noch aus der Zeit des sowjetischen Lagers. Dass er Briefe schreiben konnte, lag daran, dass er doch eine Sonderstellung innehatte. Die Erinnerungen Walter Jankas, des ehemaligen Chefs des Aufbau-Verlages, sind nur insofern von Belang, als durch sie wieder einmal deutlich wird, dass gute Genossen erst dann die Herrschaftsmethoden der Diktatur beklagten, wenn sie sich gegen sie selbst wendeten. Gegen Ende des Buches erscheinen Texte von Oppositionellen, die ein wenig durch die Publizität geschützt waren, die sie durch westliche Veröffentlichungen erfahren hatten. Vielleicht könnte man in eine spätere Auflage auch Berichte von sozusagen normalen Häftlingen dieser Zeit aufnehmen. Denn weitere Auflagen sind dem Buch sehr zu wünschen.
WOLFGANG SCHULLER
Hubertus Knabe: Gefangen in Hohenschönhausen. Stasi-Häftlinge berichten. List Verlag, Berlin 2007. 320 S., 8,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Stasi-Häftlinge berichten
Am Beispiel der erst sowjetischen, dann deutschen Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen führt das Buch plastisch vor Augen, was es bedeutete, der gezielten Willkür kommunistischer Sicherheitsorgane ausgesetzt gewesen zu sein. Die Auszüge aus meist schon veröffentlichten Berichten sind chronologisch nach Jahrzehnten geordnet, so dass deutlich wird, wie sich die Methoden änderten und was an ihnen gleich geblieben war. Gleich geblieben war das Abgeschnittensein von der Außenwelt, das wehrlos machte, bis hin zu der Tatsache, dass zunächst überhaupt kein Tageslicht hereinkam, später eines, das durch Glasziegel gefiltert war, so dass nichts von der Außenwelt gesehen werden konnte. Ändern taten sich im Lauf der Zeit die Vernehmungen von physischer Gewalt und hemmungslosem Anbrüllen hin zu feineren Methoden wie weiterhin monatelange Verhöre unter hermetischer Isolation, entwürdigende Behandlung, Schlafentzug, Hinweise auf Familienangehörige, denen man schaden könne, ja in einem Fall sogar medikamentöse Manipulation durch sogenannte Ärzte. Man lernte so etwas auf einer MfS-Hochschule in Potsdam. Niemand - auch außerhalb der vorliegenden Berichte - hat erlebt, dass ein MfS-Offizier anderen Sinnes geworden wäre, wie es ein - an sich erfreulicherweise - Oscar-preisgekrönter Spielfilm darstellt.
Hervorzuheben ist die Erstveröffentlichung der anrührenden Briefe des Schauspielers Heinrich George an seine Frau Bertha Drews noch aus der Zeit des sowjetischen Lagers. Dass er Briefe schreiben konnte, lag daran, dass er doch eine Sonderstellung innehatte. Die Erinnerungen Walter Jankas, des ehemaligen Chefs des Aufbau-Verlages, sind nur insofern von Belang, als durch sie wieder einmal deutlich wird, dass gute Genossen erst dann die Herrschaftsmethoden der Diktatur beklagten, wenn sie sich gegen sie selbst wendeten. Gegen Ende des Buches erscheinen Texte von Oppositionellen, die ein wenig durch die Publizität geschützt waren, die sie durch westliche Veröffentlichungen erfahren hatten. Vielleicht könnte man in eine spätere Auflage auch Berichte von sozusagen normalen Häftlingen dieser Zeit aufnehmen. Denn weitere Auflagen sind dem Buch sehr zu wünschen.
WOLFGANG SCHULLER
Hubertus Knabe: Gefangen in Hohenschönhausen. Stasi-Häftlinge berichten. List Verlag, Berlin 2007. 320 S., 8,95 [Euro].
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