Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 4,90 €
  • Buch

Gefühle - Wie die Wissenschaften sie erklären
Gefühle sind im Gespräch, ob von emotionaler Intelligenz die Rede ist oder von der emotionalen Wende der Philosophie. Dabei stand für die Philosophie lange die Vernunft des Menschen im Mittelpunkt. In der griechischen Stoa hieß es: "Der Weise ist ohne Affekt." Heute jedoch sind Gefühle eine Schlüsselkategorie der Human- und Naturwissenschaften. Martin Hartmann beschreibt die Entwicklung dorthin seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und erläutert, wie in Philosophie und Kognitionswissenschaft Gefühle zusehends als "vernünftig" oder "rational "…mehr

Produktbeschreibung
Gefühle - Wie die Wissenschaften sie erklären

Gefühle sind im Gespräch, ob von emotionaler Intelligenz die Rede ist oder von der emotionalen Wende der Philosophie. Dabei stand für die Philosophie lange die Vernunft des Menschen im Mittelpunkt. In der griechischen Stoa hieß es: "Der Weise ist ohne Affekt." Heute jedoch sind Gefühle eine Schlüsselkategorie der Human- und Naturwissenschaften. Martin Hartmann beschreibt die Entwicklung dorthin seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und erläutert, wie in Philosophie und Kognitionswissenschaft Gefühle zusehends als "vernünftig" oder "rational " definiert werden. Aber auch psychologische und neurowissenschaftliche Ansätze kommen zu Wort. So bietet er eine spannende Reise durch die wissenschaftliche Erforschung und Bewertung der Gefühle, die uns erst zu Menschen machen.

Leseprobe:
Aus ganz anderen Gründen erfährt das menschliche Gefühlsleben in der Philosophie eine Aufwertung, die ungefähr in der Mitte des letzten Jahrhunderts angesiedelt werden kann. Galten Gefühle vorher als irrationale oder arationale Kräfte, die die vernünftigen Absichten des Menschen durchkreuzen, oder aber als Phänomene, die sich körperlichen Empfindungen wie Schmerz oder Lust gleichsetzen lassen (Deigh 1994), so werden sie im Kontext neuerer philosophischer Ansätze "vernünftig " oder "rational". Ronald de Sousas einflussreiches Buch etwa heißt schlicht Die Rationalität des Gefühls (1997). Damit können Gefühle plötzlich "Gründe" für bestimmte Entscheidungen liefern, können Handlungen "rechtfertigen", können korrekt oder inkorrekt, angemessen oder unangemessen, wahr oder unwahr sein, Eigenschaften, die man traditionell eher menschlichen Überzeugungen oder Wünschen zukommen lässt. Mit dieser "Rationalisierung" der Gefühle verabschiedet sich die Philosophie von den meisten antiken und neuzeitlichen Deutungen des menschlichen Gefühlslebens oder unterzieht sie im Lichte ihrer eigenen Erkenntnisse einer aufwertenden Neuinterpretation. Die Verabschiedung der Tradition erweist sich dabei für die meisten Autoren als der einfachere Weg. Hatte nicht schon Platon dieGefühle verunglimpft und damit die Tradition ihrer Vernachlässigung eröffnet? In seinem Timaios bezeichnet er sie als "mächtige und unabweisliche Leidenschaften ", die die Seele auf ihrer Suche nachWahrheit und Unsterblichkeit ablenken und verwirren (69d). Im Phaidon gibt es auf der einen Seite den Leib mit seinen "Gelüsten und Begierden", mit seiner "Furcht" und seinen "Kindereien" (66c2-4). Als Wesen, die Leiber haben, verlangen wir nach Nahrung, verspüren Schmerz und Lust und, für Platon besonders wichtig, sind sterblich. Auf der anderen Seite aber gibt es die Seele, die darauf aus ist, das Wahre oder "die Dinge selbst" zu schauen (66e1); die Seele ist dem "Göttlichen, Unsterblichen, Vernünftigen, Eingestaltigen, Unauflöslichen" ähnlich (80b1-2), sie beherrscht idealerweise den Leib und seine unberechenbaren Regungen. Ziel des Philosophen ist es, sich der "Lust und Begierde, der Unlust und Furcht" zu enthalten (83b7-8), um nach seinemTod die Ankettung an den Leib zu überwinden und in Kontakt zum Göttlichen zu treten. Gefühle werden in der antiken Philosophie durchaus erörtert, auch wenn es keinen Ausdruck im Altgriechischen gibt, der unserem Begriff "Gefühl" entspricht. Wo sie allerdings thematisch werden, nimmt ihre Darstellung häufig einen ethisierenden Charakter an; anders gesagt, in der Hierarchie der antiken Seele befinden sich die Gefühle in der Regel auf einem niederen Rang; selbst dort,wo sie nach einhelligerMeinung der Forschung rational aufgewertet werden, in der Stoa, bleiben sie letztlich das, was beherrscht oder sogar getilgt werden soll. Diogenes La¨ertios gibt die Lehre Zenons wider, wonach der Affekt, pathos, eine "unvernünftige, unnatürliche Seelenbewegung oder ein exzessiver Trieb" sei (1998, S.336). Chrysippos nennt Affekte "Krankheiten der Seele", die ausgerottet werden müssen: "DerWeise ist ohne Affekte." (Zit. nach Hengelbrock 1971, Sp. 90)
Autorenporträt
Martin Hartmann, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.