Seit Jahrzehnten empfinden sich die Deutschen als gefühlte Opfer und vertrauen seit der Rede Richard von Weizsäckers 1985 dem Versprechen, Erinnerung führe zu »Erlösung«. Diese Erinnerungsmoral untersuchen Ulrike Jureit und Christian Schneider historisch, geistesgeschichtlich und psychoanalytisch. Ihr Fazit: Eine vollkommene »Vergangenheitsbewältigung» bleibt eine Illusion.
Seit Jahrzehnten empfinden sich die Deutschen als gefühlte Opfer und vertrauen seit der Rede Richard von Weizsäckers 1985 dem Versprechen, Erinnerung führe zu »Erlösung«. Diese Erinnerungsmoral untersuchen Ulrike Jureit und Christian Schneider historisch, geistesgeschichtlich und psychoanalytisch. Ihr Fazit: Eine vollkommene »Vergangenheitsbewältigung» bleibt eine Illusion.
Ulrike Jureit, Dr. phil., Historikerin, Hamburger Institut für Sozialforschung, Sprecherin der zweiten Wehrmachtsausstellung. Christian Schneider, geboren 1951, Dr. phil. habil., Privat dozent an der Universität Kassel; zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich psychoanalytischer Kulturtheorie.
Inhaltsangabe
ULRIKE JUREIT UND CHRISTIAN SCHNEIDER Unbehagen mit der Erinnerung ULRIKE JUREIT Opferidentifikation und Erlösungshoffnung: Beobachtungen im erinnerungspolitischen Rampenlicht I. Erinnerung wird zum Gesellschaftszustand: Eine Beobachtung Olympioniken der Betroffenheit: Ein Unbehagen . . Geliehene Identitäten: Die Figur des »gefühlten Opfers« Everything is under Control: Normierungstendenzen einer opferidentifizierten Erinnerungskultur II. Erinnerung und Erlösung: Ein Missverständnis Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung: Eine Inanspruchnahme Formen säkularen Erinnerns: Zwischen Abstinenz, Imitation und Irritation III. Die Theorie des kulturellen Gedächtnisses: Eine Kritik Erinnerungen im Wechselrahmen Assmann & Assmann: Erinnerung als kulturelle Arterhaltung Wir-Gefühle am Abgrund IV. Reichweiten des Erinnerns: Eine Perspektive Sehnsucht nach dem Neuanfang: Generation und Gedächtnis Global denken - global erinnern? Opferidentifikation als europäisches Gemeinschaftsversprechen Wem gehört der Holocaust? Deutungskonflikte in der Weltgesellschaft CHRISTIAN SCHNEIDER Besichtigung eines ideologisierten Affekts: Trauer als zentrale Metapher deutscher Erinnerungspolitik V . Grundlagen der Vergangenheitspolitik 1966. Theodor W. Adorno: Negative Dialektik Die Sprecherposition der »Kritischen Theorie« nach 1945 1968. Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse 1967. Alexander und Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern VI . Sigmund Freud: Trauer und Melancholie VII. Trauer und Geschichte. Formen der Erinnerung Norbert Elias: Jeder trauert um seine Toten Kollektive Fehlleistungen VIII. Noch einmal Trauer: Modelle einer anderen Affektkultur Trauer als »Selbstreflexion im verlorenen Anderen« Auf dem Weg zu einer neuen Erinnerungskultur? Anmerkungen
ULRIKE JUREIT UND CHRISTIAN SCHNEIDER Unbehagen mit der Erinnerung ULRIKE JUREIT Opferidentifikation und Erlösungshoffnung: Beobachtungen im erinnerungspolitischen Rampenlicht I. Erinnerung wird zum Gesellschaftszustand: Eine Beobachtung Olympioniken der Betroffenheit: Ein Unbehagen . . Geliehene Identitäten: Die Figur des »gefühlten Opfers« Everything is under Control: Normierungstendenzen einer opferidentifizierten Erinnerungskultur II. Erinnerung und Erlösung: Ein Missverständnis Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung: Eine Inanspruchnahme Formen säkularen Erinnerns: Zwischen Abstinenz, Imitation und Irritation III. Die Theorie des kulturellen Gedächtnisses: Eine Kritik Erinnerungen im Wechselrahmen Assmann & Assmann: Erinnerung als kulturelle Arterhaltung Wir-Gefühle am Abgrund IV. Reichweiten des Erinnerns: Eine Perspektive Sehnsucht nach dem Neuanfang: Generation und Gedächtnis Global denken - global erinnern? Opferidentifikation als europäisches Gemeinschaftsversprechen Wem gehört der Holocaust? Deutungskonflikte in der Weltgesellschaft CHRISTIAN SCHNEIDER Besichtigung eines ideologisierten Affekts: Trauer als zentrale Metapher deutscher Erinnerungspolitik V . Grundlagen der Vergangenheitspolitik 1966. Theodor W. Adorno: Negative Dialektik Die Sprecherposition der »Kritischen Theorie« nach 1945 1968. Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse 1967. Alexander und Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern VI . Sigmund Freud: Trauer und Melancholie VII. Trauer und Geschichte. Formen der Erinnerung Norbert Elias: Jeder trauert um seine Toten Kollektive Fehlleistungen VIII. Noch einmal Trauer: Modelle einer anderen Affektkultur Trauer als »Selbstreflexion im verlorenen Anderen« Auf dem Weg zu einer neuen Erinnerungskultur? Anmerkungen
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Mut und analytische Kraft bescheinigt Richard Klein den Autoren dieses Buchs, das sich des "heißen Eisens" deutscher Erinnerungskultur annehme. Die provokante Grundthese des Buchs sei, dass die Erinnerungskultur hierzulande aus einer geliehenen Opferperspektive heraus entworfen werde. Dass diese Erinnerungskultur daher auch exkulpative Momente habe: Wir, die wir uns erinnern, können nicht schuldig sein. Den hohen Erkenntniswert des Buchs sieht der Kritiker der Kombination des Autorenduos geschuldet: Ulrike Jureit sei Historikerin, Christian Schneider ein psychoanalytisch forschender Soziologe. Besonders inspirierend fand Klein Schneiders Skizze einer psychoanalytischen Theorie der Trauer, die mit einer hochspannenden Mitscherlich-Kritik einsetze und Lust auf mehr mache. Auch dankt er Schneider die Entdeckung von Norbert Elias als Diskursbeiträger zur Erinnerungsdebatte, in der er bislang zum Erstaunen des Kritikers keine Rolle spielte.