Dieses Gedicht hat Goethe seiner späteren Frau gewidmet. Im Wald entdeckt ein Jüngling eine wunderhübsche Blume. Er will sie pflücken. Doch sie wehrt sich, denn sie will nicht "zum Welken gebrochen sein". Also gräbt er sie mit allen Wurzeln aus und bringt sie - wie eine Braut in den Armen tragend - in seinen Garten, wo er sie liebevoll hegt und pflegt.
Gegenseitiges Nehmen und Geben bestimmt die Beziehung zwischen ihm und der Blume. So entsteht immer wieder ein Neues, das ihre Beziehung lebendig erhält...
Verena Ballhaus hat das 1813 entstandene Gedicht, das Goethe seiner Braut gewidmet hat, auf witzige und zugleich berührende Weise interpretiert. Damit wird dieses Gedicht voller Zärtlichkeit zu einem aufregenden Schau- und Lesevergnügen für Kinder und Erwachsene.
Gegenseitiges Nehmen und Geben bestimmt die Beziehung zwischen ihm und der Blume. So entsteht immer wieder ein Neues, das ihre Beziehung lebendig erhält...
Verena Ballhaus hat das 1813 entstandene Gedicht, das Goethe seiner Braut gewidmet hat, auf witzige und zugleich berührende Weise interpretiert. Damit wird dieses Gedicht voller Zärtlichkeit zu einem aufregenden Schau- und Lesevergnügen für Kinder und Erwachsene.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.11.2003Doppelte Verführung
Verena Ballhaus illustriert ein Goethe-Gedicht
Ich ging im Walde / So für mich hin, / Und nichts zu suchen, / Das war mein Sinn”. Schon vom ersten kleinen Bild an wird der Knabe umgarnt: eine dünne rote Linie zieht ihn in den Wald hinein, zeigt ihm den noch unbekannten Weg. Sie durchläuft alle Seiten des Buches, verstrickt ihn immer tiefer in ihre verzweigten Windungen und endet schließlich wieder bei ihm selbst. Im ersten Bild weiß er noch nicht, wer er ist, am Ende tanzt er fröhlich über die Bildfläche. So gerahmt, wird uns Goethes kleines Gedicht von 1813 wieder erzählt, neu erzählt. Die unverhoffte Begegnung mit einer wunderschönen Blume, „Wie Sterne leuchtend, / Wie Äuglein schön”, verändert das Leben des Knaben. Er bricht die Blume nicht, sondern trägt sie mit dem Wurzelwerk vorsichtig in den Garten, wo er sie einpflanzt und pflegt.
Wir wissen von vielen Neuauflagen klassischer Texte, welche Kraft Bilder besitzen, um Sprache neu zu deuten, um ihr eine erneute Aktualität zu verleihen. Verena Ballhaus hat Goethes Verse in ihrer Schlichtheit erhalten und sie doch bildnerisch neu inszeniert. Der Wald, in dem die Begegnung zwischen dem Knaben und dem Blümlein stattfindet, ist nicht länger romantischer Naturraum, sondern ein schlicht gezeichneter Illusionsraum, in dem sich überraschend eine Tür öffnet. Tritt der junge Held in einen Wald oder in ein Buch ein? Bereits die ersten Seiten dieses Bilderbuchs erzählen auf doppeltem Boden: sie führen in die Geschichte ein und verführen zugleich zum Lesen, zum Einstieg in die Welt der Bücher. In zeichenhaften Bildformen kommentiert die Illustratorin die einzelnen Zeilen: zwei Hände legen sich schützend um die Blume, die der Knabe brechen will; seine Augen werden zu kleinen Schauplätzen, auf denen der innere Konflikt ausgetragen wird. Kleine unspektakuläre Zeichnungen, Skizzen gleich, erzählen eigene Nebengeschichten: Blumen schauen der Begegnung im Walde neugierig zu, Bäume verwandeln sich in Regenwolken, um Trauer auszudrücken.
Welches Wunderwerk das Blümlein besitzt, entdeckt der Junge erst, als er es vor dem Verwelken bewahrt und die „Würzlein” ausgräbt. Reich belohnt, eilt er nach Haus und pflanzt die Blume bei Mondenschein in die Erde. Die roten Wurzellinien, die wir schon auf dem Frontispiz entdecken konnten, entfalten sich auf den Bildflächen, begleiten das Kind, verwandeln sich in Bergschluchten, wilde Wasser und Häuser. Als Dank für die sorgsame Pflege begleitet das Blümlein den Knaben bis ans Bett und liest ein Buch, während dem erschöpften Gärtner die Augen zufallen. Goethes leises Plädoyer für den behutsamen, respektvollen Umgang mit der Natur hat sich in der bildnerischen Interpretation von Verena Ballhaus zu einer kleinen, unaufdringlichen Liebesgeschichte gewandelt, die, mit verhaltener Ironie, die ursprüngliche Aussage erhält. Selten wurde große Literatur so einfühlsam an kleine Betrachter gebracht.
JENS THIELE
JOHANN WOLFGANG GOETHE: Gefunden. Mit Illustrationen von Verena Ballhaus. Bajazzo Verlag 2003. 32 Seiten, 9,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Verena Ballhaus illustriert ein Goethe-Gedicht
Ich ging im Walde / So für mich hin, / Und nichts zu suchen, / Das war mein Sinn”. Schon vom ersten kleinen Bild an wird der Knabe umgarnt: eine dünne rote Linie zieht ihn in den Wald hinein, zeigt ihm den noch unbekannten Weg. Sie durchläuft alle Seiten des Buches, verstrickt ihn immer tiefer in ihre verzweigten Windungen und endet schließlich wieder bei ihm selbst. Im ersten Bild weiß er noch nicht, wer er ist, am Ende tanzt er fröhlich über die Bildfläche. So gerahmt, wird uns Goethes kleines Gedicht von 1813 wieder erzählt, neu erzählt. Die unverhoffte Begegnung mit einer wunderschönen Blume, „Wie Sterne leuchtend, / Wie Äuglein schön”, verändert das Leben des Knaben. Er bricht die Blume nicht, sondern trägt sie mit dem Wurzelwerk vorsichtig in den Garten, wo er sie einpflanzt und pflegt.
Wir wissen von vielen Neuauflagen klassischer Texte, welche Kraft Bilder besitzen, um Sprache neu zu deuten, um ihr eine erneute Aktualität zu verleihen. Verena Ballhaus hat Goethes Verse in ihrer Schlichtheit erhalten und sie doch bildnerisch neu inszeniert. Der Wald, in dem die Begegnung zwischen dem Knaben und dem Blümlein stattfindet, ist nicht länger romantischer Naturraum, sondern ein schlicht gezeichneter Illusionsraum, in dem sich überraschend eine Tür öffnet. Tritt der junge Held in einen Wald oder in ein Buch ein? Bereits die ersten Seiten dieses Bilderbuchs erzählen auf doppeltem Boden: sie führen in die Geschichte ein und verführen zugleich zum Lesen, zum Einstieg in die Welt der Bücher. In zeichenhaften Bildformen kommentiert die Illustratorin die einzelnen Zeilen: zwei Hände legen sich schützend um die Blume, die der Knabe brechen will; seine Augen werden zu kleinen Schauplätzen, auf denen der innere Konflikt ausgetragen wird. Kleine unspektakuläre Zeichnungen, Skizzen gleich, erzählen eigene Nebengeschichten: Blumen schauen der Begegnung im Walde neugierig zu, Bäume verwandeln sich in Regenwolken, um Trauer auszudrücken.
Welches Wunderwerk das Blümlein besitzt, entdeckt der Junge erst, als er es vor dem Verwelken bewahrt und die „Würzlein” ausgräbt. Reich belohnt, eilt er nach Haus und pflanzt die Blume bei Mondenschein in die Erde. Die roten Wurzellinien, die wir schon auf dem Frontispiz entdecken konnten, entfalten sich auf den Bildflächen, begleiten das Kind, verwandeln sich in Bergschluchten, wilde Wasser und Häuser. Als Dank für die sorgsame Pflege begleitet das Blümlein den Knaben bis ans Bett und liest ein Buch, während dem erschöpften Gärtner die Augen zufallen. Goethes leises Plädoyer für den behutsamen, respektvollen Umgang mit der Natur hat sich in der bildnerischen Interpretation von Verena Ballhaus zu einer kleinen, unaufdringlichen Liebesgeschichte gewandelt, die, mit verhaltener Ironie, die ursprüngliche Aussage erhält. Selten wurde große Literatur so einfühlsam an kleine Betrachter gebracht.
JENS THIELE
JOHANN WOLFGANG GOETHE: Gefunden. Mit Illustrationen von Verena Ballhaus. Bajazzo Verlag 2003. 32 Seiten, 9,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Hans ten Doornkaat nimmt Goethe beim Wort mit der Erkenntnis: "Was das Schwerste ist von allem? Was dich am Leichtesten dünkt! Mit den Augen zu sehen, was vor den Augen dir liegt." Dies sei auch das Geheimnis für Bilderbuchkritik, findet er, und dies ist wohl auch der Grund, warum in seiner Rezension gerade die Zeichnungen in Verena Ballhaus Buch starke Beachtung finden. Positiv vermerkt er zunächst, dass man hier nicht auf die bei Gedichtausgaben übliche Biedermeierei stößt. Auch lobt er die klare Interpretationslinie der Autorin. Ganz besonders scheint ihm jedoch zu gefallen, dass der Bildtext hier neue Wege gehe. Das Naturgedicht werde zur Liebesgeschichte, und die Zeichnungen verdeutlichen dies, stellt er fest. Sie enthalten aber auch "Irritationen und Bildrätsel; geistreich und naiv zugleich". Das Buch werde dadurch zu einer "Aufgabe zum Schauen", findet er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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